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Eishockey

Er macht sich nicht verrückt, sondern Yoga

Joren van Pottelberghe hat sich in seiner zweiten Saison beim EHCBiel zum erhofften Rückhalt gemausert. Das brachte ihm unlängst ein Olympia-Aufgebot ein. Was ist sein Erfolgsrezept?

Nach einem ärgerlichen Gegentor schaut Joren van Pottelberghe umgehend nach vorne. copyright: Keystone
Moritz Bill
 
Joren van Pottelberghe besitzt eine Eigenschaft, die für einen Goalie kostbar ist: Er bewahrt stets die Ruhe. Auch wenn er mal einen schlechten Tag einzieht, ist er nicht einer, der Trübsal bläst. Nicht, dass er im irren Spiel gegen Bern seine Auswechslung nach fünf Gegentreffern fröhlich pfeifend hingenommen hätte – aber wer danach einen völlig zerknirschten Torhüter auf der Auswechselbank erwartet hatte, sah sich getäuscht. 
 
Selbstverständlich ärgerte es JVP, konnte er für einmal seiner angedachten Rolle des wertvollsten Spielers nicht gerecht werden. Doch lamentieren, insbesondere über Vergangenes, passt nicht zu ihm. «Das mag komisch klingen, aber nach den drei Gegentreffern im ersten Drittel fühlte ich mich gar nicht so schlecht. Ich schaute sofort nach vorne, auf den nächsten Schuss, den ich halten kann. Doch leider fand ich im zweiten Drittel nicht mehr ins Spiel.» 
 
Dass Coach Antti Törmänen seine Nummer 1 während eines Spiels degradiert, hat Seltenheitswert. In der laufenden Saison war dies neben dem Bern-Match erst einmal beim 0:8 in Davos der Fall gewesen. Auch bezüglich «Starting-Goalie» setzt Törmänen wie kaum ein anderer auf seine Stammkraft; Doppelrunden hin oder her. Einzig Melvin Nyffeler kommt bei den Rapperswil-Jona Lakers auf noch ein paar Minuten mehr Einsatzzeit als van Pottelberghe. Die restlichen Torhüter der Konkurrenz standen bis jetzt deutlich weniger zwischen den Pfosten. 
 
Energie dank abgestimmten Training
Zu Ermüdungserscheinungen würde die intensive Belastung keinesfalls führen, berichtet van Pottelberghe. Goaliecoach Marco Streit und Athletiktrainer Thomas Zamboni stimmen sein Training im Einklang mit den Matcheinsätzen ab. Eine harte Einheit im Kraftraum kommt zum Beispiel nur an gewissen Tagen infrage. JVP sagt: «Ich bin froh, schauen die beiden so gut auf mich. Ich würde sonst wohl jeden Tag aufs Eis gehen, auch für die freiwilligen Trainings.» 
 
Und so setzt sich der 24-Jährige auch mal auf die Yogamatte, anstatt die Schoner zu montieren. Vorletzten Sommer hat er nach einem Muskelfaserriss das Yoga-Training für sich entdeckt. Mittlerweile kann er auf einen Katalog an Übungen zurückgreifen, von denen er auch auf mentaler Ebene profitiert. «Das tut mir sehr gut, ich kann dabei wirklich abschalten.» Mentale Stärke ist eine weitere Eigenschaft, die für Torhüter von grossem Wert ist. 
 
Wertvoll ist van Pottelberghe bekanntlich für den EHC Biel. Dass er so rasch die designierte Rolle des sicheren Rückhalts übernehmen kann, war keineswegs zweifelsfrei absehbar gewesen. Zwar war sein Talent vor seinem Wechsel nach Biel unumstritten, doch bedarf es auf der wichtigsten Position im Eishockey eben vor allem Konstanz, um zu den «Grossen» zu zählen. Mittlerweile liefert van Pottelberghe kontinuierlich ab. 
 
