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Kommentar

Nein, es ist trotzdem nicht ok

Ein Kommentar zum Ende der Olympischen Winterspiele in Peking.

Bernhard Rentsch

Bernhard Rentsch

«The best games ever» hiess es lange Zeit am Ende von Olympischen Spielen. Die legendären Aussagen von einstigen Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees verhallten gestern ungehört – sie wurden nämlich gar nicht mehr ausgesprochen. Zu Recht. Das sportliche olympische Motto «citius, altius, fortius» (schneller, höher, stärker), das auch auf die Organisation des Megaevents übertragen wurde, hat ausgedient. Es scheint, als sei mit Peking 22 ein Kulminationspunkt erreicht. Extremer, für viele schlimmer, soll es nicht mehr werden. Der Blick auf die nächsten Spiele weckt in dieser Hinsicht zumindest Hoffnungen.

Siebenmal Gold, zweimal Silber und fünfmal Bronze: Über so viel Edelmetall dürfen wir uns freuen. Ja, die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking war sportlich für die Schweizer Delegation ein Erfolg. Sie werden statistisch als die bisher erfolgreichsten Winterspiele aller Zeiten in die Geschichtsbücher eingehen, zumal sich gerade die Medaillengaranten der Alpinen in den Top Ten der erfolgreichsten Schweizer Olympionikinnen und Olympioniken aller Zeiten einreihen konnten. Ein Weltrekord, womit auch hier die Extreme des sportlichen Wertesystems bemüht werden. Dass parallel zu grossen Erfolgen auch unerwartete Schlappen oder Pech (acht vierte Plätze) in die Statistiken eingehen, ist versöhnlich. Olympische Spiele bleiben trotz allem Gigantismus und allen Kritiken irgendwie menschlich. Tränen der Enttäuschung folgen den Tränen der Freude.

Der schale Nachgeschmack bleibt dennoch – wohl so schal wie noch nie. Die Vergabe der Olympischen Spiele an politisch umstrittene Staaten war nicht neu. Die viel gehörte Argumentation, dass Sport und Politik zu trennen sei, ist heuchlerisch und darf maximal für Athletinnen und Athleten und deren sportliches Umfeld angewandt werden. Ein Grossevent wie Olympische Spiele ist in der aktuellen Dimension per se politisch. Also sollen und müssen auch die Gegebenheiten in den durchführenden Staaten mit berücksichtigt und thematisiert werden. Das wurde mit der Wahl von Peking überhaupt nicht berücksichtigt. Dass sich die Delegierten vor Jahren letztlich zwischen Pest und Cholera entscheiden mussten – in der Endausmarchung standen Austragungen in China oder in Kasachstan zur Wahl – zeugt von den Fehlentwicklungen der einst sympathischen olympischen Idee.

Mit dem Faktum, in einem Land ohne natürlichen Schneefall mit künstlichen Schneespielen der Natur zu trotzen, hat das Internationale Olympische Komitee dem Irrsinn eine Krone aufgesetzt und quasi den «point of no return» markiert. Oder eben: Das Spiel soweit auf die Spitze getrieben, dass einzig eine Rückkehr zur Normalität eine Option bleibt.

Die speziellen Voraussetzungen mitten in der Pandemie sollen an dieser Stelle nicht (zu) hoch gewichtet werden. Die oft zitierte Aussage, dass China das einzige Land sei, in dem unter diesen speziellen Voraussetzungen Olympische Spiele ohne grössere Zwischenfälle durchgeführt werden konnten, ist theoretisch und spekulativ. Sie dient mit Sicherheit all jenen, die eine Rechtfertigung für eine falsche Wahl suchen. Beim Entscheid zugunsten von Peking 2015 war Covid-19 allerdings noch kein Thema.

Ein Tiefpunkt bedeutet immer, dass es obsi geht – nur noch nach oben gehen kann. Die Hoffnung stirbt zuletzt, dass für die Olympische Bewegung 2024 in Paris, 2026 in Cortina d’Ampezzo und 2028 in Los Angeles vieles wieder besser wird.