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Fussball

Biel fällt kurz vor der Pause innert Sekunden auseinander

Der FC Biel war gegen Luzern gestern Abend chancenlos. Der Tabellenletzte der Super League hatte bedeutend mehr Klasse. Das 5:0 für den Favoriten ging in Ordnung.

Nicht zu stoppen: De Freitas (links) und Affolter im Kampf mit Luzerns Angreifer Abubakar. Bild: Keystone

Beat Moning

FC-Biel-Trainer Anthony Sirufo hat sich nach zwei Testspielen für einen Mix der beiden Startaufstellungen entschieden. Gezwungenermassen auch deshalb, weil er mit Neuzuzug Sébastien Le Neün einen kranken Innenverteidiger beklagte. Schmerzlich beklagte, wie sich herausstellen sollte. Für den Franzosen spielte Matthew Mäder. Auch in der Grundaufstellung wurde die Variante «Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste» gewählt: So spielte Raphael Ferreira für den offensiver ausgerichteten Dragan Stjepanovic und Nolan Erard für Londrit Hamidi. Und als die Partie begann, staunte man nicht schlecht: Adrian Fleury spielte Innenverteidiger, und der gelernte Innenverteidiger François Affolter war Aussenback!

Luzern-Trainer Mario Frick setzte dagegen eine eher offensiver eingestellte Truppe aufs Feld, gegenüber dem Lugano-Match am letzten Sonntag auf vier Positionen verändert. Im Startteam erstmals in diesem Jahr Lorik Emini, 22-Jährig, seit 2013 von Zug kommend beim FC Luzern. Warum er an dieser Stelle Erwähnung findet? Nach zwölf Minuten fasste er sich ein Herz und traf mit einem Sonntagsschuss zum 1:0 für den Favoriten. Er kam zum Abschluss, weil Biel nach einem gegnerischen Einwurf die Übersicht auf der Affolter/Fleury-Seite kurzzeitig verloren hatte. «Wenn es mich braucht, bin ich da» posaunte Emini in die TV-Kamera.

 

Stimmungsvolle Anhänger

«Leuchtenstadt» stand da geschrieben. Gut besetzt war die Stehplatzrampe mit über 500 Zuschauern aus der Innerschweiz. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die in der Super League auf dem letzten Platz liegende Mannschaft nach wie vor einen grossen Rückhalt geniesst. So oder so, nach 16 Jahren Ligazugehörigkeit zittert der amtierende Cupsieger um den Erhalt der höchsten Klasse. Für Biel sei es das Spiel des Jahres, sagte Mario Frick. Mag sein, das Augenmerk gilt aber ebenso der Meisterschaft, wo sich die Mannschaft nach einer eher mageren zweiten Hälfte der Hinrunde auch nach hinten orientieren muss. Der Auftakt noch im Februar mit YB U21 auswärts und Chiasso zu Hause wird für die Seeländer zu einer echten Bewährungsprobe für den weiteren Verlauf. Die Probe gegen Luzern war von einer Ehrfurcht-Phase zu Beginn geprägt. Die Luzerner-Führung war verdient und kam nach bereits drei guten Chancen für die Gäste zustande. Und es sollte noch schlimmer kommen.

 

Ungehinderte Flanken zu Toren

Aggressiv, intensiv, mit Emotionen und einem lauten Coaching. Mario Fricks Marschroute war klar. «Wir wollen zeigen, wer hier Super League spielt.» Biel fand erst nach dem Rückstand etwas besser ins Spiel und mit zwei Weitschüssen zu ersten Möglichkeiten. Schlechter Beginn, noch schlechtere Endphase in der ersten Halbzeit, als die defensiv überforderten Bieler zwei entscheidende Treffer kassieren mussten: In der 44. Minute kam Schulz frei zur Flanke, Sorgic lief zwischen den Innenverteidigern durch und bezwang Grivot. Erste Nachspielminute: Wieder kann ein Luzerner ungehindert flanken, Grivot faustet nach vorne zu einem Luzerner, ein Bieler kann nicht befreien. Und schliesslich war es Neuzuzug Dräger mit einem satten Schuss, der das 3:0 markierte. Übrigens gefeiert auf der Bank, als hätte Luzern soeben den Ligaerhalt geschafft. Der Druck lastet schwer.

