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Tourismus

Besser baden in Baden

Der Aargau ist keine Touristenhochburg. Zum Glück! So lassen sich die Sehenswürdigkeiten entdecken, ohne dass alle anderen auch da sind.

  • 1/9 Ein Badegast geniesst in der temporären Badewanne das 47 Grad heisse Thermalwasser Badens. Bild: Andrea Butorin
  • 2/9 Badens Ober- und Unterstadt mit der alten Holzbrücke. Bild: CC BY-SA 4.0
  • 3/9 Der Tagsatzungssaal kann nur im Rahmen einer Stadtführung besichtigt werden. Bild: Andrea Butorin
  • 4/9 An der Tür zum Tagsatzungssaal ist die Geschichte der Cordulafeier verewigt. Bild: Andrea Butorin
  • 5/9 Die "Kajüte" am Limmatquai ist ein idealer Ort für einen Apéro oder Snack. Bild: Andrea Butorin
  • 6/9 Die Spanisch Brödli schmecken lecker - die moderne Version ist bekömmlicher als die "historische", die in Baden nur an speziellen Anlässen wie der Badenfahrt erhältlich ist. Bild: Andrea Butorin
  • 7/9 Entlang der Limmat. Bild: Andrea Butorin
  • 8/9 Badens alte Holzbrücke. Bild: Andrea Butorin
  • 9/9 Die Einwohnerinnen und Einwohner der Altstadt haben früher den Häusern Namen zur Identifizierung gegeben. Bild: Andrea Butorin
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von Andrea Butorin

«Was machen Sie denn da?» – «Ich gönne mir ein Bad im wunderbaren Badener Thermalwasser.» – «Dürfen wir Sie fotografieren?» – «Aber sicher.»
Just als Stadtführerin Beatrice Candrian am Badener Kurplatz über die reiche Bäder-Vergangenheit ihrer Stadt berichtet, steigt gegenüber ein Mann in Badehosen in eine Freiluft-Wanne. Als hätte ihn Baden Tourismus extra herbestellt, symbolisiert er perfekt das, was die Stadt seit 2000 Jahren ausmacht sowie das, wohin sich die Stadt entwickeln will.
Das Bäderquartier ist derzeit nämlich eine riesige Baustelle. Im Oktober soll das «Fortyseven» aufgehen, die erste Wellness-Therme der Schweiz, erbaut nach den Plänen von Mario Botta. «Fortyseven» deshalb, weil das Thermalwasser exakt 47 Grad heiss aus der Badener Quelle entspringt. Sowohl der Name als auch der Bau an sich haben in Baden einiges zu reden gegeben – erhalten das Quartier und der historische Kurplatz dadurch doch ein stark verändertes Gesicht. Teil des Projekts ist auch eine Gesundheitsklinik, die in den Räumen von drei früheren Bäderhotels realisiert wird. Altes und Neues sollen sich hier ergänzen. Auch die Stadt will zur Eröffnung hin ihren Beitrag leisten und den öffentlichen Raum im Quartier aufwerten.
 

Badewasser für alle
Gebadet wird in Baden seit der Römerzeit, «und zwar schon länger als in Baden-Baden», erzählt Beatrice Candrian. Vor einem Jahr ist bei den Bauarbeiten auf dem Kurplatz an unerwarteter Stelle ein Becken aufgetaucht. Es wird angenommen, dass es aus römischer Zeit stammt und Teil des legendären Verenabades war. Dies sowie das Freibad waren bis Mitte des 19. Jahrhunderts öffentlich und für jedermann und –frau zugänglich: Für Kundschaft also, die sich die feinen Bäder rundherum nicht leisten konnte.
Genau daran knüpft heute der Verein Bagni Popolari an. «Nach der Schliessung der historischen Freibäder auf dem Kurplatz vor 150 Jahren und dem jüngst erfolgten Abbruch des einst glanzvollen Thermalbades von Architekt Otto Glaus ist das Thermalwasser heute fast gänzlich aus dem öffentlichen Raum und aus dem kollektiven Bewusstsein verschwunden», heisst es auf seiner Website.
Das ändert der Verein einerseits mit temporären Badeinstallationen wie besagter Outdoor-Badewanne. Bagni Popolari initiierte andererseits aber auch das dauerhafte Projekt «Heisse Brunnen»: Direkt am Limmatquai entstehen zwei öffentlich zugängliche Badebecken, in denen ab Sommer alle kostenlos im mineralreichsten Thermalwasser der Schweiz plantschen können. Baden in Baden wird also bald schon wieder eine gewichtigere Rolle spielen als heute.
 

