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Curling

Eine Saison mit Umwegen

Abgesagte Turniere, geschlossene Eishallen und eine Knie-Operation: Melanie Barbezats bisher wichtigste Saison ist noch überhaupt nicht nach Wunsch verlaufen.

Melanie Barbezat blickt der entscheidenden Phase der Olympia-Quali entgegen. Bild: Peter Samuel Jaggi/Bieler Tagblatt

Michael Lehmann

«Hier gibt‘s nichts zu sehen.» Dieser Satz steht auf der Website des Curlingteams Aarau unter dem Punkt «Saisonplan». Der November war mal voll mit Terminen, der Dezember – bis Weihnachten – auch. Es hätte die erste heisse Phase für das Team mit der Bielerin Melanie Barbezat werden sollen; Woche für Woche war ein Turnier vorgesehen. In der ursprünglichen Planung waren die Wettkämpfe auf der ganzen Welt verteilt. Dann wurden die grossen Übersee-Turniere wegen eingeschränkter Reisebedingungen durch kleinere in Europa ersetzt. Später sind auch diese alle abgesagt worden. Corona hat den Spielbetrieb lahmgelegt, bis Ende Jahr finden keine Wettkämpfe mehr statt.

«Es ist vor allem eine mentale Herausforderung», sagt Barbezat, die im Team Aarau die Lead-Position innehat. «Wenn alle Zwischenziele wegfallen, ist es nicht einfach, konzentriert weiter zu trainieren.» In Form zu bleiben ist jedoch wichtig, denn bisher hält der Weltverband an den Austragungen der Weltmeisterschaften – Ende März bei den Frauen, Anfang April bei den Männern – fest. Und an diesen könnte sich entscheiden, wer die Schweiz 2022 an den Olympischen Spielen in Peking vertritt.

Für Barbezat wäre die Olympia-Teilnahme eine Premiere und die Erfüllung eines Kindheitstraums. Daher kann diese Saison als ihre bisher wichtigste bezeichnet werden. Doch sie läuft bisher alles andere als nach Plan.

Schmerzen nach Sturz
Es begann bereits im Juni, als Melanie Barbezat unglücklich stürzte und danach beim Trainieren wiederholt Schmerzen im Knie spürte. Als dann immer mehr Turniere abgesagt wurden – unter anderem die Europameisterschaft –, entschied sich Barbezat, ihr Knie operieren zu lassen. Die Ärzte hatten der 29-Jährigen versichert, dass sie spätestens im Januar wieder voll trainieren könne und somit für Schweizer Meisterschaft und WM wieder fit sein werde.

Die Reha verlief gut. So gut sogar, dass Barbezat bereits Anfang November wieder aufs Eis zurückkehren wollte. Doch einmal mehr kam Corona dazwischen. Nachdem der Bundesrat eine Verschärfung der Massnahmen zur Eindämmung des Covid-19-Virus beschlossen hatte, gingen praktisch überall in der Schweiz die Eishallen zu.

Aber halt, für den Profibereich hat die Regierung doch weiterhin Trainings erlaubt? «So einfach ist es bei uns leider nicht», antwortet Barbezat. Allein durch die Spitzensportlerinnen lässt sich der Betrieb einer Curlinghalle meistens nicht finanzieren. Und weil die Hobbycurler die Hallen bis auf weiteres nicht mehr nützen dürfen, sind viele geschlossen worden. In Bern, wo Barbezat am meisten trainiert, wurde sogar das Eis abgetaut, um Energiekosten zu sparen. Selbst das Nationale Leistungszentrum in Biel blieb mehrere Wochen geschlossen. Erst vor kurzem hat der Verband ausgehandelt, dass es wieder geöffnet wird.

Andere Hallen blieben zwar offen, aber oft nur noch für bestimmte Zeitfenster. So fuhr Barbezat manchmal nach Aarau, manchmal nach Interlaken, um zu trainieren. «Das ist ein Mehraufwand, ja. Aber wir gehen ihn gerne ein, um dafür unser grosses Ziel zu erreichen.»

