Sie sind hier

Abo

Eishockey-Nationalmannschaft

Mit oder ohne Mark Streit nach Sotschi?

Die US-Amerikaner haben ihr hochkarätiges Olympiateam bereits bekannt gegeben. Am Montag wird der Schweizer Nationaltrainer Sean Simpson sein Kader der Öffentlichkeit mitteilen. Gespannt ist man vor allem darauf, ob der 36-jährige Berner und langjährige NHL-Verteidiger Mark Streit ein Aufgebot erhält.

Pro

Streit ist der erfolgreichste Schweizer Spieler aller Zeiten. Er gehört dazu.

Martin Steinegger, Sportchef EHC Biel

In welch komfortabler Lage muss sich das Schweizer Eishockey befinden, dass die Olympia-Teilnahme von Mark Streit in Frage gestellt werden kann? Die letztjährige WM-Silbermedaille unserer Nati hat gezeigt, wie grosse Erfolge einer Mannschaft möglich sind. Eine funktionierende und leidenschaftliche Mannschaft ist das Fundament für Erfolge. Aber um dann wirklich einen Exploit landen zu können, benötigt ein Team aussergewöhnliche Leistungen einzelner Spieler, welche in engen und entscheidenden Spielen die Mannschaft auf die Erfolgsspur führen können. Mark Streit ist ein solcher Spieler. Er hat letzte Saison die New York Islanders nach einer langen Durststrecke wieder in die Playoffs geführt. Diese Saison stehen die Philadelphia Flyers auch dank ihm, nach einem doch sehr harzigen Saisonstart, wieder auf einem Playoff Platz. Seine offensiven Skills und die Power-Play-Erfahrung sind den Flyers Millionen wert, und wir wollen gratis darauf verzichten?

In seiner langen Karriere hat er immer mit viel Leidenschaft und Esprit für die Schweizer Nati gespielt. Sein Werdegang hat die letztjährige Silbermedaille erst möglich gemacht. Mark ist ein Leader und ein Getriebener. Sein Ehrgeiz hat ihn zum erfolgreichsten Schweizer Spieler der Gegenwart gemacht. Er ist sich aus der NHL gewohnt, viel Verantwortung und Eiszeit zu tragen. Doch das Eishockey auf europäischen Eisfeldern funktioniert nicht ganz nach dem gleichen Muster. Um Erfolg zu haben, müssen die Eiszeiten der einzelnen Spieler gut ausbalanciert sein. Ein Olympiaoder WM-Turnier ist sehr kräfteraubend. Eiszeiten von 25 Minuten oder mehr sind für einzelne Spieler über das ganze Turnier fast unmöglich auszuhalten. Die Kunst für die Coaches besteht nun darin, den Spielern die richtigen Rollen zuzuordnen und die Eiszeiten entsprechend zu verteilen, damit genügend Energie für das ganze Turnier vorhanden ist. Mark Streit kann und will seine grossartige Karriere mit einer erfolgreichen Teilnahme an Olympia krönen und wird seine Rolle im Team mit Stolz und Leidenschaft ausfüllen. Daher steht für mich fest, Mark Streit muss als Kapitän das Schweizer Nationalmannschaft-Aufgebot in Sotschi anführen.

 

Contra

Streit mit Streit? Das Kollektiv könnte darunter sehr wohl leiden.

Beat Moning, Ressortleiter Sport BT

Mark Streit hat einen eigenen Kopf. Und mit diesem ist er in seiner Karriere nicht schlecht gefahren. Eigentlich war er ein unbekümmerter Berner Giel, den man beim SC Bern im Juniorenalter unerklärlicherweise nicht wollte, und der sich schliesslich in der Ferne zu behaupten wusste. Erst in der Schweiz über Fribourg, Davos und den ZSC Lions und seit 2005 in Nordamerika, nachdem ein erster Versuch in der AHL misslungen war. Das verdient Anerkennung und Respekt. Streit gehört nach wie vor zu den besten und schussgewaltigsten Verteidigern und hat sich auch salärmässig in die Topliga katapultiert. Das hat er auch in der laufenden NHL-Meisterschaft erneut unter Beweis gestellt. Mit seinem Wechsel zu Philadelphia und seinen Toren und Assists. Doch stellt sich die Frage, ob dies auch genügt, um automatisch erneut das Schweizer Kreuz auf der Brust tragen zu dürfen. Ich meine nein. Sean Simpson tut gut daran, Streit in seinem Sotschi-Aufgebot nicht zu berücksichtigen. Auch wenn dies gerade «ennet dem Teich» nicht verstanden wird.

Sicher, es gibt Gründe, den 36-Jährigen mitzunehmen. Das zeigen die Zeilen von Martin Steinegger, einem langjährigen Nati-Mitgefährten, auf. Aber es gibt Punkte, die dagegen sprechen. Auch sportlich. Seine Auftritte mit dem SCB in der letzten Lockout-Saison waren nicht dazu angetan, ihm einen Freipass zu erteilen. Die Wege sind auf dem grossen Eisfeld für den nicht mehr jüngsten Streit auf einmal lang geworden. 2009, an der Heim-Weltmeisterschaft in Bern, kam dies bereits zum Ausdruck. Zudem verscherzte er sich da die Sympathien mit seinen extrovertierten Auftritten nach dem Motto: «Ich bin der Captain, ich bin der Star, ich wechsle dann aus, wenn es mir passt». Das ging sportlich daneben, es ging aber auch teamintern daneben. Das BT weiss, dass es einige Nationalspieler gibt, die Streit nicht vermissen würden. Er ist in der Lage, eine gut funktionierende Equipe in ihren inneren Werten zu stören. Die letzte WM, mit dem Gewinn der Silbermedaille, hat deutlich aufgezeigt, wie wichtig Teamgeist ist, wie Teamgeist wirklich gelebt wird. Simpson läuft Gefahr, dieses Kollektiv mit einem Aufgebot von Mark Streit zu gefährden.