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EHC Biel

Leidenschaft, die Leiden schafft

Ambri-Piotta hat die Viertelfinal-Serie gegen Biel auf 1:3 verkürzt. Der 2:1-Sieg war der erste der «Biancoblu» gegen die Bieler in dieser Saison. Das lag vor allem an den Special-Teams, aber nicht nur.

Biels Janis Moser (hinten links) und Ambris Tommaso Goi tauschen im vierten Spiel des Playoff-Viertelfinals Nettigkeiten aus. Die Kellerei findet vor der Curva Sud statt, wo die Fans noch ganz vorne am Plexiglas stehen dürfen. Bild: Keystone

Moritz Bill

Ein Sachverhalt lässt sich selten mit einer einzigen Wahrheit erklären – da bildet das Eishockey keine Ausnahme. Wer die 1:2-Niederlage des EHC Biel vom Samstag gegen den HC Ambri-Piotta analysiert, findet zwar schnell die eine, offensichtliche Erklärung: Die Bieler verloren wegen ihrer schlechteren Special-Teams. Alle Tore dieser Partie entstanden aus einer Überzahlsituation. Ambri verzeichnete eine hundertprozentige Effizienz mit zwei Powerplay-Toren, während Biel von sechs Möglichkeiten nur eine Überzahl nutzen konnte.

Doch es existiert eben auch noch die zweite Wahrheit, weshalb der EHCB zum ersten Mal in diesem Viertelfinal und zum ersten Mal überhaupt in dieser Saison gegen diesen Gegner verloren hat. Die Nordtessiner, vor diesem Match vom Ausscheiden aus den Playoffs bedroht, gingen mit einer Leidenschaft ans Werk, die in diesem Ausmass in den Bieler Reihen nicht vorhanden war. Neben den Special-Teams war es Ambris Leidenschaft, die Biel Leiden schaffte.

Dazu trug der Rahmen bei, in den dieses Spiel im Vorfeld gesetzt worden war. Angeführt von Headcoach Luca Cereda und VR-Präsident Filippo Lombardi malte man in der Leventina öffentlichkeitswirksam ein Bild der Unterdrückung, das offensichtlich ein Zusammengehörigkeitsgefühl und eben genau diese Leidenschaft in der Mannschaft und im Publikum auslösen sollte: Wir gegen den Rest der Welt.

Rajala ohne Pouliot noch blasser
Daraus resultierte in der ausverkauften Valascia eine Energie, welcher die Bieler nicht gewachsen waren. Zum ersten Mal waren sie bei Vollbestand nicht besser und konnten somit ihr schlechtes 
Powerplay nicht kaschieren. Zum ersten Mal schlossen sie bei den Bullys deutlich schlechter ab (35,29 Prozent), nachdem sie in den drei Matches zuvor in dieser Statistik immer besser als Ambri-Piotta gewesen waren und ihren Schwachpunkt aus der Qualifikation eliminiert zu haben schienen. Zum ersten Mal gelang es ihnen praktisch nie, sich über längere Zeit in der Offensive festzusetzen und damit den Gegner Müde zu spielen. Verteidiger Sämi Kreis und Stürmer Mike Künzle brachten es auf den Punkt: «Wir waren zu wenig bissig», sagte Kreis, «wir haben die Beine zu wenig bewegt und spielten nicht so einfach wie sonst», sagte Künzle.

Kam hinzu, dass mehrere prädestinierte Torschützen am Samstag und auch davor in den Playoffs unter den Erwartungen geblieben sind. Allen voran Toni Rajala. Der Topskorer der Regular Season blieb bisher ungewohnt blass und spielte dazu teils auch fehleranfällig. Dass ihm im vierten Spiel auch noch sein angestammter Center fehlte, war dabei nicht eben dienlich. Marc-Antoine Pouliot war auf dem Matchblatt unter den Verletzten gelistet, wurde später an der Medienkonferenz jedoch als krank gemeldet. Dafür war Robbie Earl ins Line-up zurückgekehrt. Nach überstandener Krankheit fehlte es dem «Motor» aber noch etwas an Schmieröl. So kam Linienpartner Damien Brunner weiterhin nicht auf die Touren, die man sich von ihm erhofft.

