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Die Torgarantin

Auf das U19-Nationalteam warten an der Heim-EM schwierige Aufgaben. Umso mehr stehen Ausnahmekönnerinnen wie Géraldine Reuteler im Fokus. Die künftige Bundesligistin soll als Skorerin dafür sorgen, dass die Schweiz den Halbfinal in Biel erreicht.

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Michael Lehmann

Seit Monaten freut sich der FFC Frankfurt auf Géraldine Reuteler. Bereits im März sicherte sich der Bundesligist die Dienste der Stürmerin für die kommende Saison. Reuteler war die Wunschkandidatin des Trainers Niko Arnautis. Er bezeichnet die 19-Jährige als «das aktuell grösste Schweizer Fussball-Talent» und prophezeit, dass der Klub und die Fans noch viel Freude an ihr haben werden. Es war denn auch das grosse Engagement des Trainers, das Reuteler zum Wechsel nach Frankfurt überzeugt. Den Mitbewerbern Potsdam und Freiburg gab sie einen Korb, obwohl die Teams zuletzt besser klassiert waren als ihr neuer Klub.

Vorerst müssen sich die Frankfurter jedoch gedulden. Beim Trainingsstart vor einer Woche war Reuteler nicht dabei. Sie ist Teil des U19-Nationalteams, das an der heute beginnenden Heim-Europameisterschaft für Furore sorgen will. Die Ausgangslage dafür könnte allerdings besser sein. Das Team von Trainerin Nora Häuptle hat seit dem vergangenen Herbst von elf Länderspielen nur eines gewonnen. Neun gingen verloren.

Mindestens ein Topteam besiegen

Der Grossteil dieser Testspiele fand ohne Géraldine Reuteler statt. Die Stanserin ist bereits ein fester Bestandteil der A-Nati und stand der U19 meist nicht zur Verfügung. Für das Highlight, die Heim-EM in Biel, Yverdon, Wohlen und Zug, kehrt Reuteler ein letztes Mal zur U19 zurück. Das empfinde sie nicht als Pflichtaufgabe. «Es ist toll, wieder mit Gleichaltrigen zu spielen.» Mit den U-Teams hat Reuteler bedeutende Erfolge gefeiert. Vor drei Jahren erreichte sie mit der U17 den EM-Final, ein Jahr später mit der U19 den EM-Halbfinal.

Dort möchten die Schweizerinnen wieder hin. Dazu müssen sie ihre Vierergruppe auf dem ersten oder zweiten Platz abschliessen. Das heisst: Die Schweiz muss mindestens ein Topteam, Frankreich oder Spanien, hinter sich lassen. Ein schwieriges Unterfangen. «Wir haben in früheren Turnieren schon bewiesen, dass es möglich ist, grosse Mannschaften zu schlagen», so Reuteler und erinnert an die EM-Siege gegen Frankreich (2015) und Deutschland (2015 und 2016).

Heute Abend wird sich zeigen, ob das Team erneut für einen Exploit bereit ist. Die Schweiz trifft zum Auftakt in Wohlen auf Frankreich.

Zwischenstation in Biel

Von Reuteler werden Tore erwartet. In der Schweizer NLA machte sie sich einen Ruf als kaltblütige Skorerin. Jeweils 19 Treffer erzielte sie in den letzten beiden Spielzeiten für den FC Luzern. Damit war sie für mehr als ein Drittel aller Treffer der Innerschweizer verantwortlich.

Die hohe Erwartungshaltung scheint Reuteler nicht zu belasten. Die Stürmerin ist sich ihrer Stärken bewusst. Das zeigte sich bereits als Kind, als sie den von der Mutter nahegelegten Ballettunterricht nach wenigen Stunden ablehnte und lieber mit ihren vier Brüdern kickte. Ihr Talent führte sie erst an die Sportschule in Huttwil, später in die Academy in Biel. Diese Stationen hätten sie sportlich «enorm weitergebracht». Deshalb habe sie die Entscheidung nie bereut, auch wenn es sie mitgenommen habe, als sie mit zwölf Jahren von zu Hause zu einer Gastfamilie ziehen musste.

Reuteler drückt die Zuneigung für ihre Familie nicht zuletzt mit Körperkunst aus. Die meisten ihrer mittlerweile sieben Tattoos sind ihren Eltern und Brüdern gewidmet.

Bundesligistin mit Nebenjob?

Nach der U19-Europameisterschaft wird sie erneut aus dem beschaulichen Nidwaldner Hauptort wegziehen. Diesmal liegen statt einer fast fünf Stunden Autofahrzeit dazwischen. Dies sei ein kleiner Wermutstropfen, aber natürlich freue sie sich auf das Abenteuer Bundesliga, sagt Reuteler. Es ist der nächste, logische Schritt auf ihrem Weg zur Spitzenfussballerin.

Mit dem Wechsel hat Reuteler gewartet, bis sie ihre Sport-KV-Lehre abgeschlossen hat. Denn auch in Deutschland ist sie – zumindest vorerst – nicht «nur» Fussballprofi. Wie viel sie verdienen wird, möchte Reuteler nicht sagen. «Es reicht, um davon leben zu können. Für mehr aber nicht.» Daher wird sie wohl eine Nebentätigkeit suchen, der sie zu einem Arbeitspensum zwischen 30 und 40 Prozent nachgehen kann. «Aber erst, wenn ich mich im Verein eingelebt habe.»

Géraldine Reuteler befindet sich sozusagen auf Abschiedstour. Davor will sie an der EM auf heimischem Boden nochmals das tun, was sie offenbar besonders gut kann: Tore schiessen.

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Heute beginnt in Biel und in Wohlen die U19-EM

- Die Schweiz trägt ihre Gruppenspiele in Wohlen und Zug aus. In Wohlen trifft die Nati heute auf Frankreich und am Dienstag, 24. Juli, auf Norwegen. Dazwischen steht am Samstag in Zug das Duell gegen Spanien auf demProgramm (alle drei Spiele beginnen um 18.15 Uhr).

- In Biel finden folgende drei Gruppenspiele statt: Deutschland - Dänemark (heute 15.00), Niederlande - Italien (heute 18.15) und Dänemark - Niederlande (Dienstag, 24. Juli, 18.15).

- Zudem werden die beiden Halbfinals (Freitag, 27. Juli, 14.00 und 18.15) wie auch das Endspiel (Montag, 30. Juli, 18.15) in der Bieler Tissot Arena ausgetragen.