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Curling

Mehr Konkurrenz? Ja, bitte

Nach einer Regeländerung wird die Olympia-Qualifikation im Mixed Doubles umkämpfter. Jenny Perret und Martin Rios blicken der Herausforderung gelassen entgegen, üben aber auch Kritik.

Erfahren: Martin Rios und Jenny Perret gehörten in der Schweiz zu den ersten Curlern, die sich aufs Mixed Doubles fokussierten. Bild: Raphael Schaefer/Bieler Tagblatt

Michael Lehmann

Das Olympia-Rennen hat begonnen. Sämtliche Siege an Turnieren und Meisterschaften sind für die Schweizer Curlerinnen und Curler in dieser und nächster Saison doppelt wichtig. In unterschiedlicher Gewichtung zählen alle zur komplizierten Ausmarchung, welche Teams die Schweiz 2022 in Peking vertreten dürfen.

Zu den olympischen Disziplinen gehört neben dem traditionellen Vierer-Curling der Männer und Frauen seit 2018 auch Mixed Doubles. Das Prinzip ist einfach: Statt vier Männer oder vier Frauen bilden je ein Mann und eine Frau ein Team. Lange nahmen Vierer-Curler Mixed Doubles nicht wirklich ernst. Erst seit sie ins olympische Programm aufgenommen worden ist, stieg die Disziplin in der Beliebtheitsskala auf. An Schweizer Meisterschaften blieb das Teilnehmerfeld dennoch meist überschaubar.

Das lag nicht zuletzt an den Bestimmungen des Schweizer Verbandes, der die Qualifikation für die Winterspiele so festlegte, dass sich die Curler entscheiden mussten: Entweder sie spielen für ihr Frauen- oder Männerteam oder sie spezialisieren sich aufs Mixed Doubles. Zu letzterem Schritt konnten sich nur wenige durchringen. Die Sutzerin Jenny Perret und ihr Partner Martin Rios aus Glarus gehörten zu den ersten, die dem Vierer-Curling den Rücken kehrten. Der Entscheid hat sich gelohnt: Sie qualifizierten sich für die Olympischen Spielen in Pyeongchang und gewannen Silber. Diesen Erfolg möchten sie 2022 wiederholen respektive übertreffen. Doch die Zahl der Konkurrenten hat für das Team auf einen Schlag massiv zugenommen.

Spitzencurler bilden Teams
Der Verband hat entschieden, dass sich Vierer-Curler nun auch im Mixed Doubles für die Olympischen Spiele qualifizieren können. Die Regeländerung hat zur Folge, dass im Hinblick auf die Schweizer Meisterschaft diverse neue Teams aus dem Boden geschossen sind. Zum Beispiel haben sich Spitzencurler aus dem Weltmeisterteam der Frauen (Aarau) und den WM-Bronzegewinnern der Männer (Genf) zusammengetan: Die Bielerin Melanie Barbezat spielt an der Seite von Peter De Cruz, Alina Pätz bildet mit Sven Michel ein Team. Auch das Duo Briar Hürlimann (Oberwallis) und Yannick Schwaller (Bern Zähringer) verspricht einiges. Letztlich werden etwa 16 Teams Ende Februar in Aarau um den Meistertitel und damit um den WM-Platz kämpfen.

«Indem wir den Vierer-Curlern die Teilnahme am Mixed Doubles ermöglichen, wollen wir die Disziplin stärken», sagt Andreas Schwaller, Chef Leistungssport im Schweizer Verband. «Wir haben zu wenig Teams, die auf höchstem Niveau spielen können.» Eine Aussage, die nicht nur aufgrund des letztjährigen Olympia-Erfolgs stutzig macht. In der Weltrangliste belegt die Schweiz mit den Duos Jenny Perret und Martin Rios sowie Daniela Rupp und Kevin Wunderlin die Ränge zwei und drei. «Aber was kommt nach den beiden Teams?», fragt Schwaller. «Wenn sie plötzlich abfallen oder sich jemand verletzt, fehlen uns die Alternativen.»

