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Verkehr

Die Lastwagenflut in 
den Dörfern bleibt aus

Messungen zeigen: Der Ostast hat keinen Einfluss auf die Verkehrsflüsse im Seeland. Die Zahlen sind aber unvollständig – und entsprechen nicht immer der Wahrnehmung.

Symbolbild: Keystone
  • Dossier

Lino Schaeren

Vor rund sechs Jahren hat der Grosse Rat den Kanton beauftragt, die Verkehrsbelastungen auf der Achse Biel – Lyss – Aarberg – Kerzers zu beobachten. Grund: der A5-Ostast. Zwar lag die Eröffnung der Ostumfahrung von Biel 2012 noch in weiter Ferne, die Erhebung von Verkehrszahlen sollte jedoch frühzeitig beginnen, um nach der Inbetriebnahme die Auswirkungen der neuen Autobahn aufzeigen zu können. Seit 2015 wird der Verkehr deshalb an acht Stellen gemessen.

Urheber des Vorstosses im Kantonsparlament waren Jakob Etter (BDP, Treiten), Peter Bonsack (EDU, Kallnach), Willy Marti (SVP, Kallnach) und Peter Moser (FDP, Biel). Ihre Befürchtung: Mit dem A5-Ostast könnte vorab die Belastung durch den Schwerverkehr auf besagter Achse zunehmen. Gestern hat nun die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern die ersten Zahlen veröffentlicht. Und die zeigen: Die Befürchtungen waren zumindest im ersten Betriebsjahr der Ostumfahrung umsonst. Die neue Autobahn habe «keine Auswirkungen auf die Verkehrsflüsse im Seeland».

Jakob Etter zeigt sich überrascht: Er habe mit einer grösseren Verkehrszunahme gerechnet, sagt der Grossrat, schenke den Messungen aber Glauben. Tatsächlich zeigen die Zahlen des Kantons, dass der Verkehr auf der Achse Biel – Lyss – Aarberg – Kerzers 2018 zwar zugenommen hat, im Vergleich zu den Vorjahren aber nicht überdurchschnittlich stark. Deshalb, so die Schlussfolgerung des Kantons, sei das Verkehrswachstum nicht auf den Ostast zurückzuführen.

Beim Schwerverkehr sieht die Entwicklung ähnlich aus: Nur bei der Messstelle in Kallnach konnte eine signifikante Zunahme festgestellt werden: Seit der Ostast-Eröffnung rollen täglich gut zusätzliche 50 Fahrzeuge mit einem Gewicht von mehr als 3,5 Tonnen über das Oberfeld. Für Dominik Matter (SVP), Gemeindepräsident von Kallnach, kein Problem: Er habe zwar schon den Eindruck gewonnen, dass 2018 mehr Schwerverkehr durch die Gemeinde gerollt sei, sagt er, allerdings nicht in einem Ausmass, als dass er es als Belastung empfunden hätte.


«Kein grosses Problem»
Ähnlich tönt es in Aarberg: Gemeindepräsident Fritz Affolter (SVP) zeigt sich erfreut über die Zahlen. Nachdem vor der Ostast-Eröffnung wegen einer drohenden Mehrbelastung durch Schwerverkehr Angst geherrscht habe, sei nun nach dem ersten Jahr «vernachlässigbar, was da wegen dem Ostast gekommen ist». Zwar habe sich die Staubildung morgens und abends etwas akzentuiert, die Auswirkungen seien aber marginal. Die allgemeine Verkehrszunahme, so Affolter, sei aber auch in Aarberg spürbar. Diese sei laut dem Gemeindepräsidenten auch auf den brummenden Wirtschaftsmotor und die rege Bautätigkeit in Aarberg zurückzuführen.

Doch hatte der Ostast tatsächlich keinerlei Auswirkungen auf die Verkehrsflüsse im Seeland? «Meine Wahrnehmung ist eine andere», sagt Andreas Hegg (FDP), Gemeindepräsident von Lyss. Der Verkehr habe auf der Nationalstrasse vor allem morgens und abends zugenommen, gerade am frühen Morgen staue er sich in Richtung Biel deutlich häufiger als noch vor der Ostast-Eröffnung. Mit dieser Beobachtung ist Hegg nicht alleine, in den sozialen Medien melden sich immer wieder verärgerte Autofahrer zu Wort, die über Stau im Bereich zwischen Studen und Lyss klagen. «Für uns», sagt Hegg, «ist das letztlich aber kein grosses Problem, denn auf den Gemeindestrassen beobachten wir keine nennenswerten Auswirkungen.»


«Eine gewisse Sogwirkung»
Für die Verkehrsmessungen verantwortlich ist Kreisoberingenieur Kurt Schürch. Er spricht von einer «gewissen Sogwirkung», die der Ostast zwischen Lyss und dem Brüggmoos entwickelt habe. Denn morgens nutze nun der Berufsverkehr aus der Region Lyss mit Fernziel Zürich die Ostumfahrung, um schnell auf die A5 Richtung Solothurn zu gelangen. Gleichzeitig fahre jener Verkehr aus dem Jura im Brüggmoos auf die T6 auf, der zuvor ab dem Bözingenfeld den Schleichweg über Pieterlen und Büren genutzt habe. Deshalb komme es auf diesem Abschnitt zu Stosszeiten tatsächlich zu vermehrter Staubildung. Auf die Achse Lyss – Kerzers habe sich das aber nicht ausgewirkt, sagt Schürch. Was die gestern publizierten Zahlen belegen.

Diese sind allerdings nicht vollständig. So sind für die Messstellen Brügg und Müntschemier laut dem Bericht für 2018 keine brauchbaren Resultate vorhaben. Für Lyss fehlen die Zahlen aus dem Jahr 2017, ein Vergleich mit dem Vorjahr ist also nicht möglich. Diese Daten sollen im kommenden Jahr nachgereicht werden. Ohnehin wird das Monitoring bis 2020 fortgesetzt. Schürch nimmt nicht an, dass die Belastung zwischen Lyss und Kerzers bis dahin massiv zunehmen wird. Der Grund für diese Annahme ist simpel: Der Weg durch die Dörfer sei «so beschwerlich, dass er wie eine Art flankierende Massnahme wirkt».


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Acht Messstellen

- Auf diesen acht Strassen wurde 2018 gegenüber demVorjahr folgende Zu- oder Abnahme beimVerkehr gemessen (durchschnittlicher täglicher Verkehr):

- Kallnach, Oberfeld: Zunahme um 7,1 %. Anteil Schwerverkehr: 7,4 % (plus 0,5%).

- Brügg, Autobahn A6: Keine Zahlen für das Jahr 2018.

- Lüscherz, Hauptstrasse: Zunahme um 0,2%. Anteil Schwerverkehr: 3,3% (plus 0,2%).

- Lyss, A6: Zunahme um 13,8% gegenüber 2016 (keine Zahlen für das Jahr 2017). Anteil Schwerverkehr: 4,6% (keine Veränderung gegenüber 2016).

- Müntschemier, Kerzersstrasse: Keine Zahlen für das Jahr 2018.

- Bellmund, Hauptstrasse: Abnahme um 6,2%. AnteilSchwerverkehr: 7,1% (minus 0,1%).

- Bühl, Aarbergerstrasse: Abnahme um 1,98%. Anteil Schwerverkehr: 7,2% (keine Veränderung).

- Aarberg, Lyssstrasse: Zunahme um 2,7%. Anteil Schwerverkehr: 7,3% (keine Veränderung). lsg

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