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Biel

Stadt strebt angemessene Finanzkontrolle an

Auf der Stadtverwaltung gibt es kein standardisiertes internes Kontrollsystem für den Finanzhaushalt. Etliche Bieler Stadträte sehen darin ein «Millionen-Risiko». Nun lenkt der Gemeinderat ein: Die Kontrolle soll noch in diesem Jahr verbessert werden.

Das Wappen von Biel, bt/a
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Lino Schaeren

Der Gemeinderat räumt ein: Die Stadt Biel verfügt nicht über ein institutionalisiertes internes Kontrollsystem (IKS), das der Grösse und der Komplexität des städtischen Finanzhaushalts entspricht. Das geht aus seiner Antwort auf einen dringlichen überparteilichen Vorstoss hervor, der im vergangenen Dezember im Stadtparlament eingereicht worden ist. Dieser fordert ein ebensolches IKS, weil die Stadt mit ihrem heutigen System «enorme finanzielle Risiken» eingehe.

Der Ruf nach einem IKS ist in Biel nicht neu, die Geschäftsprüfungskommission des Stadtrats (GPK) macht in ihrem Jahresbericht seit Jahren ebenso auf das Fehlen eines solchen aufmerksam wie die externe Revisionsstelle. Dass die Forderung durch den Vorstoss nun aber auch auf dem politischen Parkett angekommen ist, ist auf ein Stadtratsgeschäft zurückzuführen, das die Verwaltung in keinem guten Licht erscheinen liess.

Es war eines jener Geschäfte im Bieler Stadtrat, mit dem wohl kaum ein Parlamentarier einverstanden war, zu dem man aber nur schlecht Nein sagen konnte. Was bringt es schon, einen Nachkredit, der schon ausgegeben wurde, nachträglich nicht zu bewilligen? Schlimmer noch: Bei besagtem Geschäft ging wohl so ziemlich alles schief, was überhaupt hätte schiefgehen können.
 

Es gibt bereits ein IKS
Rückblende: Im Jahr 2001 rechnete man mit Kosten von einer Million Franken für die Stadt Biel, um im Bereich Ländte-, Aarberg- und Salzhausstrasse im Hinblick auf die Expo.02 fünf Ampelanlagen zu erstellen. Die restlichen anderthalb Millionen sollten durch Subventionen gedeckt werden, alleine 1,1 Millionen wurden vom Bund erwartet. Die Bundes-Subvention ist aber nie geflossen, «es besteht die Vermutung, dass das Subventionsgesuch abgelehnt worden ist», hielt die Stadtregierung vergangenes Jahr fest, so genau könne man das aber Jahre später nicht mehr rekonstruieren. Auch dieser Betrag ging also zulasten der Stadtkasse.

Nur hat das lange Zeit niemand bemerkt. Denn der Millionen-Kredit «irrte» während 15 Jahren durch die Stadtverwaltung, ohne abgeschrieben zu werden. Kommt hinzu: Er wurde über die Jahre hinweg weiter belastet und daher deutlich überschritten, weshalb der Stadtrat im vergangenen Dezember eben nicht nur viel zu spät abschreiben, sondern auch noch zusätzliche Mittel nachbewilligen musste.

Nun waren sich viele Parlamentarier einig: Mit einem funktionierenden IKS wäre das nicht passiert. «Wenn es die Möglichkeit gibt, ein Millionen-Risiko einzudämmen, müssen wir diese nützen», begründete deshalb Erstunterzeichner Urs Scheuss (Grüne) den entsprechenden Vorstoss.

In seiner Antwort stellt der Gemeinderat nun klar: Das Fehlen eines der Grösse des Finanzhaushaltes entsprechenden IKS bedeute nicht, dass in der Stadt Biel keine dem Gesetz entsprechenden Regelungen vorhanden seien. Die Stadt verfüge sehr wohl über ein IKS, allerdings nur über eines nach Definition der eidgenössischen Finanzkontrolle auf Niveau zwei (von fünf). Das heisst: Ein standardisiertes Kontrollsystem für die Stadtfinanzen gibt es derzeit nicht. Es soll aber noch in diesem Jahr installiert werden, so der Gemeinderat. Damit soll neu die Niveaustufe drei erreicht werden.