Trainer Anthony Sirufo erwartet mit seinem Team eine schwierige Meisterschaft. Gestern konnte er zehn Jahre nach einem Coup gegen Luzern kein Zeichen setzen. Damals, im Dress von Delsberg, siegten die Jurassier in der ersten Runde mit 6:5 nach Elfmeterschiessen. Verteidiger Sirufo kämpfte für das Remis mit Händen und Füssen. In der 119. Minute wurde er nach einem Notbremse-Foul mit Rot des Feldes verwiesen. Rot war gestern nur die Farbe der Bieler Leibchen. Die waren in der blauen Luzern-Defensive nur selten zu Gast. Einigermassen gefährlich war Biel mit zwei Weitschüssen und zwei Freistössen.

 

Affolter kassiert Rote Karte

In der zweiten Hälfte wurde es ausgeglichener, ohne zwingende Bieler Gelegenheit. Zu wenig, um ein gutes Luzern in Angst und Schrecken zu versetzen. Wie schon zuvor gegen die Grasshoppers (0:5) blieben die Bieler chancenlos, an die Cup-Partie gegen die Young Boys (2:3 n. V.) kam man nie heran. Auch wenn Präsident Dietmar Faes zur Pause bemerkte: «Das Spiel ist nicht zu Ende. Vor ein paar Tagen führte YB mit 3:0 und St. Gallen glich noch aus.» In der 68. Minute war ausgeträumt: Grivot verliess sein Gehäuse, bediente Luzerns Campo, der nur noch einzuschieben brauchte. Nach vier Cup-Niederlagen in Biel siegte Luzern damit erstmals. Ohne Diskussion.

Neben dem klaren Ergebnis dann noch ein weiterer Dämpfer für die Seeländer: Nach 80 Minuten unterband Captain und Ex-Luzerner François Affolter als letzter Mann einen Angriff und kassierte direkt die Rote Karte. Damit dürfte der Innenverteidiger auch in zehn Tagen gegen die Nachwuchsequipe von YB fehlen, notabene wie auch der ebenfalls gesperrte Le Neün. Biel wird im Wankdorf wohl wie gestern mit Mäder und Fleury in der Innenverteidigung antreten. Der anschliessende Freistoss übrigens führte durch 1:0-Torschütze Emini zum 5:0. Auch da hat Biel noch Potenzial: Nicht von ungefähr wird neuerdings hinter der Mauer noch ein Spieler «quergelegt». Nicht in Biel, Emini nutzte den Raum.

 

Fleurys Optimismus

Luzern-Torschütze Campo sagte nach der Partie: «Es machte Spass. Einen solchen Match brauchten wir jetzt. So kann es weitergehen.» Biels Adrien Fleury hielt gegenüber SRF fest: «Wir hätten ein Tor gebraucht, auch weil wir an uns geglaubt haben. Das 0:1 verunsicherte uns nicht. Aber nach den beiden Gegentreffern kurz vor der Pause liessen wir die Köpfe hängen.» Schliesslich habe man den Zweiklassen-Unterschied doch gesehen. Fleury glaubt aber weiterhin an den FC Biel. «Wir haben eine gute Mannschaft und konzentrieren uns nun auf die Meisterschaft.» Er sei überzeugt: «In drei Jahren sind wir in der Challenge League.»

Derweil liess sich Luzern von seiner Anhängerschaft noch immer feiern. Was für ein Befreiungsschlag muss es für das Frick-Team sein. Zur Erinnerung: Nach 100 Tagen war dieses 5:0 der erste Sieg. Nun kommt der FC Sion in die Innerschweiz. Ein doch wieder anderes Kaliber als Biel gestern.

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