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Standpunkt

Ausserordentlicher Betrieb muss weiterlaufen

Etliche Teams in Quarantäne, Spielverschiebungen, Wettbewerbsverzerrung: Die Meisterschaft droht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Doch die Problematik ist zu komplex, als dass nur diese Sichtweise die richtige wäre.

Vor einem Jahr noch unvorstellbar, heute eine Regel: Wenn sich mehrere Spieler gleichzeitig über längere Zeit auf der Strafbank befinden, müssen sie Schutzmasken tragen. copyright: Matthias Käser/BT

Moritz Bill

Heute tritt der EHC Biel in Freiburg zu dem Match an, der eigentlich erst in zwei Wochen hätte stattfinden sollen. Am Samstag vor einer Woche spielten die beiden Mannschaften gleichenorts schon gegeneinander, obwohl diese Partie eigentlich heute vorgesehen gewesen wäre. Was vor einem Jahr noch unvorstellbar war, für rege Diskussionen und rote Köpfe gesorgt hätte, löst heutzutage noch ein Schulterzucken aus – wenn überhaupt.

Dass die Tabus von gestern zur Normalität von heute mutiert sind, ist natürlich der Pandemie geschuldet. Der Dominoeffekt Corona-Fall/Quarantäne/Spielverschiebungen hat den Spielplan in den letzten Wochen mächtig durcheinandergerüttelt. In den beiden höchsten Ligen sind bislang mehr als 50 Partien verschoben worden. Solange ganze Teams, anstatt nur die infizierten Spieler in Quarantäne geschickt werden oder sich die Liga nicht in einer «Bubble» abschottet, wird sich daran so schnell nichts ändern. Deshalb sind Spielvorverschiebungen in der aktuellen Lage durchaus sinnvoll – Flexibilität ist ohnehin das Gebot der Stunde.

Denn wer weiss schon, was morgen sein wird. Dass zwei Teams am selben Tag spiel- und Corona-frei sind, ist schon fast zu einer Ausnahme geworden. Und diese gilt es zu nutzen, wenn die beiden Equipen später in der Saison ohnehin noch aufeinandertreffen würden. So werden präventiv freie Daten für die wegen Quarantäne verschobenen Matches geschaffen. Auf die wirtschaftlichen Interessen der Klubs, an welchen Wochentagen sie Heimspiele präferieren, muss sowieso keine Rücksicht mehr genommen werden. Das Publikum darf ja gar nicht mehr ins Stadion.

Aus sportlicher Sicht geschieht zweifelsfrei eine Wettbewerbsverzerrung. Dann zum Beispiel, wenn eine Mannschaft durch Neuansetzungen vier Mal in der Woche spielt und Ende Woche auf einen Gegner trifft, der erst ein Spiel in den Beinen hat. Oder dann, wenn in der föderalistischen Schweiz der Kantonsarzt hier rigoroser durchgreift als die Kantonsärztin dort, sprich, keine nationale Einheitlichkeit bezüglich erlaubtem Quarantäne-Training besteht. Doch auch das nimmt man in Kauf. Hauptsache, es kann gespielt werden.

Dennoch muss selbstverständlich die Frage gestellt werden, ob eine Meisterschaft unter diesen Bedingungen überhaupt noch Sinn macht. Hört man sich um, hat sich bei manchen Fans bereits eine gewisse Gleichgültigkeit eingenistet. Aus dem Stadion sind sie ausgeschlossen, die fehlende Dramatik – es gibt keinen Absteiger und dem Titel wird das Manko «Coronameister» anhaften – sorgt für zusätzliche Distanz und Desinteresse. Und über alldem schwebt die Befürchtung einer Verkürzung oder gar eines erneuten Saisonabbruchs. Auch wenn die Spieler und Trainer das Gegenteil behaupten; es sind nicht alle gleich bei der Sache wie in anderen Jahren.

Wie auch? Das ist nichts als menschlich. Wenig ist noch so, wie es einmal war. Die gängigen Mechanismen des Schweizer Eishockeys sind ausser Betrieb. Beispiel? Normalerweise werden im November die Weichen für nächste Saison gestellt. Zig Vertragsverlängerungen oder Transfers gelangen ans Licht der Öffentlichkeit. Aktuell wird gar nichts dergleichen vermeldet. Die Verhandlungen stocken. Zu viele Fragezeichen stehen hinter den Budgets, um jetzt schon Nägel mit Köpfen zu machen. Die Ungewissheit über die eigene Zukunft kann einen Spieler lähmen, gerade dann, wann er sich eigentlich im besten Licht präsentieren müsste.

Ein anderes Beispiel: Der Stuhl des SCB-Trainers würde nach dem missratenen Start längst wackeln. Eine Entlassung kann sich während der Krise jedoch kein Klub leisten. Auch in Biel würde die Kritik am Headcoach in normalen Zeiten grösser ausfallen, wenngleich hier der Faktor des notgedrungenen, kurzfristigen Wechsels von Törmänen zu Leuenberger eine zusätzliche Relativierung der sportlichen Startprobleme erfordert.