Perret möchte Qualifikation
Für die etablierten Duos wird es nun schon rein in quantitativer Hinsicht schwieriger, sich für die WM zu qualifizieren und so wichtige «Olympia-Punkte» zu sammeln. Jenny Perret und Martin Rios betonen jedoch, dass sie das nicht stört. Im Gegenteil. «Ich finde es gut, dass die Vierer-Curler nun auch mitmachen», sagt Perret. «Die zusätzliche Konkurrenz sorgt für ein hohes Niveau.» Rios ergänzt in seiner gewohnt trockenen Art: «Für uns ändert sich ja nichts. Wir müssen einfach die Schweizer Meisterschaft gewinnen.»

Perret und Rios kritisieren einzig, dass es für Kaderathleten, zu denen auch sie selbst gehören, keine Teilnahmehürden für die Schweizer Meisterschaft gibt. So können zum Beispiel Melanie Barbezat und Peter De Cruz die SM bestreiten, ohne dass sie davor auch nur an einem Mixed-Doubles-Turnier gespielt hätten. Spieler, die nicht im Kader des Verbands stehen, müssen derweil bestimmte Rangziele an Turnieren des Weltcups erreichen. «Ich finde, dass es eine Form der Qualifikation geben müsste», sagt Perret. «Irgend ein Beleg dafür, dass das Team die Teilnahme an der Schweizer Meisterschaft verdient hat.»

Die Hürde bestehe darin, dass man Kaderathlet sein müsse, hält Andreas Schwaller dagegen. «Und Kaderathlet wird man ja nicht einfach so.» Der Verband geht davon aus, dass ein Team wie Barbezat/De Cruz problemlos die nötigen Resultate für die Teilnahme erreichen würde. Daher sei es nicht notwendig, dass die beiden Curler Zeit aufwenden, die sonst dem traditionellen Vierer-Curling zugutekäme.

Ein Vorteil bleibt
Dass man ohne die entsprechende Erfahrung neben dem Vierer-Curling auch im Mixed Doubles gut abschneiden kann, zeigt der Blick zurück auf die Olympischen Spiele. Das kanadische Siegerduo, zwei Spitzencurler, die mit ihren Vierer-Teams schon etliche Erfolge gefeiert haben, hatte sich erst kurz vor dem Turnier zusammengetan. «Es ist möglich, dass einige der neuen Teams sogleich stark abschneiden werden», sagt Rios. «Andere werden dagegen die Erfahrung machen, dass im Mixed Doubles ein anderes taktisches Verständnis gefragt ist.»

Im Olympia-Rennen bleibt den Equipen, die sich aufs Mixed Doubles spezialisiert haben, ein Vorteil. Neben den WM-Resultaten fällt im vom Verband erstellen «Olympia-Ranking» auch das Abschneiden im Weltcup ins Gewicht – allerdings weniger stark. Die Athleten der neugebildeten Teams bestreiten den Weltcup jedoch ausschliesslich in ihren Vierer-Formationen. Sollte sich das Duo Perret/Rios also für die WM qualifizieren, hätte es bereits einen deutlichen Vorsprung.

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Curling-Elite spielt morgen in Biel
Ab morgen steht die Schweizer Curling-Elite in der Bieler Tissot Arena im Einsatz. Zum zweiten Mal wird der Cup ausgetragen. Da das Männer-, Frauen- und Mixed-Doubles-Turnier zeitgleich stattfinden, stehen in letzterem deutlich weniger Teams am Start, als es an der Schweizer Meisterschaft erwartet wird (mehr im Haupttext). Somit sind die in der Weltrangliste auf den Rängen zwei und drei platzierten Teams Perret/Rios und Rupp/Wunderlin favorisiert. Daneben werden auch dem Berner Duo Jäggi/Pfister Siegchancen eingeräumt.

Im Frauen- und im Männerturnier würde es nicht überraschen, wenn es zu den gleichen Finalpaarungen käme wie im Vorjahr. Jedenfalls lieferten sich die Topteams Aarau (Skip Silvana Tirinzoni) und Oberwallis (Elena Stern) im Herbst ein ähnlich umkämpftes Rennen um die EM-Qualifikation wie die Equipen Genf (Peter De Cruz) und Bern Zähringer (Yannick Schwaller).

Bis Samstag findet die Ausscheidung statt, am Sonntag beginnen um 8.45 Uhr die Halbfinals und um 13 Uhr die Partien um den Turniersieg.