Die letzte grosse Bade-Blüte
Ob die Stadt damit an frühere Glanzzeiten anzuknüpfen vermag? Was die Römer begannen, führten die Habsburger fort. Unter ihrer Herrschaft wurde Baden zum wichtigsten Bäderort des deutschsprachigen Raums. Nach einer ersten Krise erlebte die Stadt ab dem 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg ihre vorerst letzte grosse Blüte. Hotels und ein Kursaal – das heutige Casino – wurden gebaut, neue Quellen erfasst und die Spanisch-Brödli-Bahn brachte das Who-is-who von Zürich nach Baden (siehe Infobox).
Nach dem Zweiten Weltkrieg spezialisierte man sich auf medizinische Angebote und Rehabilitation – von Hermann Hesse in der Novelle Kurgast verewigt. Allerdings verlor dieser Wirtschaftszweig immer stärker an Bedeutung:Die Industrie, allen voran die die Firma Brown, Boveri & Cie. (BBC, heute ABB) wurde viel gewichtiger. Ganz verschwunden ist die grosse Badekultur zwar nie, sie ist jedoch in die Spa-Bereiche der verbleibenden Hotels zurückgewichen.
 

Mit Cordula gegen die Zürcher
Baden war auch einmal dick in der eidgenössischen Politik drin – und zwar dank seiner Bäderkultur. Stadtführerin Beatrice Candrian ist im Tagsatzungs-Saal des Rathauses angekommen. Hier fand ab dem 15. Jahrhundert die Tagsatzung statt – ein politischer Austausch der eidgenössischen Orte. Die Gesandten trafen sich zum Teil über mehrere Wochen. Als Ausgleich zum Tagesgeschäft kamen die Vergnügungen, die die Bäder mit sich brachten, gerade recht, berichtet Candrian: Im Mittelalter waren in Baden pro Monat bis zu 200 Prostituierte akkreditiert.
An der Tür des geschichtsträchtigen Saals sind wichtige Ereignisse aus Badens Geschichte dargestellt. Am meisten Raum nimmt die Geschichte der Cordulafeier ein. Mit den Zürchern hatten es die Badener immer schwer gehabt, lässt Beatrice Candrian durchblicken. X-mal versuchten diese, Baden einzunehmen. Mal ging es um Territorialpolitik, mal um Religion. Die Cordulafeier geht auf einen Angriff vom 22. Oktober 1444 – dem Tag der heiligen Cordula – zurück. Listig hätten es die Zürcher geschafft, sich am frühen Morgen in die Stadt zu schleichen. Doch die beherzten Badener hätten die Feinde im Nachthemd und dank der Hilfe der heiligen Cordula verjagen können. Diesem Umstand wird an der Cordulafeier jährlich gedacht.
Im Zweiten Villmergerkrieg unterlag Baden den Zürchern, die von den ebenfalls protestantischen Bernern tatkräftig unterstützt wurden, dann endgültig – heute halten sich Protestantinnen und Katholiken im Aargau in etwa die Waage. «Als Badegäste», schliesst Beatrice Candrian, «waren die Zürcher aber trotz aller Unruhen stets willkommen.»

 

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Die Spanisch Brödli und die Bahn

 

Spanisch Brödli sind buttrige Blätterteig-Quadrate. Sie werden in Baden seit dem 17. Jahrhundert gebacken und stammen ursprünglich aus dem damals spanisch beherrschten Mailand. Bei den Kurgästen war das Gebäck ausserordentlich beliebt. Ganz besonders bei den protestantischen Zürchern - in ihrem Heimatkanton war solch ein Luxusgebäck nämlich verboten. Da sie trotzdem auch daheim nicht darauf verzichten wollten, schickten sie ihre Dienstboten jeweils zu Fuss nach Baden, um Spanisch Brödli zum Frühstück geniessen zu können. 1847 wurde mit Zürich-Baden die erste Eisenbahnstrecke der Schweiz eröffnet. Sie ermöglichte den Transport der Leckerei in nur 45 Minuten, was zum Übernamen Spanisch-Brödli-Bahn führte. Das Gebäck geriet in Vergessenheit, bis es im Rahmen der Badenfahrt reaktiviert wurde. Die traditionelle Version gibt es nur zu besonderen Anlässen, neue und leichtere Formen davon sind in diversen Bäckereien erhältlich.

Diese Reise wurde unterstützt von Aargau Tourismus.

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Mehr zu Baden


- Badenfahrt: Riesiges Stadtfest, das nur alle 10 Jahre stattfindet. Das nächste Mal im August 2023.
- Fantoche: Internationales Festival für Animationsfilm. 7.-12. September.
- Stadtführung: Buchbar bei Info Baden Tourist Office, 056 200 87 87, info@baden.ch
- Das Volksfest zur Eröffnung des neugestalteten Bäderquartiers wurde pandemiebedingt auf Herbst 2022 verschoben.
- Tagsatzungs-Saal: Nur im Rahmen einer Stadtführung öffentlich zugängig.
- Kajüte: Café-Bar direkt an der Limmat: www.kajuete-baden.ch
- Mehr: www.dein.baden.ch

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Baden als Pionierin


- Während der Festivitäten anlässlich des Friedens von Baden nach dem Spanischen Erbfolgekrieg 1714 wurde das erste Theater der Schweiz gegründet.
_ 1847 wurde die erste Eisenbahnstrecke der Schweiz, Zürich-Baden, eröffnet.
- In der Badstrasse entstand 1972 die erste Fussgängerzone der Schweiz.
- Die zehnjährliche Badenfahrt gilt als grösstes Volksfest der Schweiz.

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