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Eishockey

«Das war wie im Disneyland»

Heute trifft der EHC Biel auswärts auf den HC Fribourg-Gottéron. Seitdem Trainer Mark French entlassen wurde, steht Sportchef Christian Dubé ad interim an der Bande. Die gleiche Konstellation herrschte in Biel vor knapp zwei Jahren.

«Coach Stoney» während seines letzten Spiels in Davos: «Das war so intensiv, mir blieb gar keine Zeit, um Erinnerungen festzuhalten», sagt er zwei Jahre später. copyright: Keystone

Moritz Bill

Diese sechs Spiele sind in die neuere Geschichte des EHC Biel eingegangen. Vor etwas weniger als zwei Jahren feuerte Sportchef Martin Steinegger in der Not Trainer Mike McNamara und machte den Feuerwehrmann an der Bande. Biels heutiger Gegner Fribourg-Gottéron befindet sich derzeit in derselben Situation. Sportchef Christian Dubé hat Mark French entlassen und führt seither die Geschicke des Fanionteams. Den ersten Match seit dem Wechsel haben die Freiburger gewonnen. Das war bei Biel unter Steineggers temporären Leitung gleich – und es folgten vier weitere Siege. Nach der einzigen Niederlage auswärts in Davos übernahm Antti Törmänen. 
Für Steinegger war es eine turbulente Zeit. Neben der Arbeit mit der Mannschaft musste er noch einen neuen Headcoach finden (vgl. Zweittext unten links). Aufgrund der erfolgreichen Ergebnisse müssten diese zwei Wochen eigentlich in guter Erinnerungen geblieben sein. Doch Steinegger verneint: «Das war so intensiv, mir blieb gar keine Zeit, um Erinnerungen festzuhalten. Kaum war es vorüber, wurde ich krank.» Nur das erste Spiel in Langnau und das letzte in Davos sind ihm noch präsent. Wohl deshalb, weil er während diesen beiden Matches noch intensiver coachte, als er das ohnehin tat. Im Emmental legte er sich nach Provokationen mit dem Publikum an, im Bündnerland mit den Schiedsrichtern. Unvergessen das Bild, wie er den Unparteiischen sein Jackett anbot, nachdem sie eine weitere, aus seiner Sicht ungerechtfertigte Strafe ausgesprochen hatten. «Sie haben uns den Match ‹gestohlen›, also hätten sie ja auch gleich mein Jackett haben können», diktierte er damals nach Spielschluss in die Aufnahmegeräte der Journalisten, den Puls immer noch auf hundertachtzig – mindestens.
 
«Es ist gut, wie es ist» 
So fest Steinegger an der Bande auch tobte, hinter verschlossenen Türen war er gelassener. Kevin Fey hat ihn als «ruhigen und sachlichen Trainer» in Erinnerung behalten. «Anders, als man ihn sonst kennt.»
In der Aussenwahrnehmung erkannte man jedoch in «Coach Stoney» den früheren Spieler, der in jedem Match in eine Schlacht zog. Dann plötzlich nicht mehr an der Bande zu stehen, nicht mehr in der ultimativen Nähe des Spielgeschehens zu sein, muss hart gewesen sein – zumal die Resultate ja stimmten. Damit konfrontiert, sagt Steinegger: «Natürlich möchte man mit etwas fortfahren, das Spass macht. Doch ich befand mich in einer Blase, ich erlebte nicht den normalen Trainer-Alltag, man gewinnt ja nicht ständig. Das war wie im Disneyland, wo du dich über eine kurze Zeitspanne in eine Traumwelt begibst.» Und rückblickend sei die Verpflichtung Törmänens schlicht der richtige Entscheid gewesen. «Es ist gut, wie es ist. Punkt.»
Ob Dubé, sein früherer Teamkollege beim SC Bern, ähnlich erfolgreich sein kann und vielleicht sogar bis Saisonende im Amt bleiben könnte, will Steinegger nicht kommentieren. Dafür stellt er eine grundlegende Frage in den Raum, mit der er sich besonders nach seinem Headcoach-Intermezzo beschäftigt hat. Welches ist das beste Organisationsmodell für einen Sportklub? 
In der Schweiz und Nordamerika ist die Verteilung der Aufgaben auf einen Trainer und Sportchef das gängigste Modell. Der Sportchef stellt einen Trainer ein und das Team zusammen. Im englischen Fussball hingegen vereint der Teammanager diese beide Funktionen. Arsène Wenger, als Beispiel, verpflichtete für den FC Arsenal sein Personal in Eigenregie. Beide Varianten hätten laut Steinegger ihre Vor- und Nachteile. 
 
