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Turnen

«Turner sind für ihre Innovativität bekannt»

Zum zweiten Mal sind die Seeländischen Turntage dem Coronavirus zum Opfer gefallen. Beim Turnverband Bern Seeland blickt man dennoch mit verhaltenem Optimismus in die Zukunft.

2018 fand zuletzt ein Seeländisches Turnfest statt. Bild: Susanne Goldschmid/Bieler Tagblatt

Michael Lehmann

Christoph Küffers Gefühlswelt erstreckt sich im Moment von Enttäuschung bis Erleichterung. Enttäuscht ist der OK-Chef der Seeländischen Turntage, weil er respektive das Komitee den Anlass absagen musste (das BT berichtete), erleichtert ist er, weil nun endlich Klarheit herrscht. «Seit längerer Zeit begleitete uns eine Planungsunsicherheit, die uns nicht zuletzt deutlich mehr Aufwand verschaffte», erklärt er. Wegen des Coronavirus und den begleitenden Massnahmen erarbeitete das OK des Turnfests in Rapperswil in den letzten Wochen und Monaten mehrere Szenarien, wie die für Anfang Juni geplante Veranstaltung durchgeführt werden könnte. Je länger die allgemeinen Einschränkungen im sportlichen Bereich jedoch galten, desto mehr erwiesen sich diese Szenarien als kaum umsetzbar.

Dass am vergangenen Freitag die Notbremse gezogen wurde, hatte mehrere Gründe. «Unter anderem wurde die Vorbereitungszeit für die Vereine immer knapper», sagt Küffer. Diese studieren für die Turntage jeweils komplexe Programme ein. «Wir haben leider auch schon erste Absagen mit der Zeit-Begründung erhalten.» Schliesslich rückten auch finanzielle Aspekte ins Zentrum. «Uns standen einige grössere Ausgaben bevor», so Küffer. Diese wären zwar möglicherweise durch das Stabilisierungspaket des Bundes gedeckt worden. «Jedoch wollten wir keine unnötigen Kosten verursachen.»

Eine Verschiebung war indes schnell vom Tisch. «Zum einen wissen wir aus Umfragen des Schweizerischen Turnverbands, dass Feste im Herbst bei den Turnerinnen und Turner nicht beliebt sind, zum anderen hätten wir mit den Landbesitzern neue Verträge aushandeln müssen», sagt Küffer. Eine Neuansetzung im nächsten Jahr kam ebenfalls nicht infrage, da die Turnfeste bereits Jahre im Voraus an Vereine vergeben werden.

Innovation ist gefragt
Dass die Seeländischen Turntage zum zweiten Mal in Folge  – 2020 waren sie in Täuffelen geplant – abgesagt werden mussten, ist für die vielen Turnbegeisterten im Seeland bitter. Denn es ist bei weitem nicht der einzige Anlass: Ein Blick auf die Agenda des Turnverband Bern Seeland zeigt, dass bis und Mitte Juni etwa jede zweite Veranstaltung abgesagt wurde – darunter zwei Unihockeyturniere sowie der Seeländische Jugendspieltag in Brüttelen. Übrig geblieben sind ein paar Grund- und Weiterbildungskurse.

Das grosse Frustpotenzial ist auch dem Turnverband Bern Seeland bewusst. «Besonders schwierig macht der Umstand die Situation, dass wir zurzeit alle ‹fremdgesteuert› sind», schreiben die Co-Präsidenten Samuel Morgenthaler und Stefan Gerber per Mail. «Zum heutigen Zeitpunkt kann niemand sagen, wie sich das Turnjahr entwickelt, und ob es gegen Sommer oder Herbst Wettkämpfe gibt.» Man wolle aber gemeinsam mit den Vereinen nach Alternativen suchen, um den Turnerinnen und Turnern trotz der schwierigen Bedingungen ein Ziel und eine Motivation zu geben.

Trotz der Unsicherheit blicken Morgenthaler und Gerber mit verhaltenem Optimismus in die Zukunft. «Turnerinnen und Turner sind bekannt für ihre Innovativität und ihren starken Durchhaltewillen», lassen sie sich zitieren. Die gemeinsamen, virtuellen Trainings, die zuletzt vermehrt gestartet wurden, seien nur ein Beispiel dafür.

Zweckoptimismus? Nicht zwingend. Vereinsaustritte gab es jedenfalls noch keine zu verzeichnen. «Im Gegenteil: Gerade letzte Woche hatten wir eine Beitrittsanfrage eines neuen Vereins», so die Co-Präsidenten. Auch deshalb seien sie guten Mutes und sähen «trotz allem mehr und mehr Licht am Horizont».

Finanzielle Fragen noch offen
Inwiefern es sportlich in diesem Jahr weiter geht, kann Christoph Küffer nicht beurteilen. Sein OK wird in den nächsten Wochen mit den Sponsoren Kontakt aufnehmen und klären, wie es um die bereits getätigten Investitionen und die abgeschlossenen Verträge steht. Zwar konnten mit der Festabsage grössere Ausgaben verhindert werden, insgesamt ist das OK jedoch schon seit gut drei Jahren im Einsatz und hat nun entsprechende Ausfälle. Wie gross sie sind und ob der Bund einen Teil davon übernimmt, muss ebenfalls noch abgeklärt werden. «Sorgen mache ich mir keine», sagt Küffer. «Es dominiert das Bedauern darüber, dass wir dieses Fest nicht durchführen können.»