3:1: «Ganz simple Mathematik»
Trotz allem: Der Vorteil liegt immer noch auf Bieler Seite. Trainer Antti Törmänen, der ein «gutes Spiel in einer guten Atmosphäre mit guten Zweikämpfen und guten Torhütern, aber leider mit dem falschen Resultat» gesehen hatte, unterstrich die nach wie vor komfortable Ausgangslage: «Sie brauchen noch drei Siege, wir noch einen. Das ist ganz simple Mathematik.» Nach den ungenügenden Special-Teams gefragt, antwortete Törmänen in gewohnt nonchalanter Weise. «Natürlich hätten wir mehr Tore im Powerplay schiessen sollen, aber so ist das nun mal. Manchmal gehen sie rein, manchmal nicht. Daraus müssen wir unsere Lehren ziehen. Ambri war effizienter.»

Innerlich dürften ihm die Special-Teams mehr Sorgen bereiten, als er es nach aussen zeigt. Über alle vier Spiele hinweg kommen die «Biancoblu» nun auf einen Powerplay-Wert von unglaublichen 62,5 Prozent. So sehr die Seeländer Tore in Überzahl auch vermissen, so sehr müssen sie auch im Penalty Killing über die Bücher. Denn eine weitere Reise ins Tessin wollen die Bieler tunlichst vermeiden. Dass sie nun zuhause antreten können, kommt ihnen bei diesem Vorhaben entgegen. Auch wenn Ambri nach dem ersten Sieg das Momentum an sich gerissen hat – ohne die Rückendeckung ihrer Tifosi im eigenen Stadion sollte Ambri bezüglich Leidenschaft keinen Vorteil mehr haben. Doch so oder so wird das morgen im fünften Spiel nicht die einzige Wahrheit sein.

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Nicht nur die Fans sorgen für Heimvorteil
Alle Tore fielen in Spiel 4 im Powerplay. Riat für Biel (9.), sowie Zwerger (17.) und Fora (54.) für Ambri waren die Torschützen bei Ambris 2:1-Erfolg – dem ersten über Biel nach zuvor sieben Niederlagen. «Es war der erwartete enge Match. Wir hätten es mit den zahlreichen Überzahl-Möglichkeiten in unseren Händen gehabt. Doch wir kreierten zu wenig. Das hat uns die Kraft genommen, während sie ihre Chancen genutzt haben», sagte Jan Neuenschwander. Der Bieler Mittelstürmer stand am Ursprung des spielentscheidenden Treffers, da er ihn von der Strafbank aus mit ansehen musste. Sein Stockhalten gegen Incir war eine hart gepfiffene Strafe, wobei die Schiedsrichter zuvor bessere Gründe gehabt hätten, einen Bieler rauszustellen. Das sah Neuenschwander auch so, hielt schulterzuckend aber einzig fest: «Das ist halt so.» Für das morgige Spiel fordert Neuenschwander von sich und seinen Teamkollegen einen mutigeren Auftritt. «In unserem Stadion wird uns die Eisqualität entgegenkommen. Dank dieser können wir die Scheibe besser laufen lassen.» In der Tat wird die Eisqualität in der Valascia immer wieder von auswärtigen Spielern bemängelt. Verspringende Pucks und das Ansammeln von Schnee an den Banden erschweren einen geordneten Spielaufbau. Ambri hat also nicht nur wegen seinen lautstarken Fans einen Heimvorteil. bil

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Wie Vater und Sohn
Die Szene hatte etwas Rührendes. Am Donnerstag zeigte Routinier Beat Forster (36) dem Rookie Janis Moser (18), wie er sich in einem Handgemenge zu verhalten habe. Zuvor hatte sich Ambris Tommaso Goi (29) nach der Schlusssirene Moser vorknöpfen wollen, es blieb bei einem verbalen Austausch. Am Samstag gerieten sich Moser und Goi während der Partie wieder in die Haare. Ein richtiger Faustkampf blieb zwar erneut aus, doch waren beim Bieler Grünschnabel Fortschritte im Duell Mann gegen Mann zu erkennen. Darauf angesprochen, musste Moser schmunzeln. «Ja, Forster hat mir das ein bisschen erklärt. Aber in der Hitze des Gefechts habe ich dann nicht mehr daran gedacht.» bil

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