Teammanager: ein Gedankenspiel 
Der zentrale Vorteil des Teammanager-Modells ist gleichzeitig der grosse Nachteil der Aufteilung Sportchef/Trainer. Der Trainer erkennt in einem Spieler nicht zwingend dieselben Fähigkeiten wie der Sportchef. Zwischen zwei Vorstellungen müssen Kompromisse gefunden werden. Steinegger sagt: «Ein Trainer hat einen grossen Einfluss auf die Performance eines Spielers. Er kann dir zehntausend Mal beweisen, dass du dich bei der Einschätzung eines Spielers geirrt hast.» Der umgekehrte Fall, nämlich dass der Sportchef dem Trainer belegen kann, dass dieser einen Spieler falsch einsetzt, sei ungemein schwieriger zu belegen. Handkehrum verfügt der Teammanager als Alleinherrscher über eine grosse Macht und wenig Zweitmeinung. «Ich kann nicht sagen, welches Modell das bessere ist», sagt Steinegger abschliessend. 
Er ist glücklich im Sportchefbüro. Doch so ein Ausflug ins Disneyland, fernab der Wirklichkeit ist halt schon ab und zu eine feine Sache. Nur, im Zuge der Unannehmlichkeiten, die eine Trainerentlassung mit sich bringt, verzichtet Steinegger gerne darauf.

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Tom Rowe wusste alles, ein anderer Bewerber nichts

Kaum hatten die Verantwortlichen des EHC Biel am 25. November 2017 Mike McNamara freigestellt, explodierte das E-Mail-Postfach des Seeländer Eishockeyklubs. Über 30 Bewerbungen gingen ein. Viel Arbeit für Sportchef Martin Steinegger, der gleichzeitig als Headcoach im Einsatz stand (vgl. Haupttext). Immerhin: Einige Dossiers konnte er rasch ad acta legen, weil eine tiefere Analyse sinnlos gewesen wäre. «Ein Bewerber, ich kann mich wirklich nicht an seinen Namen erinnern, fragte mich am Telefon doch tatsächlich, ob wir ein semiprofessioneller Betrieb seien und am Abend trainieren würden», erzählt Steinegger.
Antti Törmänen und Tom Rowe schafften es in die Endausscheidung, beide reisten an und stellten sich auch dem Verwaltungsrat vor. Zwei komplett unterschiedliche Typen: Der für Trainerverhältnisse junge Europäer Törmänen, der schon in der Schweiz gecoacht hatte, sich dabei einen Namen als «Spielerflüsterer» gemacht hat und ein modernes Hockey spielen lässt. Der über 60-jährige US-Amerikaner Row, ein Mann der alten Eishockey-Schule, der mit Ausnahme eines kurzen Intermezzos in Russland nur in Nordamerika gearbeitet hatte. Diese Diskrepanz war gewollt, Steinegger sagt: «Das ist mein Job. Es hätte keinen Sinn ergeben, wenn ich dem VR zwei identische Charaktere vorgestellt hätte. Das wäre wie die Wahl zwischen Wasser mit oder ohne Kohlensäure. Man muss aber zwischen Cola und Wasser auswählen können.»
Dennoch, dass der EHCB tatsächlich die Verpflichtung Rows in Betracht zog, ist irgendwie schwer nachvollziehbar. Doch der hatte im Gespräch einen haftenden Eindruck hinterlassen, Steinegger sagt: «Der wusste alles, einfach alles über das Team. Das hat mich beeindruckt. Und er hatte sich auch Spiele angesehen und fragte nach weiterem Videomaterial.»Bekanntlich reichte das dann doch nicht aus, um Steinegger auf dem Trainerstuhl zu beerben. Rowe ist mittlerweile beim EHCLinz untergekommen.
So glücklich Törmänen über die Jobzusage war, so ein schwieriges Kurzzeit-Erbe trat er an. Es ist in der Geschichte des Schweizer Eishockeys wohl einmalig, dass ein Trainer Mitte November eine Mannschaft übernimmt, die fünf ihrer letzten sechs Partien gewonnen hat. Steinegger spricht Törmänen diesbezüglich ein grosses Lob aus, er sagt: «Anstatt alles sofort nach seinen Vorstellungen umzukrempeln, hat er Schritt für Schritt Anpassungen vorgenommen. Das war sehr intelligent.» bil

