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Eishockey

Lotto-Sechser für den Sportchef-Rookie

Liga-Topskorer Dominik Kubalik ist eng mit dem Aufschwung des HC Ambri-Piotta verbunden. Nächste Saison kann der Viertelfinal-Gegner des EHC Biel wohl nicht mehr mit seinen Punkten rechnen.

Dominik Kubalik (in der Mitte zwischen Julian Schmutz und Goalie Jonas Hiller) wird von den Bielern besonders bewacht. copyright: Keystone

Moritz Bill

Ihn müssen die Bieler im Playoff-Viertelfinal besonders im Auge behalten: Dominik Kubalik ist nicht nur der gefährlichste Stürmer des HCAmbri-Piotta, sondern der ganzen Liga. Das ist den Spielern des EHC Biel in den vier Aufeinandertreffen während der Qualifikation mehrheitlich gelungen. Zwar schoss der Tscheche im letzten Duell vor zweieinhalb Wochen ein sehenswertes Tor, ansonsten blieb der 23-Jährige für seine Verhältnisse ziemlich wirkungslos. Kubalik ist sich diesem persönlichen «Shut-down», und der vier Niederlagen natürlich bewusst. Er sagt darum:«Ich hoffe, dass dies nicht erneut so sein wird. Ansonsten muss ich einen Weg finden, das zu ändern.»
Kubalik hat viel dazu beigetragen, dass Ambri zur positiven Überraschung dieser Regular Season geworden ist. Die Verpflichtung des jüngsten Ausländers der Liga kommt rückblickend einem Lotto-Sechser gleich.
Der damals neu ins Amt eingestiegene Sportchef Paolo Duca beobachtet Kubalik an der WM 2017 in Paris – im Training notabene. Zu Einsätzen kommt der Flügelstürmer nicht, doch Ducas Begeisterung kann das nichts abtun. Diese ist so gross, dass sich Duca mit Kubalik zum Gespräch trifft, obwohl dieser für die anstehende Saison bereits bei Ufa (KHL) unterschrieben hat. Die Bemühungen des Sportchef-Grünschnabels sollten sich noch auszahlen.

Aus Russland freigekauft
Kubalik fühlt sich in Russland weder wohl, noch sieht er Chancen, sich gegen die anderen Import-Spieler durchsetzen zu können.  Im Hinblick auf die Olympischen Spiele will er aber unbedingt Spielpraxis sammeln. «Die Selektion ins tschechische Nationalteam zu schaffen, ist nicht einfach. Ich musste in dieser Saison unbedingt in bester Verfassung sein», sagt Kubalik. So kommt der Deal mit Ambri zustande. Der Tessiner Dorfklub beteilige sich finanziell an der Auflösung des Vertrags mit Ufa und bindet Kubalik für drei Jahre an sich. Da zu diesem Zeitpunkt aber bereits vier Söldner bei Ambri in Lohn und Brot stehen, und der Verein einen Sparkurs verhängt hat, wird ausgehandelt, dass Kubalik vorerst zu seinem Stammklub Pilsen zurückkehrt. Im November haben die «Biancoblu» dann doch Bedarf, Kubalik zieht in die Schweiz – und schlägt ein. Dem Nationalttrainer bleibt das nicht verborgen;Kubalik nimmt sowohl an den Olympischen Spielen wie auch an der WM teil.
Nun steht Kubalik vor seinen erstenPlayoffs in der National League. Selbstverständlich schreibt der Topskorer Ambris grössten Erfolg seit fünf Jahren dem ganzen Team zu. Für den HCAmbri-Piotta Ausgabe 2018/19 hat diese Floskel aber scheinbar tatsächlich Aussagekraft. Kubalik sagt:«Jeder spielt wirklich für den anderen. Wir müssen in jedem Match kämpfen, befinden uns sozusagen im Krieg. Das macht Ambri speziell.»
So unverhüllt Kubalik im Gespräch seinen derzeitigen Arbeitgeber rühmt, so klar scheint auch, dass er kommende Saison nicht mehr für ihn auf Punktejagd gehen wird. Natürlich hat er sich längst in die Notizblöcke der NHL-Scouts gespielt. Dass sich die Chicago Blackhawks vor zwei Monaten in einem Tauschgeschäft mit den Los Angeles Kings Kubaliks Rechte sicherten, deutet stark darauf hin, dass der Tscheche diesen Sommer von seiner Ausstiegsklausel Gebrauch machen wird.

