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Tennis

«Es gibt keinen Röstigraben»

Die nervenstärkeren Schweizerinnen setzen sich gegen die Französinnen im Fedcup-Viertelfinal durch und spielen im April den Halbfinal in Weissrussland. Timea Bacsinszky hat sich rehabilitiert, Belinda Bencic doch noch aufgefangen.

Heroisch: Timea Bacsinszky feierte trotz Wespenstich, Oberschenkelverhärtung und Sturz zwei Fedcupsiege. Keystone

Beat Moning

Viel lastete an diesem Wochenende auf der Waadtländerin Timea Bacsinszky. Noch letzten April musste sie zwei Niederlagen im Halbfinal gegen Deutschland einstecken. Der angemeldete Vater, mit dem sie sich seit Längerem nicht mehr versteht, brachte die 25-Jährige durcheinander. So wurde dieser erste Auftritt nach Luzern zu einer eigentlichen Bewährungsprobe für die sensible Spielerin, die auf und neben dem Platz sehr emotional wirkt. Am Samstag «besiegte sie den Fluch»: Sieg über Alizé Cornet trotz einer Schrecksekunde. Beim Stande von 3:3 und 30:30 wurde sie von einer Wespe gestochen, und dies in einer Halle. Schliesslich eine starke Leistung am Sonntag gegen Kristina Mladenovic nach drei engen Sätzen. Und wieder einer Schrecksekunde beim Stande von 2:2 im dritten Satz, als die Schweizerin einknickte und sich am Knie behandeln lassen musste.

Bacsinszky verbal angegriffen

Diese Szene sorgte noch für Gesprächsstoff. Timea Bacsinszky rechtfertigte sich, sprach von Schmerz und Angst, sich allenfalls wieder an diesem Knie verletzt zu haben, wo sie schon einmal verletzt war. Ihre Gegnerin griff sie danach an der Medienkonferenz verbal an. Sie sei bekannt dafür, sich solche Pausen zu gönnen. Neben dem Wespenstich am Samstag liess sich die Schweizerin beim Stande von 5:4 im zweiten Satz am Oberschenkel behandeln und brachte dadurch die Französin ebenso aus dem Rhythmus. «Letztlich ist es das Reglement und ich hätte damit besser klar kommen müssen», gab Mladenovic hinterher immerhin zu. Drei Stunden und 15 Minuten dauerte der Abnützungskampf, der vorentscheidend war für den Ausgang. Danach machte Belinda Bencic in zwei Sätzen relativ klaren Prozess. Auch die 19-Jährige hat damit wieder an Fahrt aufgenommen und Selbstvertrauen tanken können.

Derweil sprach vor allem Timea Bacsinszky von den grossen Emotionen. Bei sich selber, aber auch im Team. «Wir haben eine Vision, wie die Männer. Wir wollen eines Tages den Fedcup. Dafür geben wir alles, dafür wollen wir alles vergessen, was war.» Auch in Phasen, wo sie sich genervt habe, dachte sie an diesem Moment. «Es ist ein Privileg, hier zu sein und vor meinem Publikum in der Romandie Fedcup zu spielen. Davon kann ich ja auch profitieren.» Sie haben schnell wieder Vertrauen in sich und ihren Fähigkeiten gefunden. «Ich wollte nicht einmal auf das Resultat schauen, ich wollte einfach um jeden Punkt kämpfen, für mich, für die Equipe, für den Staff und für Swiss Tennis. Bei uns gibt es diesen Röstigraben nicht, wir kämpfen alle für das gleiche Ziel.» In der Tat ist Timea Bacsinszky praktisch die einzige Welsche im Team. Sieht man von Fedcup-Delegationsleiterin und OK-Präsidentin Christiane Jolissaint ab, die dem Team noch am nächsten steht.

Publikum ist sehr wichtig

Am Ende lagen sich alle in den Armen. «Mir hat es sehr geholfen, dass Timea den zweiten Punkt geholt hatte», sagte danach Belinda Bencic, über deren Verfassung man nicht so ganz im Klaren ist. «Ich bin sehr glücklich, hier gespielt und vor allem nach der Niederlage am Samstag doch noch gewonnen zu haben. Es war letzten April sehr schwierig, nur zuzuschauen. Es macht doch wirklich viel mehr Spass, selber zu spielen.» Gegnerin war übrigens nicht die angeschlagene Alizé Cornet, sondern Pauline Parmentier. Getragen von einem Publikum, das alle Spielerinnen lobten. Für Bencic war klar, «dass diese Unterstützung mitentscheidend war für den Halbfinaleinzug.» Dieser findet eine Woche nach dem WTA-Turnier in Biel am 22./23. April in Minsk statt. Die Weissrussinnen besiegten Holland 4:1. Auf dem Weg zum Fedcup-Titel bietet sich also nur ein Jahr später eine weitere Gelegenheit, ins Finale einzuziehen. Zum zweiten Mal nach 1998. Da verlor man, in Genf, gegen Spanien 2:3. Damals mit Martina Hingis und Patty Schnyder.

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Nun ist Biel an der Reihe

Der Fedcup in Genf, wie auch der Daviscup, ist für Swiss Tennis jeweils eine kostspielige Angelegenheit. Regelmässig werden grosse Defizite eingefahren, weil die Infrastrukturkosten einfach zu hoch sind. In Genf sind es Ausgaben über einer halben Million Franken und der Verlust dürfte sechsstellig sein. Im Februar ist es besonders delikat, da die Eishockeyhallen nicht zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund wurde auch die Eventhalle in Biel gebaut. Die erlebt Anfang April mit dem WTA-Turnier ihre Premiere und wird in den nächsten Wochen offiziell übergeben. Um die 2600 Zuschauer plus rund 200 Logenplätze stehen zur Verfügung. Auf Knopfdruck können die Tribünen «ausgefahren» werden. Das reicht ideal für ein Frauenturnier auf dem internationalen Parkett, womöglich aber nicht immer für eine Fedcup- und Daviscup-Begegnung. Vorab, sollten auch wieder Roger Federer und/oder Stan Wawrinka mitspielen. So ist, Stand heute, noch unklar, ob die Männer im September im Abstiegskampf in Biel antreten werden. Wahrscheinlich dagegen, dass die nächste Fedcup-Heimpartie in Biel stattfinden wird (zum Halbfinal geht es nach Weissrussland). Wie Swiss-Tennis-Präsident René Stammbach in der gestrigen «NZZ am Sonntag» sagt, würde man auch eine Busse in Kauf nehmen, da die Vorgabe für Fedcup-Partien eine Kapazität von 4000 Zuschauer vorsieht. Es bräuchte fürs Erste eine Spezialbewilligung. In Genf blieb man nicht zuletzt wegen den Sportferien unter den Erwartungen der Kapazität von 3600 Fans. Auch aus Frankreich kamen weniger als budgetiert. Vorab am Samstag. Wobei diese für eine grosse Stimmung verantwortlich zeichneten und so eine echte Derby-stimmung aufkommen liessen. bmb

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