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Fussball im Blut, aber nicht nur Fussball im Kopf

Die Gebrüder Labinot und Kastriot Sheholli sind Mitte der 90er-Jahre aus dem Kosovo in die Schweiz gekommen und haben sich sogleich dem FC Biel angeschlossen. Eine Herzensangelegenheit – wie die gemeinsame Zeit mit der Grossfamilie.

Die Eltern mit fünf Kindern und fünf Grosskindern. Das Sechste ist unterwegs. Oben von links die Eltern Bahrije und Isuf Sheholli, Valentina, Saranda mit Loris sowie Lirije. Mitte Kastriot mit Lina. Unten Leron, Aulend, Bleoronda. Bild: Nico Kobel
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Beat Moning

Vor 25 Jahren ist der heute 62-jährige Isuf Sheholli mit einem seiner zwei Brüder aus Kosovo und dem Heimatdorf Hërtica in die Schweiz geflüchtet. In Biel fand der frühere Fussballer vom KF Llapi Podujeve seine neue Heimat. Heute wohnt er mit seiner Frau Bahrije in Safnern. Die Familie trifft sich hier regelmässig. «Unsere Mutter kocht gerne für viele Leute und sie hütet die Kinder unserer drei Schwestern äusserst gerne. Sie ist wirklich für uns da», sagt Labinot Sheholli und ergänzt: «Wir sind stolz und sehr dankbar auf unsere Eltern, wie sie sich aus einer schwierigen Zeit in unserem Herkunftsland hier in der Schweiz sesshaft gemacht und uns eine gute Zukunft ermöglicht haben.» Eine Rückkehr stand nie zur Diskussion, für einzelne Ferientage aber schon. «Wir haben schliesslich noch einige Verwandte im Kosovo, die wir gerne und wie das Land auch zwischendurch sehen möchten.»

Vater erkannte das Talent
Der ausgebildete Lehrer Isuf Sheholli, heute als Leiter der Qualitätskontrolle der Uhrenfirma Calvin Klein tätig, erhielt aus dem bevorstehenden Kriegsgebiet kommend Mitte der 90er-Jahre Asyl. Wenig später kann er seine Frau und seine fünfköpfige Familie mit den Töchtern Lirije (heute 36), Saranda (34) und Yalentina (32) sowie die beiden Söhne Labinot (30) und Kastriot (29) ins Seeland holen. «Die beiden Söhne haben mir schon in der alten Heimat gefallen, wenn sie mit dem Fussball auf der Strasse gespielt haben», sagt der Vater. Sogleich schickte er die beiden zum FC Biel in die Fussballschule auf der Gurzelen. Die drei älteren Schwestern widmeten sich dem Volleyballsport und dem Geräteturnen, ohne hier auf Spitzensport zu setzen.

Anders die Brüder Labinot und Kastriot Sheholli, die neben der Ausbildung (siehe Zweittext) voll auf Fussball setzten und dort soweit wie möglich kommen wollten. Chancen dazu waren durchaus vorhanden. «Kastriot war das grössere Talent, doch leider war er oft verletzt. Vorab die beiden Hüftoperationen warfen ihn zurück», erinnert sich der Vater. Und Bruder Labinot Sheholli macht auch da eine Ergänzung: «Wäre er nicht so oft und schwer verletzt gewesen, würde er heute in einem Team der Super League spielen. Davon bin ich überzeugt.» Die heute fünffachen Onkel, der sechste Neffe wird das Licht der Welt in den nächsten Tagen erblicken, hatten Fussball im Blut, aber nicht nur Fussball im Kopf. «Die Eltern schauten, dass wir die Sprachen Deutsch und Französisch lernten und eine gute Ausbildung hinter uns bringen», weiss Kastriot Sheholli als wäre es gestern gewesen. Beide attestieren dem eigenen Bruder einen grossen Ehrgeiz und viel Disziplin, die Ziele zu verfolgen. Entsprechend haben sich Labinot und Kastriot Sheholli stets auf und neben dem Feld unterstützt. Dass sie 2016 nach der Konkurs-Saison zum FC Biel zurückkehrten, war für beide eine Selbstverständlichkeit. «Der FC Biel hat uns sehr viel gegeben und wir sind mit Herzblut bei diesem Klub und stolz, dieses Dress tragen zu dürfen», halten die beiden unisono fest. «Wir denken auch ähnlich und haben fussballerisch die gleichen Ideen», sagt Labinot Sheholli. «Es ist wie eine grosse Freundschaft. Wir haben viel geteilt, auch wenn wir eineinhalb Jahre auseinander sind», so Bruder Kastriot. Nicht ohne schmunzelnd zu erwähnen, «dass wir uns zwischendurch schon wie Brüder geprügelt haben.»


