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Eishockey-Nationalmannschaft

Jonas Hiller müsste die Nummer 1 sein

Die Leistungen der letzten Wochen, die Statistik sowie die Erfahrung sprechen für eine klare Nummer 1 im Tor: Jonas Hiller. Ob das die Coaches auch so sehen?

Bild: Keystone
  • Dossier

Beat Moning

Wer steht beim olympischen Eishockeyturnier im Tor? Namentlich gleich zu Beginn im Spiel gegen die Kanadier. Leonardo Genoni, Tobias Stephan oder Jonas Hiller? In dieser Reihenfolge belegt das Trio die Ränge eins bis drei in der nationalen Meisterschaft. «Vor der Saison hoffte ich, dass ich an die Olympischen Spiele reisen kann. Nie hätte ich allerdings gedacht, dass unsere Mannschaft da auf dem dritten Rang liegen würde», sagt Biels Hexer.

 

Statistik als Zweitmeinung

105 Gegentore hat Hiller bislang kassiert, was einem Durchschnitt von 2,4 Goals pro Partie entspricht. Bei Genoni sind es 2,08 Tore, bei Stephan 2,26. Werte, die der Nati-Torhüter-Coach Peter Mettler relativiert. Er sagt es so: «Es ist ein Unterschied, ob du als Goalie Vorderleute wie in Bern oder solche wie in Ambri hast.» Anders ausgedrückt: Biel hat gegenüber Bern und Zug nominell die schlechteste Defensive. In einer anderen Statistik, die gemeinhin als wichtiger eingestuft wird, ist das Trio praktisch gleichauf: 92,29 Prozent der Schüsse hat Hiller abgewehrt. Bei Genoni sind es 92,71, bei Stephan 92,79 Prozent. Für Peter Mettler wichtig: «Hätte einer 89 Prozent, müsste man sich schon fragen, was da los ist. Aber bei diesen Werten kommen wenig Zweifel auf. Allerdings brauche ich die Statistik nur als Zweitmeinung.»

 

Formkurve und Körpersprache

Peter Mettler bringt es auf den Punkt: «Alle drei Torhüter befinden sich in einer guten Verfassung, was uns den Entscheid leicht machte, welche drei Torhüter wir überhaupt selektionieren wollten.» Es ist ein Luxusproblem, das Patrick Fischer bei seiner Wahl für eine Nummer 1 hat. Fischer wie Mettler hüllen sich in Schweigen. «Wir haben drei Torhüter mit einer unterschiedlichen Spielweise, unterschiedlicher Grösse und unterschiedlicher Erfahrung. Jeder hat seine Stärken. So haben wir Optionen, auch beim Blick auf den jeweiligen Gegner.»

 

«Ja, wir haben eine Rangordnung»

Mehr ist aus dem ehemaligen Zuger Torhüter nicht herauszubekommen. Aber: «Wir haben intern eine Rangordnung. Die behalten wir aber für uns.» Auch scheint für den Trainerstaff klar, wer gegen Kanada im Tor stehen wird. Mettler macht da allerdings ein berechtigtes Fragezeichen: «Alle drei Goalies standen in den letzten Wochen im Fokus, hatten viel zu tun bei ihren Mannschaften. Unser Ziel muss nun sein, die Batterien der Spieler aufzuladen, damit jeder 100-prozentig frisch im Kopf und physisch top ins Olympia-Turnier steigen kann.» Spricht es gegen Hiller, dass der Biel-Goalie im letzten Mai in Paris anlässlich der WM-Partie gegen Kanada nach zwei Gegentoren raus musste und die Schweiz danach mit Genoni im Tor das Spiel noch wenden konnte? «Nein, hätte dies in unseren Überlegungen eine Rolle gespielt, hätten wir Jonas gar nicht mitnehmen dürfen. Jedes Turnier beginnt wieder von vorne. Allein was in den letzten Wochen passiert ist, spielt eine Rolle.» Und natürlich jene Eindrücke und Statistiken dieser letzten Wochen, die Mettler aufgrund der Beobachtungen in den Stadien, nach Gesprächen und Analysen an Patrick Fischer weiterleitet. «Wir tauschen uns viel aus. Wir wissen über die Spieler eigentlich alles.»

Die Paraden sind also analysiert, die Körpersprache festgehalten. Mettler lässt sich auch da nicht in die Karten blicken. Und sagt lediglich: «Alle spielten zuletzt auf hohem Niveau.» Auf Hiller bezogen, sagt Mettler: «Was er seit dem Karjala-Cup zeigt, ist wahnsinnig. Er hat dem Team wesentlich geholfen, auf diesen dritten Rang in der Meisterschaft vorzustossen», so Mettler, mit 37 Jahren nur unwesentlich älter als Jonas Hiller, der am nächsten Montag in Südkorea seinen 36. Geburtstag feiern wird. Genoni ist 30 Jahre alt und reist erstmals zu den Olympischen Spielen, der 34-jährige Stephan ist nach zwei Ersatzrollen zum dritten Mal dabei.

Die Erfahrung würde bei zwei Olympiateilnahmen definitiv für Jonas Hiller sprechen. Der Bieler Torhüter nimmt es einigermassen gelassen, freut sich nun auf Südkorea und auf die Eröffnungsfeier. «Bei minus 20 Grad habe ich noch zusätzliche Unterwäsche mitgenommen», sagt er und lacht. Danach will er sich warm anziehen, um im Tor seinen Mann zu stellen. «Ich hoffe einfach, dass ich meine Chance erhalte und ich die dann auch packen kann», so Hiller.

 

«Alle müssen sich beweisen»

Kennen die Torhüter die Rangordnung? «Ja, wir wurden von den Coaches ins Bild gesetzt. Es ist nicht an mir, das hier auszuplaudern», so Hiller weiter. Aus seinen Antworten und seiner Mimik lässt sich nicht ableiten, ob er nun die Nummer 1 ist oder nicht. Hiller: «Es ist richtig, dass vor jedem Turnier wieder Bilanz gezogen wird, dass alles wieder bei Null beginnt und man sich immer wieder beweisen muss.» Zieht man die letzten Wochen herbei, die Statistiken dazu, die Erfahrungswerte auf dem internationalen Parkett und an Olympischen Spielen ebenso, dann müsste Jonas Hiller eigentlich die Nummer 1 sein. Hiller: «Ich habe in den letzten Wochen alles dafür getan und gezeigt, dass ich bereit bin. Ich bin froh, dass ich nun nicht selber entscheiden muss.»