Wegweisender Februar
Die Schweizer Meisterschaft findet vom 6. bis 13. Februar in Arlesheim statt. Um sich für die WM zu qualifizieren, muss Barbezats Team Aarau nicht nur den nationalen Titel gewinnen, sondern auch die in diesem Fall folgende Qualifikation gegen das Team Oberwallis. Wird dagegen das Team von Skip Elena Stern Schweizer Meister, darf es direkt an die WM. Dies, weil sich Oberwallis für die WM 2019 qualifiziert hatte, das Turnier wegen der Corona-Absage jedoch nicht bestreiten konnte.

Je nach Abschneiden an der WM wird es zusätzlich eine Olympia-Ausscheidung geben. Qualifiziert sich Aarau für die WM, reicht dem Team aufgrund der bereits erzielten Erfolge – unter anderem der Weltmeistertitel von 2019 – der sechste Rang, um an den Olympischen Spielen teilnehmen zu dürfen.

Ein langer Weg, auf den sich Barbezat und ihre Teamkolleginnen trotz der Umstände optimal vorbereiten wollen. So streuen sie in den kommenden Wochen auch immer mal wieder Testspiele ein – meist gegen Männerteams. «So kommen wir trotz der abgesagten Turniere hoffentlich doch noch in einen Wettkampfrhythmus», sagt Barbezat. Sollte es am Schluss aufgehen, und sich der Olympia-Traum tatsächlich erfüllen, wäre es der Bielerin egal, dass sie davor den einen oder anderen Umweg nehmen musste.

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Müller muss WM-Traum vorerst begraben
Während Melanie Barbezat weiterhin auf eine Teilnahme an der Weltmeisterschaft hoffen darf (mehr im Haupttext), muss eine andere Bielerin ihren WM-Traum begraben. Sarah Müller wird nicht an der Juniorinnen-WM teilnehmen können. Das Turnier in Peking, das im Februar als Hauptprobe für den olympischen Wettkampf 2022 hätte stattfinden sollen, wurde wegen der Coronapandemie abgesagt.

Im vergangenen März hatte das Team Biel-St. Gallen, das Müller als Skip anführt, den Schweizer Meistertitel der Juniorinnen gewonnen und sich damit für die Nachwuchs-WM qualifiziert. Diese Saison stand ganz im Zeichen der Vorbereitung auf den internationalen Höhepunkt.

«Unser Team hat jahrelang darauf hingearbeitet, an einer WM teilnehmen zu können», sagt Müller. «Daher ist es sehr bitter, dass es nun nicht klappt.» Besonders leid tut es der Seeländerin für Teamkollegin Eveline Matti. Aufgrund der Altersbeschränkung erhält sie keine weitere Möglichkeit, an einer Juniorinnen-WM teilzunehmen.

Die restlichen Spielerinnen des Teams sind 2022 noch berechtigt, eine Nachwuchs-WM zu bestreiten. Deshalb gilt der Fokus der restlichen Saison ganz der Titelverteidigung an der Schweizer Meisterschaft und damit der neuerlichen Qualifikation für die WM. «Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns nach dieser Enttäuschung wieder neue Ziele zu setzen», so Müller. Unter anderem hat das Team ein Gesuch gestellt, auch an der Schweizer Meisterschaft der Elite teilnehmen zu dürfen.

Zu Beginn der Saison hat Müllers Team bereits Elite-Luft geschnuppert. Es nahm unter anderem am Women’s Masters in Basel teil, wo es zwar keine Punkte gewann, dafür Erfahrung. «Gegen die Olympiasiegerinnen (Team Hasselborg aus Schweden, die Red.) anzutreten, war ein cooles Erlebnis. Sie spielen auf einem unglaublich hohen Niveau», sagt die 20-Jährige.

So geht das Team Biel-St. Gallen immerhin gut vorbereitet in die nächste Schweizer Meisterschaft – wirklich trösten wird sie das die jungen Curlerinnen jedoch nicht.