In den Statistiken ist er im zweiten Jahr im Biel-Trikot im Vergleich mit den anderen Torhütern der Liga vorne dabei, mit bislang vier Shutouts teilt er sich die Spitzenposition mit Reto Berra (Freiburg) und Sandro Aeschlimann (Davos). Nur, van Pottelberghe ist sich einzig der Anzahl Shutouts bewusst, weil er, wenn er ohne Gegentor bleibt, traditionsgemäss der Mannschaft Kuchen spendieren muss. Den restlichen Zahlen schenkt er keine Beachtung. Er will sich davon nicht ablenken lassen, analog seines Verzichts auf Eishockey-Medienkonsum (das BT berichtete mehrmals, van Pottelberghe las es nie). 
 
Zwar nur die Nummer 3, aber ...
Auch ohne Zeitung zu lesen, hat Biels Goalie natürlich mitbekommen, dass er für die Olympischen Winterspiele aufgeboten worden ist. Nationaltrainer Patrick Fischer teilte ihm die erfreuliche Nachricht mit, dass er neben den beiden gesetzten Titanen Leonardo Genoni und Reto Berra als Nummer 3 nach Peking fliegen darf. Für van Pottelberghe ist es sogleich das erste grosse Turnier mit der A-Nationalmannschaft, an einer WM war er noch nie dabei. «Das ist nicht gerade ein kleines Turnier, um einzusteigen», sagt der schweizerisch-belgische Doppelbürger und muss lachen. 
 
Dass Olympia wegen dem Fehlen der NHL-Cracks an Glanz verliert, stört JVP nicht sonderlich. Dass es wegen Corona mühsam werden könnte, ebenso wenig. Und: Wenn in den letzten zwei Jahren etwas sicher war, dann das, dass alles passieren kann. Sollte einer der beiden gesetzten Goalies ausfallen, stünde die Nummer 3 plötzlich deutlich näher an einem Einsatz. «Ich reise jedenfalls sicher nicht mit der Einstellung nach Peking, dass ich mir dort gemütlich die anderen Sportarten anschauen kann.»
 
Wann ruft die NHL?
Was auch immer kommen mag, van Pottelberghe schaut nicht zu weit nach vorne – auch das korrespondiert mit seinem Charakter. Er zerbricht sich auch nicht den Kopf darüber, was nächste oder übernächste Saison sein könnte. Zwar ist er vertraglich noch bis 2024 an den EHCB gebunden. Doch kann nach dem neuen Reglement jeder Spieler unter Einhaltung gewisser Fristen im Sommer zu einem NHL-Klub wechseln. 
 
Dass dies das Ziel des 2015 von den Detroit Red Wings gedrafteten Goalies ist, versteht sich von selbst. Aber: «Ich beschäftige mich nicht damit. Es wird so kommen, wie es kommen muss. Schon mein Wechsel nach Biel war eigentlich nicht geplant gewesen (er wechselte trotz weiterlaufenden Vertrag, weil Davos Robert Mayer verpflichtet hatte, Anm. d. Red.). Ich kann einzig weiter hart arbeiten. Werweissen, was wann wie sein könnte, macht dich nur verrückt.» Joren van Pottelberghe bewahrt die Ruhe.
 
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Korpikoski kehrt zurück

Nach einer Gehirnerschütterung hatte Lauri Korpikoski nur zwei Spiele absolvieren können, ehe er mit einer Covid-Erkrankung erneut ausfiel. Heute kehrt der Finne im Heimspiel gegen die ZSC Lions zurück. In den bisherigen sechs Matches blieb Biels fünfter Ausländer ohne grossen Einfluss und ohne Punkte.
 
Welcher Stürmer für Korpikoski Platz machen muss, war gestern noch offen. 
 
Weiterhin fehlen die verletzten Kevin Fey (sicher bis nach der Olympia-Pause) und Yannick Rathgeb (Ausfalldauer wird täglich neu beurteilt), sowie der rekonvaleszente Roman Karaffa. 
 
Während der Olympia-Pause (29. Januar bis 21. Februar) werden die Bieler drei Testspiele bestreiten, Daten und Gegner werden demnächst bekannt gegeben.     bil

 

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