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Einwurf

Ist E-Sports eigentlich 
eine Sportart?

In letzter Zeit ist der Markt und das Interesse an E-Sports stark gestiegen. Dies erkennt man an der regelmässigen Berichterstattung in den Medien und der Prognose, dass die globalen Einnahmen aus E-Sports im Jahr 2019 das erste Mal die Marke von einer Milliarde US-Dollar übersteigen wird.

Bild: Patrick von Guten

In der Schweiz haben soeben die ZSC Lions als erster Eishockey-Verein ein eigenes E-Sports-Team gegründet. Hauptthema in der Diskussion rund um E-Sports ist oft dessen Legitimität, als Sport anerkannt zu werden. Ist E-Sports also Sport? Für mich ist die Antwort: Nein.

Als erstes muss ich sagen, dass ich in meinen jüngeren Jahren zusammen mit meinem Bruder und Freunden selbst ein sehr aktiver E-Sportler, damals wohl noch Gamer genannt, war. Es fing an mit der ersten Nintendo-Konsole und endete erst mit der Playstation 3. Nach der Geburt unseres ersten Sohnes und einer starken Verschiebung der Prioritäten. Gespielt haben wir von Sport- über Manager- bis Shooter-Spiele alles. Manchmal ganze Nachmittage. Daher bin ich überhaupt kein Gegner davon. Aber ich bin nicht der Meinung, dass es Sport ist. Und das hat zwei Gründe.

Der erste Grund ist verknüpft mit der Definition von Sport und wird auch oft in den Medien diskutiert. Sport wird überall ein bisschen unterschiedlich definiert. Gemeinsam haben diese Definitionen aber, dass Sport eine aktive und spezifische körperliche Aktivität ist. Um E-Sports auf hohem Niveau oder sogar professionell zu spielen, braucht es sicher ein hohes Mass an Übung, Präzision und eine hohe mentale Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit. Diese Tatsache will ich auch gar nicht bestreiten. Aber auch zum Beispiel Chirurgen müssen diese Fähigkeiten besitzen. «Ich bewege ja meine Finger», ist für mich dagegen kein Argument. Der grosse Unterschied zum klassischen Sport zeigt sich aber daran, dass es keine spezifische Aktivität ist. Eishockey oder Fussball sind sehr unterschiedliche Sportarten. Ob ich nun Fifa 20 oder NHL 20 zu Hause spiele, macht für mich keinen Unterschied. Ich sitze mit dem Controller in der Hand auf dem Sofa. Die motorische Aktivität ist also entkoppelt vom Spielgeschehen. Was dann der Avatar im Fernseher macht, kann in der Diskussion, ob E-Sports jetzt Sport ist, kein Argument sein. Neue Trends im E-Sports, wie zum Beispiel die Verknüpfung mit Virtual Reality, sind für mich Möglichkeiten, die eher dem Sport gleichen würden. Quasi als Schnittstelle zwischen Sport und dem klassischen E-Sports.

Der zweite Grund wird für mich in der Berichterstattung oft vernachlässigt und betrifft einer der Grundwerte des Sports. Sport ist autonom, vertritt die olympischen Werte des IOC, macht seine eigenen Regeln und setzt diese auch selber durch. Im Eishockey werden Regeln durch den internationalen Eishockeyverband erlassen und durch die nationalen Verbände freiwillig oder unfreiwillig übernommen und in den Meisterschaften angewendet. Auch das Erlassen und die Durchsetzung von Strafen bleibt im Sport. Bleiben wir beim Schweizer Eishockey, entscheidet in erster Instanz der Einzelrichter, dann das Verbandssportgericht. Reicht dies noch nicht, bleibt noch der Internationale Sportgerichtshof als unabhängiges, internationales Schiedsgericht und oberste Sportgerichtsbarkeit für die Sportverbände und Nationalen Olympischen Komitees. Auch bei groben Fouls oder langen Sperren bei Dopingvergehen erfolgt nur selten der Gang an ein ziviles Gericht. Beim E-Sports werden nun mal Regeln und Inhalte durch grosse Wirtschaftsunternehmen wie die Game-Produzenten EA oder Ubisoft definiert, welche nicht im Sport integriert sind.

Dass hier Strukturen und Regeln wie im Sport geschaffen werden und die einzelnen Spiele unabhängig ihrer Entwickler funktionieren, wird wohl kaum möglich sein. Und diese Diskussion sollte unabhängig von Gesamteinnahmen und Verkaufszahlen geführt werden.

Info: Patrick von Gunten absolvierte während 16 Jahren 759 Nationalliga-Spiele für den EHC Biel und den EHC Kloten. Eine Saison spielte der 94-fache A-Nationalspieler in Schweden bei Frölunda. Zweimal nahm der Verteidiger an Olympischen Spielen teil, 2013 gewann er WM-Silber. Der Orpunder besitzt einen Bachelor in Betriebsökonomie und studiert derzeit an der EHSM Spitzensport.