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Orpund

Bald ist das letzte Gipfeli verkauft

Seit 1986 haben Franca und Jean-Pierre Grindat in Orpund erfolgreich eine Bäckerei geführt. Nun schliesst das Geschäft seine Tore.

Copyright: Yann Staffelbach

Roman Bertschi

Am 31. Juli ist es soweit: Dann gehen bei der Bäckerei Grindat in Orpund die Türen für immer zu. Ein letztes Mal werden Franca (61) und Jean-Pierre Grindat (63) im Laden stehen und ihre Kundschaft begrüssen. Ende Monat blickt das Ehepaar auf 35 erfolgreiche Geschäftsjahre zurück. Die Aufgabe erfolgt nicht aus geschäftlichen, sondern aus gesundheitlichen Gründen, wie Jean-Pierre Grindat betont. Deshalb schliesst das Paar das Geschäft bereits in diesem Jahr anstatt wie vorgesehen im nächsten. Als die beiden 1986 begonnen haben, bot das Paar ein viel kleineres Sortiment an als heute. Und als die Bäckerei ab November 1986 zusätzlich am Sonntagmorgen geöffnet war, beschränkte sich das Angebot auf Butterzöpfe und Gipfeli. «Damit könnte man heute keinen Laden mehr öffnen», sagen die Grindats.

Dies zeigt sich auch bei einem Besuch im Laden: In den Regalen an der Wand lagert feinster Konfekt und in der Vitrine leuchtet das Gelb der Bienenstichfüllung und das Rot der Erdbeertörtli. Zudem produziert das Geschäft mittlerweile nicht nur für den eigenen Laden, sondern auch für Grossbetriebe und Restaurants.

Vor der Geschäftseröffnung arbeitete Jean-Pierre Grindat in einer Grossbäckerei und machte dort oft viele Überstunden. Als sich herumsprach, dass es in Orpund eine Übernahmegelegenheit gab, sprang das junge Paar in das Abenteuer, dies trotz dem festen Vorsatz von Franca Grindat, niemals im Verkauf zu arbeiten. Heute leitet sie diesen, zusätzlich erledigt sie die Büroarbeit. Der Einstieg sei hart gewesen, meint die Geschäftsfrau. In Orpund gab es bereits die Bäckerei Linde. Diese betreibt neben der Bäckerei ein Restaurant und ein Catering. Doch die Grindats konnten sich behaupten. Dazu trug sicher auch bei, dass sich die Grindats mit Herzblut auf das Bäckerei-Konditorgeschäft konzentrierten, womit sich die beiden Bäckereien in Orpund nicht komplett konkurrenzierten. «Wenn man bestehen will, muss man jeden Tag 100 Prozent geben. Wenn man das nicht kann, gehen in wenigen Monaten Jahre kaputt», sagt Franca Grindat im Rückblick.

Unabhängig vom Wetter, der Gesundheit oder der persönlichen Gefühlslage müsse man jeden Tag anpacken. Wenn die Lieferqualität nicht stimme, «geht es relativ schnell, bis die Kunden nicht mehr kommen». Schliesslich wurde der Betrieb dank sechs Verkaufstagen in der Woche rentabel. 1988 konnte das Bäcker-Ehepaar die Anschaffung eines neuen Ofens finanzieren, dieser ist bis heute in Betrieb. Es kamen weitere Investitionen hinzu, irgendwann waren diese so hoch, dass sich ein Ausstieg nicht mehr lohnte.

 

Weniger Bäckereien

Gemäss dem Schweizerischen Bäcker-Confiseurmeister-Verband (SBC) gab es 2019 noch 2500 Bäckereien in der Schweiz. 2013 waren es 3200. Seit Grossverteiler und Tankstellenshops Brot verkauften und die Ladenöffnungszeiten auf den Abend und die Sonn- und Feiertage ausgeweitet wurden, würden sich die Marktanteile stetig verlagern, so die Grindats. Zudem ergänzt Franca Grindat, dass die Qualität des im Detailhandel angebotenen Brotes gar nicht so schlecht sei. Negativ auf das Geschäft der Kleinbäckereien wirkten sich auch die unterschiedlichen personellen und finanziellen Ressourcen aus: Eine Bäckerin, die bei einem Grossverteiler tätig ist, arbeite in der Regel nicht mehr als die vorgeschriebene Arbeitszeit und teile sich die Aufgaben mit ihren Kollegen und Kolleginnen. Bei einem Kleinbetrieb laste die Arbeit hingegen nur auf wenigen Schultern, so Jean-Pierre Grindat. Trotz diesen Veränderungen am Markt hat sich die Bäckerei erfolgreich weiterentwickelt. Und auch von einem Brand im Jahr 2018 liessen sich die Grindats nicht zurückwerfen. Bei diesem brannte nicht der Ofen selbst, aber da dieser sehr hohe Temperaturen entwickelt, entzündete sich Staub rund um den Ofen. Dabei wurden auch elektrische Leitungen beschädigt. Nach dem Löschen des Brandes musste der gesamte Betrieb gestoppt und vieles repariert werden. Glücklicherweise kam es bei dem Brand nur zu einem Sachschaden, und die Wohnung der Grindats direkt über der Bäckerei war nur indirekt betroffen. 2020 kam erschwerend die Pandemie hinzu.

Trotz dieser Rückschläge machten die Grindats weiter. Und der ständig besser werdende Geschäftsgang beweist, dass sie es richtig gemacht haben. Mittlerweile zahlen Grindats elf teils kleine Löhne, verteilt auf Verkauf und Bäckerei. In letzterer arbeiten neben dem Bäckermeister zwei gelernte Bäckerinnen und Bäcker, eine davon hat bereits die Lehre im Betrieb gemacht.

 

Keine Interessenten

Trotz guter Zahlen und starker Verankerung im Dorf will niemand die Bäckerei übernehmen. Grindats haben keine Kinder und auch vom Personal zeigt niemand Interesse am Geschäft. «Bei der Führung eines Bäckereibetriebes kann man nicht nach acht Stunden sagen, so jetzt höre ich auf.» Gerade jüngere Menschen könnten sich ein solches Arbeitspensum nicht mehr vorstellen und das verstehe sie auch, meint Franca Grindat. Freizeit sei spärlich. Viel könne man mit Freunden nicht unternehmen. Glücklicherweise hätten diese seit Jahren Verständnis für die Situation der Grindats. Etwas abzumachen sei höchstens am Sonntagabend möglich, doch auch das sei schwierig. Für Grindats ist der Montag der einzige freie Tag, dies jedoch mit Einschränkungen. An diesem müssten Büroarbeiten oder Einkäufe erledigt werden. Abends um 17 Uhr beginnt Jean-Pierre Grindat wieder mit den Vorbereitungen für den kommenden Tag.

 

Mehr Zeit

Gefragt nach ihren Plänen winken die beiden ab. Zuerst muss die Schliessung des Ladens über die Bühne gebracht werden, danach schauen die beiden weiter.

Sie wollen sich ihren Hobbies widmen, beispielsweise dem Fischen. Dafür reisen sie in den Jura, ins Berner Oberland oder nach Schweden. Orpund wird weiterhin der Lebensmittelpunkt bleiben, die Grindats bleiben in ihrer Wohnung oberhalb der Bäckerei.

Was mit dem Ladenlokal geschieht, ist noch offen. Entweder soll dieses vermietet werden, oder Franca Grindat betreibt das Ladenlokal selber. In letzterem Fall würde sie dort ihr selbst gemachten Engel ausstellen. Diese fertigt sie aus Schwemmholz, Alabaster und Speckstein.

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