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Biel

Das Experiment ist misslungen

Im April haben das Bieler Unternehmen Scratch und der Koch Philippe Berthoud das «Pop-Up Lindenegg» vorgestellt. Jetzt zeigt sich: Das Konzept hat nicht funktioniert. Der Restaurantbetrieb wurde diese Woche gestoppt.

Sie wollten aus der «Oase» ein Pop-Up-Lokal machen (von links): Reto Bloesch, Philippe Berthoud, Patrick Weiss und Olivier Paratte (hinten). psj/a
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Carmen Stalder

Euphorisch haben die vier Männer im April ihr Projekt vorgestellt: Aus der «Villa Lindenegg» sollte eine Plattform für ambitionierte Jungköche entstehen. Während je zwei Monaten wollten sie den Köchen die Villa mit Restaurant, Servicepersonal und Hilfskoch zur Verfügung stellen, damit diese ihre Kreativität ausleben können. Hinter dem Konzept steckten der Koch Philippe Berthoud sowie Reto Bloesch, Patrick Weiss und Olivier Paratte vom Start-up Scratch, vielen Bielern bekannt als Gründer des First Friday (das BT berichtete).

Im Juni ist das Projekt «Pop-Up Lindenegg» mit dem Zürcher Gabriel Heintjes gestartet. Nach ihm stand für nur gerade zwei Wochen der Kubaner Pedro Cisnero Chacon am Herd. Und nun, aus scheinbar heiterem Himmel, haben die Pächter ihr Projekt gestoppt – obwohl der temporäre Restaurantbetrieb noch bis im Janaur hätte fortgeführt werden sollen. Warum also dieses abrupte Ende?

«Das Gastrokonzept hat nicht funktioniert», sagt Bloesch. Organisatorisch und logistisch habe sich die Idee als zu kompliziert herausgestellt. Als Hauptgrund nennt er die kurze Übergangszeit zwischen den Köchen: «In drei Tagen mussten wir das Personal und den Hilfskoch umschulen, neue Menükarten drucken, die Kommunikation anpassen und die Ware auswechseln.» Der kubanische Koch wäre nur für einen Monat in der «Villa Lindenegg» geblieben, sein geplanter Nachfolger ebenfalls. Eine zu grosse Herausforderung für die Pächter.

 

Gegensätzliche Meinungen
Bereits Ende Juli ist bekannt geworden, dass sich Philippe Berthoud vom restlichen Team getrennt hat. Er werde «sich aufgrund der grossen Nachfrage auf seine privaten Gourmet-Engagements und Kochevents konzentrieren», hiess es in der damals verschickten Mitteilung. Mit Berthoud hat der einzige der vier Pächter mit gastronomischer Erfahrung die «Villa Lindenegg» verlassen. Bloesch sagt dazu: «Es war Philippe Berthoud, der das Gastrokonzept konzipiert hat. Und das ist nicht wie geplant gelaufen.» Man wolle ihm jetzt aber nichts in die Schuhe schieben. Berthoud erwidert: «Bis zu meinem Rückzug aus dem Projekt Ende Juli funktionierte das Gastrokonzept sehr gut. Das Restaurant war fast jeden Abend ausgebucht. Was nach dem 31. Juli geschehen ist, entzieht sich meiner Kenntnis.»

In einem Schreiben, das diese Woche an alle Mitarbeiter des «Pop Up Lindenegg» verschickt worden ist, heisst es: «Aufgrund der Erfahrungen mit Pedro während der letzten zwei Wochen haben wir entschieden, die kubanischen Wochen frühzeitig zu beenden. Auch die aufgelaufenen Kosten unter Küchenchef Gabriel Heintjes haben uns dazu bewogen, das von Philippe initiierte Gastro-Konzept zu überdenken.»

Von einem finanziellen Debakel will Bloesch allerdings nichts wissen. «Wir befinden uns nicht in Schieflage.» Auch er sagt, dass das Restaurant an fast jedem Abend ausgebucht gewesen sei. Allerdings hat beispielsweise das anfangs angekündigte sonntägliche «Grill’n’Chill» nie stattgefunden – obwohl die Einnahmen dazu bestimmt einkalkuliert gewesen sind. Auch die Aussenbar war bisher nur wenige Wochen offen – angekündigt war der ganze Sommer. Und ein an wenigen Sonntagen durchgeführter Brunch fand plötzlich nicht mehr statt. Mittlerweile ist die «Villa Lindenegg» sonntags gänzlich geschlossen. Das sind Unklarheiten, die wohl auch beim Servicepersonal für Missstimmung gesorgt haben.

 

Hotel bleibt offen
Bloesch bezeichnet den ausserplanmässigen Abbruch als «halb so tragisch». «Wir haben etwas ausprobiert und sind jetzt ehrlich genug, um es wieder zu beenden. Deswegen fällt uns kein Zacken aus der Krone.» Das Hotel bleibt geöffnet und ist gemäss den Pächtern «nach wie vor gut gebucht». Auch kann man weiterhin für ein Apéro in die Villa gehen, die Bar ist von Mittwoch bis Samstag von 17 bis 22 Uhr offen.

Wie es hingegen mit dem Restaurant weitergeht, ist derzeit offen. «Wir sitzen in den nächsten Tagen zusammen, um darüber zu diskutieren. Wir werfen jetzt sicher nicht alles hin, sondern überlegen uns etwas Neues», sagt Bloesch. Er könne sich beispielsweise vorstellen, Gastroevents mit Köchen aus verschiedenen Kulturen durchzuführen. Doch es hat sich gezeigt: Es ist wohl nicht ganz einfach, ein bei vielen Bielerinnen und Bielern alteingesessenes Restaurant in ein modernes Pop-up-Lokal zu verwandeln.

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