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Schifffahrt

Ein Schiff zieht durch die Strassen

Gestern in den frühen Morgenstunden war es soweit: Mit Polizeieskorte fand die «MS 60», das neuste Schiff der BSG-Flotte, den Weg nach Nidau. Doch bis sie in See stechen kann, muss noch einiges getan werden.

Rund 60 Zuschauer verfolgten den Transport der «MS 60» vom Lastwagen auf den Heling-Wagen im Nidauer Barkenhafen. copyright/Matthias Käser

Hannah Frei

Die 92 Tonnen sind endlich am Ziel im Nidauer Barkenhafen angekommen. Von Österreich über Deutschland wurde das neue Motorschiff «MS 60» ins Seeland manövriert, eskortiert von zwei Polizeiwagen. Anders als etwa beim Transport von Bundesrat Ignazio Cassis (FDP) nach Biel galt die Eskorte diesmal nicht ausschliesslich der Sicherheit für das Transportobjekt. «Die Polizei hat dafür gesorgt, dass die Strasse für den Koloss befahrbar war», sagt Thomas Mühlethaler, Geschäftsführer der Bielersee Schifffahrt (BSG). Er begleitete das neuste Mitglied seiner Flotte ab dem Grenzübergang über Nebenstrassen durch Suberg, Lyss und Aarberg bis zum Nidauer Barkenhafen.
Für den kaum wendbaren Lastwagen mussten einige Strassenschilder abmontiert oder umgestellt werden. «Die Verkehrskreisel stellten aber das grösste Hindernis dar», sagt Mühlethaler. Um diese zu passieren, mussten manche Manöver durchgeführt werden, für die ein normaler Lenker seinen Ausweis unverzüglich abgeben müsste. Von der Polizei geführt, sei der Koloss öfters auf der falschen Seite durch die Kreisel gefahren, Mühlethaler mit seinem Auto hinterher.


Ausserorts Tempo 50


Obwohl die beiden Lastwagen bereits am Mittwochmorgen um 1.45 Uhr bei der Grenze losfuhren, kamen sie erst 24 Stunden später in Nidau an. Denn fortbewegen durften sie sich nur in der Nacht. «Tagsüber hätte der Koloss den Verkehr zu stark behindert», sagt Mühlethaler. Er war erstaunt darüber, wie schnell die Kolonne über die Strassen gebrettert ist. «Ausserorts konnten wir manchmal sogar 50 Kilometer pro Stunde fahren», sagt Mühlethaler. In den Dörfern jedoch habe man kaum mehr als Schritttempo erreicht. Insgesamt waren rund 20 Personen für den Transport im Einsatz.
Ein besonderes Highlight auf der Strecke sei die Begleitung des Fernsehteams von «Schweiz aktuell» gewesen. «Es ist ein Gewinn für unsere Region, wenn über dieses Ereignis im Schweizer Fernsehen berichtet wird», sagt Mühlethaler. Diese Gelegenheit nutzte auch der Bieler Stadtpräsident Erich Fehr.  Mühlethaler informierte ihn um 1 Uhr, sodass er die Kolonne rechtzeitig beim Schloss Nidau in Empfang nehmen konnte.


Gemäss Plan hätte das Schiff um 4 Uhr morgens in Nidau ankommen sollen. Doch kurz vor 2 Uhr morgens fuhren die Lastwagen bereits ein. Für Mühlethaler stand fest, dass sein Bett noch bis am Abend leer bleiben werde. Nachdem er die Fahrer verabschiedet hatte, ging er in sein Büro an der Schiffländte, um dann um 5 Uhr wieder im Barkenhafen auf der Matte zu stehen.


60 Zuschauer in Nidau


Es lag also nicht nur am strahlenden Wetter, dass der Nidauer Barkenhafen gestern Morgen bereits um 9 Uhr von Menschen überströmt wurde.
Die rund 6o Besucher wollten nur eines: die Ankunft der «MS 60» mitverfolgen. Für die Crew der österreichischen Schiffswerften AG in Linz (Öswag), die für den Bau der «MS 60» zuständig ist, galt es nun, die drei Teile abzuladen. Um den untersten Teil mit einem Gewicht von 38 Tonnen auf die sogenannte Heling-Wagen zu bringen, kamen zwei Krane zum Einsatz.
Obwohl man denken könnte, dass für das Manövrieren eines solch grossen Schiffteils viel Platz benötigt wird, betrug der Abstand zwischen dem Schiff und den beiden Kranhäuschen meist nur wenige Zentimeter. Um ein Haar hätte der Rumpf des neuen Schiffs dabei eine Laterne getroffen.


Doch nach zirka 30 Minuten wurde der unterste Teil des Schiffs vorsichtig auf die bereitstehenden Wagen abgesetzt, gestützt von Holzpfeilern, ohne Schäden angerichtet zu haben.


Noch nicht fahrtüchtig


Nun sind zwar alle Schiffsteile in der BSG-Werft angekommen. Doch die «MS 60» ist noch lange nicht fahrtüchtig. Bis zum 22. Mai wird das Schiff – mit einem Zelt überdeckt – in der Werft auf seinen Einsatz warten. «Die Infrastruktur im Unterbereich muss noch eingesetzt, das Schiff isoliert und der Innenausbau fertiggestellt werden», sagt Erich Hofmann, Leiter Technik und Werftchef der BSG. Geplant gewesen wäre, dass der Schiffsrumpf bereits komplett ausgebaut nach Nidau transportiert wird. Doch aufgrund einer Bauverzögerung bei der österreichischen Schiffswerften AG müssen die restlichen Arbeiten nun im Nidauer Barkenhafen ausgeführt werden. Das Schiff wird mit einem dieselelektrischen Antrieb ausgestattet. Die beiden Generatoren werden gemeinsam rund 400 Kilowatt elektrische Leistung erzeugen. Zudem werden im Unterdeck zwei Elektromotoren mit jeweils 160 Kilowatt installiert, die für den Antrieb des Schiffs zum Einsatz kommen werden. «Die Maximalgeschwindigkeit wird 23 Stundenkilometer betragen», sagt Hofmann.
Trotz des erfolgreichen Transports kann Thomas Mühlethaler und Erich Hofmann noch nicht aufatmen. «Wir haben nun ein wichtiges Etappenziel erreicht, aber uns steht noch eine Menge Arbeit bevor, die bis zur Schiffstaufe am 29. Mai erledigt werden muss.»

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