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Eishockey

An Diskussionsstoff mangelt es nicht

Ein Transferabkommen mit der NHL könnte das Schweizer Eishockey nachhaltig verändern. Als Kompensation für wegziehende Spieler dürfte ein zusätzlicher Ausländer eingesetzt werden.

Damien Riat wechselt in die NHL, der EHC Biel erhält keine Entschädigung. Mit dem angedachten Transferabkommen würde sich das ändern.  copyright: Keystone
Moritz Bill
 
Angenommen, Damien Riat hätte einen weiterlaufenden Vertrag mit dem EHC Biel gehabt, als ihn die Washington Capitals für nächste Saison verpflichteten. Der Stürmer könnte von seiner Ausstiegsklausel profitieren und in die National Hockey League (NHL) wechseln, der EHCB würde hingegen leer ausgehen. Nicht nur müsste er fortan auf einen Nationalspieler verzichten, für den er kurzfristig keinen äquivalenten Ersatz finden dürfte, sondern würde dafür auch nicht finanziell entschädigt werden. Denn: Die Schweiz ist neben Russland das einzig bedeutende Eishockeyland ohne Transferabkommen mit der NHL. 
 
Das soll sich baldmöglichst ändern, das haben die Klubs in einer Telefonkonferenz ausgemacht. Die Bedingungen lauten folgendermassen: Die Ausstiegsklauseln werden abgeschafft, jeder Spieler kann jedes Jahr auch aus einem fortlaufenden Vertrag heraus in die NHL wechseln. Das Transferfenster erstreckt sich nach Saisonende bis Mitte Juli, für im selben Jahr gedraftete Spieler bis Mitte August. Laut Medienberichten beläuft sich die Entschädigung pro Spieler auf 260 000, für eine Draft-Spieler auf 40 000 US-Dollar. Ob genau diese Summen letztlich festgelegt werden, ist aber offen. Ebenfalls, wie die Aufteilung der Transfersumme zwischen dem letzten Klub und dem Ausbildungsklub erfolgt. Die grosse NHL hat aufgrund der Coronakrise derzeit dringlichere Geschäfte, als das Agreement mit der kleinen Schweiz abzuschliessen.
 
Dass die Schweizer Klubs jetzt dieses Abkommen beschliessen, ist nicht Corona-bedingt. Der Bedarf an einer Regelung ist schon in den letzten Jahren grösser geworden, da zunehmend Spieler nach Nordamerika abgewandert sind. Die Schweizer Klubs waren sich jedoch nicht über die wichtigen, entscheidenden Folgemassnahmen einig geworden. Nun herrscht Konsens, weil im Zuge des Transferabkommens eine neue Ausländerregelung eingeführt werden soll. Jene Klubs, die einen Spieler mit laufendem Vertrag in die NHL ziehen lassen müssen, dürfen einen zusätzlichen Ausländer einsetzen, also fünf statt vier. «Diese Ausnahmeregelung ist zwingend. Den Goalie oder den besten Stürmer könnte man auf dem Schweizer Markt nicht kompensieren», sagt der Geschäftsführer des EHC Biel, Daniel Villard.  
 
Kein Absteiger nächste Saison?
Eine allgemeine Aufstockung des Ausländerkontingents – das nicht rechtlich, sondern lediglich per Gentlemen’s Agreement bindend ist –, war schon vor anderthalb Jahren zur Debatte gestanden, fand aber keine Mehrheit. Die Idee dahinter, mit mehr ausländischem Personal den Preisdruck auf die Schweizer Spieler zu erhöhen, dürfte wegen der unsicheren Zukunft wieder zum Thema werden. Die Lohnkosten sind stetig gestiegen und machen mittlerweile rund drei Viertel des Umsatzes aus. Villard sagt: «Wir müssen die Krise nutzen, um alles zu hinterfragen und uns überlegen, in welche Richtung es gehen soll.»
 