Wunsch nach der Sheholli-Tante
Labinot und Kastriot Sheholli denken trotz des fortgeschrittenen (Fussball)-Alters nicht ans Aufhören. «Zum einen bedeutet uns der Verein viel und wir wollen ihm auf diesem Weg etwas zurückgeben, zum anderen fühlen wir uns fit genug, noch ein paar Jahre zu spielen und dem FC Biel zu helfen, die nächsten Ziele zu erreichen.» Man gebe alles für den FC. «Verlieren wir, haben wir Tränen in den Augen. Deshalb kann ich oft nicht verstehen und nicht akzeptieren, dass es Leute gibt, die uns vorwerfen, nicht alles gegeben zu haben. Wir geben immer alles», hält der derzeitige Captain Labinot Sheholli fest.

Dass die beiden Sheholli-Brüder dem FC Biel noch lange verbunden sein werden, steht ausser Frage. Labinot wie Kastriot können sich auch eine Trainerlaufbahn vorstellen. Als Assistenz- und Juniorentrainer haben sie schon heute entsprechende Aufgaben. Und wie steht es mit eigenem Nachwuchs? Kastriot Sheholli: «Ich fühle mich nicht unter Druck. Bisher ging es immer der Reihe nach. So ist nach den drei Schwestern jetzt Labi an der Reihe.» Dieser winkt fürs Erste ab und muss sich von der ältesten Schwester Lirije sogleich etwas anhören: «Ich möchte schon noch Tante eines Shehollis werden.» Fortsetzung folgt. An den Eltern liegt es nicht, da sind die Türen für alle Familienmitglieder Tag und Nacht offen.

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Die Karrieren
Labinot (geboren am 9. Juli 1988) und Kastriot Sheholli (10. April 1990) machten alle Stufen beim FC Biel durch, bevor Spitzenvereine auf die beiden Mittelfeldspieler aufmerksam wurden: Labinot Sheholli versuchte sein Glück über die Nachwuchsabteilungen des FC Zürich und des FC St. Gallen. Später kam er in Aarau zu neun Einsätzen. Über Köniz und Breitenrain fand er 2016 den Weg zurück zum FC Biel, nachdem er zuvor in der Häfeli-Ära vom Präsidenten selber 2015 in der Vorbereitung ausgemustert worden ist. Für den FC Biel hat er bisher 198 Partien mit 38 Treffern absolviert. Beim FCZ ging er in die dortige Privatschule und absolvierte vor zehn Jahren die Ausbildung als Kaufmann. Danach holte er die Berufsmatura nach. Derzeit arbeitet er im Staatssekretariat für Migration in Bern. Er ist sich jedoch sicher, dass sein beruflicher Weg noch anders verlaufen wird. Labinot Sheholli schwebt eine (Sport)-Lehrerausbildung vor. Kastriot Sheholli versuchte sein Glück nach seiner Biel-Zeit vor elf Jahren bei den Berner Young Boys. Diverse Verletzungen hinderten ihn daran, die Leiter weiter nach oben zu besteigen. Nach drei Jahren kehrte er zu Biel zurück und wechselte später wie sein Bruder zu Köniz und Breitenrain, bevor er sich 2016 ebenfalls wieder den Seeländern anschloss. Er absolvierte erfolgreich die Berufsmatura und arbeitete eine Zeit lang bei der SBB im Büro. Nun ist er in Magglingen im Einsatz und schliesst im Juni 2020 das Bachelor-Studium ab. Daneben bildet er sich als Fussballtrainer weiter. Im Moment trainiert er die U10-Equipe des FC Biel, der auch sein Neffe Aulend angehört. bmb

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