Zusammenfassend: Die Meisterschaft droht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Doch spielen auch andere Faktoren rein. Die ganze Problematik ist zu komplex, als dass nur eine Sichtweise die richtige wäre. Weiterspielen bedeutet eben auch, den Teams eine sinnstiftende Beschäftigung zu ermöglichen, bedeutet eben auch, den Fans eine Ablenkung zu bieten, auch wenn diese nur vor dem Fernseher stattfindet, und bedeutet eben auch, dass die Klubs ihren Verpflichtungen gegenüber Partnern mit TV-Präsenz zumindest teilweise gerecht werden können. Sowieso: Wenn das Produkt Eishockey allzu lange von der Bildfläche verschwindet, wird dies bei Anhängern und Sponsoren zu einer Entfremdung führen.

Dazu darf es nicht kommen. Wenn irgendwie möglich, muss die Meisterschaft fortgeführt werden, allen Unannehmlichkeiten und Verzerrungen zum Trotz. Zuletzt hat sich die Quarantäne-Lage der Liga entspannt, das stimmt optimistisch. Doch auch wenn sie sich wieder zuspitzt, soll das kein Grund zur Desillusionierung sein. Die Pandemie hat uns schliesslich Improvisation gelernt.

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Kehrt mit Brunner die Leichtigkeit zurück?

Heute spielt der EHC Biel erneut in Freiburg und will sich für die Niederlage vom letzten Samstag revanchieren. Rückkehrer Damien Brunner weiss, was es dazu braucht.

Drei Spiele hat Damien Brunner zuletzt verpasst. Nachwehen seiner im zweiten Meisterschaftsspiel gegen Gottéron zugezogenen Verletzung machten dem Stürmer des EHC Biel zu schaffen. Nicht weniger als zehn seiner Zähne wurden in Mitleidenschaft gezogen. Nachbehandlungen waren nötig. «Ich habe einige Stunden beim Zahnarzt und Kieferchirurgen verbracht», sagt Brunner und lächelt für einmal nicht.
Heute in Freiburg kann der vermeintliche Topskorer endlich wieder mittun – einmal mehr mit einem Vollplexi-Gesichtsschutz. Kein anderer Bieler war bisher produktiver, wenn man die Ausbeute pro Match betrachtet. In vier Spielen skorte Brunner sechs Mal (je drei Tore und Assists).

Natürlich soll der ehemalige NHL-Spieler in erster Linie für Tore sorgen, doch mit ihm könnte auch die dringend nötige Leichtigkeit ins Bieler Spiel zurückkehren. Brunner ist ein Künstler, der an einem guten Abend Eishockey einfach ausschauen lässt. Auf die Leichtigkeit angesprochen, antwortet er:«Ich habe vor, das reinzubringen, ja. Aber ich hoffe, dass ich vorerst nicht zu fest mit mir selbst zu kämpfen habe.» Damit meint der Mann mit der 96 auf dem Rücken den fehlenden Spielrhythmus. Er ist aber guten Mutes, im Training habe er sich parat gefühlt, sagt der 34-Jährige.

Nicht schlecht, nicht gut genug
Während seiner Zwangspause verfolgte Brunner die Auftritte seines Teams von aussen. Seine Erkenntnis:«Wir spielten nicht schlecht, aber halt auch nicht gut genug.» Der Drive, und eben die Leichtigkeit hätten gefehlt, um die nötigen Tore zu erzielen. Und dann spricht Brunner ein Manko an, das es unbedingt zu verbessern gilt, wollen die Seeländer heute gegen Freiburg und morgen daheim gegen Langnau ihre Bilanz verbessern: Sie sollten wieder einmal in Führung gehen. In neun Spielen schossen sie nur ein einziges Mal das erste Tor – bei der 6:0-Gala gegen Lausanne zur Saisoneröffnung. Natürlich, im Eishockey ist ein Rückstand schnell wettgemacht. Doch jedes Mal quasi mit einer Hypothek zu starten, erschwert die Aufgabe unnötig.

Das Eis-Ballet
Eine Art Lockerungsübung absolvierten die Bieler gestern im Training. Zum Schluss überboten sich zwei Gruppen mit (teilweise) synchron vorgeführten Eiskunstlauf-Figuren. Diese «Challenge of the Day» soll Spass reinbringen. Assistenztrainer Thomas Zamboni sagt: «Das ist gerade in diesen Zeiten wichtig.» bil

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Ullström und Tanner out

David Ullström fehlt weiterhin aufgrund einer Gehirnerschütterung. Nach weiteren Untersuchungen ist die Rückkehr des Schweden aufs Eis nächste Woche geplant. Ramon Tanner (Schulter) fällt dieses Wochenende aus, der Stürmer trainiert bereits wieder mit dem Team, aber noch ohne Körperkontakt.  
Die Aufstellung gestern im Training: van Pottelberghe; Rathgeb, Fey; Kreis, Moser; Forster, Lindbohm; Ulmer, Sartori; Fuchs, Pouliot, Rajala; Brunner, Cunti, Künzle; Hügli, Nussbaumer, Hofer; Kessler, Gustafsson,Kohler.   bil

Stichwörter: Eishockey, Standpunkt, EHC Biel

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