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Faustkämpfe braucht es nicht

Diese Woche war ich seit Langem wieder einmal der Jüngste. Leider kein gutes Zeichen, da man als 35-Jähriger normalerweise nicht auf der Station für künstliche Hüftgelenke liegen sollte.

Bild: bt/a

Aber all die Jahre des erwiesenermassen hüftfeindlichen Eishockeys, gepaart mit fehlendem Mobilitätstraining und schlechten Hüftgenen, haben ihren Preis. Wenigstens hatte ich genug Zeit, mein Netflix-Abo so richtig auszukosten. Dabei stiess ich auf eine Dokumentation über ehemalige «Enforcer» in der NHL: die Beschützer der Superstars in Nordamerika. Sie haben weder den Auftrag, Tore zu schiessen noch sie zu verhindern, sondern sie sollen die Gegner mit Fäusten bestrafen und damit die Zuschauer unterhalten. Durch die Verschärfung der Bestrafung für solche Taten, und wegen der allgemeinen läuferischen und technischen Entwicklung, wurde der Einfluss der «Enforcer» auf das Spielgeschehen immer kleiner und es gibt sie nun kaum mehr. Das finde ich eine begrüssenswerte Entwicklung. Vor allem, wenn man die Storys von American-Football-Spielern kennt, bei denen Hirnschäden diagnostiziert wurden, die fatale persönlichkeitsverändernde Folgen haben können. Ähnliche Schicksale machten auch einige ehemalige Schläger der NHL durch, welche schon in mittlerem Alter verstarben.

In Nordamerika wünschen sich viele Fans die Rückkehr von regelmässigen Fights. Sie belächeln schon fast die Entwicklung und betrachten diese als eine Verweichlichung des Eishockeys. Sie sollten jedoch einsehen, dass der Preis für ihre Belustigung sehr hoch sein kann. Das grundlegende Ziel des Eishockeys sollte ja sein, den Puck ins Tor zu bringen, um zu gewinnen. Auch andere sehr körperbetonte Sportarten wie Rugby und American Football, die einen sehr grossen Unterhaltungswert haben, kennen überhaupt keine Tradition von Faustkämpfen während des Spiels. Diese sind schon fast verpönt. Dafür existieren genügend Kampfsportarten, welche man selbst ausüben oder sich ansehen kann. Ich denke, dass der Eishockeysport auch ohne Faustkämpfe genügend Unterhaltung bietet. Ganz verschwinden werden sie ja sicher nie.

Auch ohne Kämpfe ist es in vielen dieser Sportarten wichtig, wie man mit Schmerzen umgeht. Beim Austeilen und Einstecken. Checks kann man im Eishockey auf viele verschiedene Arten austeilen. Zum Beispiel, um sich in eine bessere Position als der Gegner zu bringen oder um den Puck zurückzuerobern. Bei sehr harten Checks ist das meistens nebensächlich. Es geht darum, sich selbst, der Mannschaft und auch den eigenen Fans Energie zu geben, Präsenz zu markieren und vielleicht sogar das Momentum zurückzuholen. Beim Gegner passiert oft das Gegenteil. Ich kenne kaum jemanden, der gerne gecheckt wird. Immer und immer wieder. Die körperlichen Schmerzen solcher Checks sind, bis auf richtige Verletzungen natürlich, meistens schnell wieder weg. Es kostet aber sehr viel mentale Energie, ständig einzustecken. Hat das Ganze dann noch negative Folgen auf den Spielstand, ist der Stolz dann doch angekratzt und man landet plötzlich selbst auf der Strafbank.

Diese legale Art, dem Gegner Schmerzen zuzufügen, ist für mich viel faszinierender und wichtiger als ein Faustkampf und entspricht einer harten Spielsportart viel mehr. Vor allem in den Playoffs, in denen eher weniger solcher Fouls geahndet werden, und man sich zwei Tag später gleich wieder auf dem Eis begegnet, ist dies immer noch eine entscheidende Fähigkeit einer Mannschaft.

Info: Patrick von Gunten absolvierte während 16 Jahren 759 Nationalliga-Spiele für den EHC Biel und den EHC Kloten. Eine Saison spielte der 94-fache A-Nationalspieler in Schweden bei Frölunda. Zweimal nahm der Verteidiger an Olympischen Spielen teil, 2013 gewann er WM-Silber. Der Orpunder besitzt einen Bachelor in Betriebsökonomie und studiert derzeit an der EHSM Spitzensport.

Stichwörter: NHL, Eishockey, Faustkämpfe