Die Angst vor dem Abstieg gilt als weiterer Kostentreiber. Trainerentlassungen und Engagements überteuerter Hinterbänkler sind gängige und kostspielige Reaktionen im Kampf um den Ligaerhalt. Deshalb steht im Raum, dass es kommende Saison keinen Absteiger geben soll. Denn wahrscheinlich ist, dass viele Klubs vor allem den Kampf ums wirtschaftliche Überleben überstehen müssen. Villard meint dazu: «Kurzfristig wäre das sicher eine gute Sache, der Erfolgsdruck wäre geringer. Aber wir müssen ein Gesamtpaket schnüren, das langfristig Sinn macht.» 
 
Aufgestockte Liga oder Schliessung?
Kein Absteiger bedeutet nämlich nicht automatisch kein Aufsteiger. Erfüllt der Swiss-League-Champion Ende nächster Saison die Kriterien und möchte aufsteigen, würde die National League 2021/22 mit 13 Teams ausgetragen werden. Möchte man dann wieder zurück zur Zwölferliga, gäbe es in einer Saison potenziell zwei Absteiger, einer davon fix, ohne Ligaqualifikation gegen den B-Meister. Die Abstiegsangst wäre grösser denn je. «Ich weiss nicht, ob sich dessen alle bewusst sind», so Villard. Unabhängig davon werden wohl die Swiss-League-Vereine Einwände anbringen, wenn sie als Nebenwirkung ein attraktives Team ohne Kompensation eines Absteigers an die höhere Liga verlieren und deswegen ebenfalls mit einer ungeraden Anzahl Teams spielen müssten. Um der Problematik gänzlich aus dem Weg zu gehen, möchten ein paar NL-Klubvertreter den Abstieg am liebsten für immer abschaffen. 
 
An Diskussionsstoff mangelt es jedenfalls nicht. Dass schon an der nächsten Ligakonferenz Ende Monat Entscheide fallen, ist jedoch fraglich. Die Behandlung solch komplexer Themen bedinge eine physische Versammlung, sagt Villard. Per Telefonkonferenz eine Einigung über einschneidende Reformen zu finden, dürfte ein schwieriges Unterfangen sein. Für Beschlüsse ist ein Zweidrittelmehrheit nötig. 
 
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Kurzarbeit genehmigt, folgt Lohnverzicht?
Der EHC Biel hat für das gesamte Unternehmen Kurzarbeit angemeldet (das BT berichtete). Mittlerweile ist auch der Antrag für die 1. Mannschaft genehmigt worden. Rückwirkend auf den Saisonabbruch Mitte März läuft die Kurzarbeit vorerst drei Monate bis Mitte Juni. Der Klub zahlt dem Team die vollen Löhne bis und mit April. Er kommt also für die Differenz auf, die von der Arbeitslosenkasse nicht beglichen wird. Diese übernimmt 80 Prozent des Maximalmonatslohns von 12 350 Franken. 
 
Wie es ab Mai weitergeht, ist Bestand von Diskussionen um einen allfälligen Lohnverzicht. Die Liga strebt eine einheitliche Lösung an und steht deshalb im Kontakt mit der Spielergewerkschaft. Diese wird den Klubs bis Ende Monat einen Vorschlag unterbreiten. Verbindlich wird dieses Angebot aber nicht sein. Letztlich müssen sich die Spieler und nicht zuletzt ihre Agenten damit einverstanden geben. Die Solidarität zwischen allen Parteien wird jedenfalls auf die Probe gestellt. Jene zwischen den Klubs, dass wegen der Kürzungen keine Spieler abgeworben werden. Jene zwischen Klubs und Spielern, denn Stand heute weiss niemand, wie hoch das Corona-Defizit ausfallen wird und die Spieler allenfalls mit einem Verzicht eine zu hohen Anteil tragen. Und jene zwischen den Spielern, wenn nicht alle die gleich hohen Einbussen hinnehmen, sondern prozentual ihres Lohnes verzichten. bil