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Orientierungslauf

Die Juniorin fordert die Elite

An den letzten beiden Junioren-Weltmeisterschaften war Simona Aebersold das Mass aller Dinge. Nun steht die 20-jährige Brüggerin ein erstes Mal an einem Grossevent der Elite im Einsatz. Am Sonntag beginnt die Europameisterschaft im Tessin.

Bild: zvg/Rémy Steinegger

Michael Lehmann

Zu Beginn des Jahres äusserte Simona Aebersold eine «leise Hoffnung», an der Elite-Europameisterschaft im Tessin teilzunehmen. Nach den starken Leistungen an den Testläufen Anfang April (das BT berichtete) war ihre Nomination jedoch keine Überraschung.

Sowohl im Sprint als auch über die Mitteldistanz klassierte sich Aebersold zusammen mit der zeitgleichen Elena Roos an der Spitze des Schweizer Teams. Auch über die Langdistanz konnte die Brüggerin gut mit den Elite-Läuferinnen mithalten. Dabei gilt hervorzuheben, dass die seit kurzem 20-Jährige noch immer im Juniorenalter ist. Elena Roos oder auch Julia Gross (Siegerin des Testlaufs über die Langdistanz) sind beide sieben Jahre älter als Aebersold.

Dass Juniorinnen an internationalen Elite-Meisterschaften starten, ist aussergewöhnlich und an sich bereits eine Auszeichnung für das Geleistete. Die starken Testläufe wecken allerdings auch Hoffnungen. Aebersold hat auf der Juniorenstufe in den letzten Jahren dominiert. An den Weltmeisterschaften hat sie bereits sieben Goldmedaillen geholt. Nur wenige Athletinnen waren im selben Alter ähnlich erfolgreich. Eine davon ist Tove Alexandersson. Die 25-jährige Schwedin ist in der kommenden Woche eine der Favoritinnen. Sie war ebenfalls noch im Juniorenalter, als sie begann, an internationalen Elite-Meisterschaften teilzunehmen. An der EM 2012 lief Alexandersson auf die Plätze 5 (Mittel), 4 (Lang) und 3 (Staffel). Kokettiert auch Aebersold mit einem Medaillengewinn? «Ich habe mir kein Rangziel gesetzt», sagt Aebersold. «Sonst wäre ich nur enttäuscht, falls ich es nicht erreiche.» Sie strebe an, die bestmögliche Leistung abzurufen. «Mal schauen, wie weit mich das bringt.»

Mögliche Szenarien proben

Eine Aussage, die nicht überrascht. Die Seeländerin vermeidet es meist, öffentlich hohe Ziele zu nennen. Als sie im letzten Jahr als dreifache Titelhalterin an der Junioren-Weltmeisterschaft startete, gab sich Aebersold bescheiden. Sie wolle einfach in einem der drei Einzelrennen eine Medaille gewinnen – egal in welchem. In den Tagen darauf entschied Simona Aebersold alle Einzelrennen für sich.

Ähnliches für die anstehende EM zu erwarten, wäre vermessen. Es ist aber offensichtlich, dass sich Aebersold in einer starken Form befindet. «Bei den Testläufen hatte ich ein sehr gutes Laufgefühl und das Gelände passte mir gut.» Nun hoffe sie, ab dem Wochenende nahtlos dort anknüpfen zu können.

Zuletzt haben sich die Schweizer OL-Athleten in einem Trainingslager intensiv auf das Grossevent vorbereitet. Das Kader versammelte sich im Tessin und übte sich auf ähnlichem Gelände, wie es an den verschiedenen Austragungsorten erwartet wird. Denn wie üblich ist es verboten, die Wettkampfstätten auszukundschaften. Aber natürlich existieren Karten der verschiedenen Gebiete. Aebersold verbringt momentan viel Zeit damit, deren Topografien zu studieren. Dabei erstellt sie virtuelle Routen und überlegt sich, wie sie die Posten am schnellsten erreichen würde. «Ich mache kaum noch anderes und habe trotzdem das Gefühl, es sei nicht genug», sagt Aebersold und gibt zu, dass sie aufgeregter sei, als sie dies erwartet habe.

Vom Tessin in den Prüfungssaal

Diese Nervosität zu überwinden, wird eine der Herausforderungen in der nächsten Woche. Dazu gilt es für die Seeländerin auch, sich mental auf alle irgendwie möglichen Situationen vorzubereiten. Simona Aebersold mag es zum Beispiel gar nicht, wenn sie am Start sieht, wer nach ihr startet. «Dann denke ich plötzlich nur noch daran, dass diejenige mich bloss nicht einholen darf.» Auch dieses Szenario geht sie innerlich durch, um im Fall der Fälle dennoch fokussiert zu bleiben.

Konzentration ist ein wichtiges Stichwort für die Sport- und Biologiestudentin. Schon bald nach der Europameisterschaft wird sie in den diversen Semesterprüfungen gefordert. Und nach diesen steht bereits die Junioren-Weltmeisterschaft vor der Tür, die Aebersold aufgrund ihres Alters ein letztes Mal bestreiten kann (7. bis 15. Juli im ungarischen Kecskemét). Simona Aebersold steht also vor der Herausforderung, sich gleich zweimal in relativ kurzer Folge in ihre Bestform zu bringen. «Ich bin selbst gespannt, ob mir das gelingt», sagt sie. «Ich hoffe, dass ich den Flow von der Europameisterschaft mit nach Ungarn nehmen kann.»