Bereit für die NHL
Kurz vor dem Playoff-Start hält sich Kubalik mit klaren Aussagen zu diesem Thema natürlich bedeckt. Klar sei die NHL sein Ziel. Ob er jetzt für diesen Schritt bereit sei, wisse er aber nicht:«Das ist doch eher eine Frage, die Ihr Journalisten beantworten müsst», sagt Kubalik und lächelt. Ja, er ist bereit. Und Entdecker Duca meint, dassKubalik  «höchstwahrscheinlich» nach Nordamerika weiterziehen wird. Der Ambri-Sportchef würde sich in guter Gesellschaft befinden: Die wenigsten Lotto-Glückspilze schaffen es, ihren Gewinn über längere Zeit zu behalten. 

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Randnotiz

Alle lieben Toni

Der gestrige Auftritt an der nationalen Topskorer-Ehrung lieferte einen weiteren Beweis dafür, was man in der Bieler Eishockeyszene schon lange weiss: Alle lieben Toni. Höchste Zeit also für eine Hommage.
Ein Interview hier, ein Schwatz dort und Selfies überall – jede und jeder fühlt sich wohl in der Gegenwart des Finnen, der – ganz untypisch seiner Herkunft – viel und gerne redet. Logisch, steht er deswegen bei den Medienschaffenden hoch im Kurs. Doch auch die Teamkollegen, Staff-Mitglieder und Klubführungspersonen attestieren dem 27-Jährigen eine Umgänglichkeit, wie sie bei ausländischen Spielern selten vorkommt. Selbst Gegenspieler lassen sich manchmal vor einem Bully vom Charme des Finnen verzaubern und zu einem Lächeln verführen. Köstlich, wie er vor einem Jahr Luganos Dauerprovokateur Maxime Lapierre vor dem ersten Anspiel zum Geburtstag gratulierte, weil dieser gleich wie Rajala an jenem Tag seinen Geburtstag feierte.
Einzig die Torhüter dürften weniger Gefallen an Toni Rajala haben. Kein Wunder. Nur dank seiner Gutmütigkeit ist er in den nun drei Jahren beim EHCBiel nicht zum Publikumsliebling avanciert. Er macht das, was halt wirklich zählt: Er schiesst Tore. 27 waren es in der soeben zu Ende gegangenen Regular Season. Längst huldigen die Anhänger die Treffer des Finnen mit einem speziellen Fan-Gesang – und das bietet sich nicht nur wegen der wiederkehrenden Tore an: Mit drei Silben eignet sich Ra-ja-la perfekt für Sprechchöre. Den simplen Vornamen kann sich zudem jeder merken. Und mit einem Toni oder «Tönu» will doch einfach jeder befreundet sein.
Nicht zuletzt hat ihm seine Coolness zu seinem jetzigen Status verholfen. Er parkiert zum Beispiel täglich einen der heissesten Schlitten in der Tissot Arena – da kann ihm nur Auto-Freak Jonas Hiller das Wasser reichen. Auf dem Eis ist er in heiklen Situationen abgebrüht wie kaum ein anderer. Der einhändige Backhand-Penalty gegen Leonardo Genoni ist 15 Monate später bereits legendär. Auch gestern wurde Rajala an seiner ersten Topskorer-Zeremonie darauf angesprochen. Er meinte, dass es jetzt dann auch mal gut sei, immer wieder über diesen einen Penalty zu sprechen. Sogar eine Prise Bescheidenheit. Es ist schwierig, Toni nicht zu lieben.    

Moritz Bill 

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