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Zwischenbilanz: Positiv überrascht

Die erste Runde mit je einem Spiel gegen alle Gegner ist abgeschlossen. 20 Punkte hat der EHC Biel in diesen elf Partien auf sein Konto verbucht und liegt damit auf dem zweiten Tabellenplatz. Nach einer Zwischenbilanz gefragt, antwortet Sportchef Martin Steinegger mit viel Ehrlichkeit, indem er sagt: «Ich bin überrascht, wie viele Punkte wir haben. Ich hatte wegen den vielen Verletzten wirkliche Bedenken vor dem Start in die Meisterschaft.» 
In fast jedem Training mussten die Trainer mit einem anderen Line-up arbeiten, weil neue Spieler ausfielen, beziehungsweise geheilte zurückkehrten. Unter diesen Umständen beispielsweise die Spezialsituation zu justieren, sei ein Ding der Unmöglichkeit, so Steinegger. Kam hinzu, dass der Spielplan der Champions League den Bielern nicht entgegenkam. Sie mussten vor dem Meisterschaftsstart zur Auswärtsreise antreten, während andere Teams dann ihre europäischen Heimspiele austragen konnten. Anstatt zu trainieren, war die Mannschaft eine Woche vor dem Auftakt bloss am Reisen und bestritt Matches. 
Trotzdem sieht Steinegger darin auch Positives. Die Intensität in diesen CHL-Matches sei hoch gewesen, was dem Team beim Auftakt in die heimische Meisterschaft geholfen habe. Zudem habe die Panne mit den verlorenen Stöcken (das BT berichtete) die Equipe zusammengeschweisst. «Ohne den eigenen Stock zu spielen, ist wie wenn ein Musiker auf einer fremden Gitarre spielen muss. Dennoch hat niemand auf Panik gemacht, sondern die Situation einfach akzeptiert.» Die Finnair hat übrigens die Rechnung für die kurzfristig gekauften Ersatzstöcke nach wie vor nicht beglichen. bil

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Gegen Gottéron wieder mit den Stammkräften
Der EHCBiel spielt heute Abend in Freiburg und empfängt morgen Servette.
Für die beiden Meisterschaftsspiele werden die am Mittwoch in der Champions League geschonten Stammspieler voraussichtlich allesamt ins Line-up zurückkehren. Somit fehlt einzig der langzeitverletzte Damien Brunner. Beim heutigen Gegner steht mit Julien Sprunger ebenfalls ein Schlüsselspieler auf der Verletztenliste.
Nachdem Elien Paupe in Klagenfurt das Bieler Tor gehütet hat, wird Jonas Hiller wie schon vor einer Woche beide Partien der Doppelrunde bestreiten. bil

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