Kündigung verzögert Projekt
Die Stadtregierung lässt durchblicken, dass bereits länger an der Einführung eines standardisierten IKS-Systems für alle finanzrelevanten Prozesse bei der Stadt gearbeitet wird. Anfang 2017 sei der Entwurf eines «Umsetzungs- und Realisierungsvorschlages» ausgearbeitet worden. Die Arbeiten hätten sich allerdings verzögert, weil die damalige Leiterin der städtischen Abteilung Finanzen, Margrit Keller, im Sommer des letzten Jahres ihre Kündigung eingereicht hatte. Seit ihrem Abgang im Herbst ist der Kaderposten vakant, Frédéric Ryser wird die Stelle ab dem 1. Mai neu besetzen. Bis dahin seien die Arbeiten am IKS ausgesetzt worden, so der Gemeinderat.

Ryser soll dann die Einführung des Kontrollsystems schnellstmöglich wieder an die Hand nehmen. Er ist mit der Thematik vertraut, war er doch in seinen bisherigen Tätigkeiten am Aufbau eines IKS beteiligt. Ryser wechselt vom Energie Service Biel (ESB) auf die Stadtverwaltung. Der Gemeinderat stellt in Aussicht, dass die Geschäftsprüfungskommission des Stadtrats im kommenden September über den Arbeitsstand informiert werde und beantragt, den Vorstoss als Postulat zu überweisen. Alles gut also? Nicht ganz.


«Das ist nicht seriös»
Denn Urs Scheuss beklagt, dass der als dringliche Motion eingereichte Vorstoss in ein Postulat umgewandelt worden sei, ohne dass die Motionäre dem zugestimmt hätten. «Da fühlt man sich schon etwas verschaukelt.»

Stadtschreiberin Barbara Labbé hatte bereits im Januar festgehalten, dass die Forderung nicht motionsfähig sei, da die Installation eines solchen Kontrollinstruments nach übergeordnetem Recht in der alleinigen Kompetenz der Exekutive liege.

Die Motionäre hielten dagegen, dass der Stadtrat gemäss Stadtordnung die Aufsicht über den Gemeinderat und die Oberaussicht über die Stadtverwaltung führe und mit der Motion diese Verantwortung wahrnehme, da der Gemeinderat in der Vergangenheit wiederholt nicht der Empfehlung der Geschäftsprüfungskommission und der externen Revisionsstelle gefolgt sei.

Wenn er nun die Antwort des Gemeinderats lese, fühle er sich in dieser Haltung bestätigt, sagt Scheuss. «Das Bewusstsein und die Sensibilität fehlen für dieses Thema ganz offensichtlich, der gute Wille alleine zählt hier nicht.» Scheuss moniert, dass  die Exekutive nichts schreibe zu einer gemachten oder möglichen Risikoanalyse, «dabei müsste doch ein IKS auf einer ebensolchen Analyse basieren».

Pauschal für alle Bereiche die gleiche Niveaustufe festzulegen, sei «nicht seriös». Ob die Stadt eine Risikoanalyse bereits vorgenommen hat, ist dem Gemeinderatsbericht nicht zu entnehmen.


Stadtratsbüro wäre zuständig
Die Informationen, die der Gemeinderat liefere, seien ungenügend, die Antwort deshalb «schwach und undifferenziert», sagt Scheuss. Gerade deshalb müsse eigentlich die Behandlung des Vorstosses als Postulat verweigert und auf die Motion gepocht werden.
Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass der Vorstoss vom Gemeinderat als Postulat und nicht als Motion behandelt wurde? Schliesslich geschieht eine Umwandlung normalerweise nach Rücksprache mit den Urhebern eines Vorstosses.

Die Umwandlung wird vom Stadtratsbüro, zusammengesetzt aus dem Stadtratspräsidium und den Stimmenzählern, vorgenommen. Das Büro überweist die Vorstösse anschliessend an den Gemeinderat zur Beantwortung. Stadtratspräsident Hugo Rindlisbacher (Die Eidgenossen) sagt nun auf Nachfrage: «Das Büro hat diesen Vorstoss als Motion überwiesen.

»Wegen Ferienabwesenheiten habe man noch nicht nachvollziehen können, wo und durch wen die Motion trotzdem noch umgewandelt worden sei. Dabei scheint die Zuständigkeit doch eigentlich klar geregelt.
In der Geschäftsordnung des Stadtrats heisst es in Artikel 8: «Im Besonderen entscheidet das Stadtratsbüro über die formelle Zulässigkeit parlamentarischer Vorstösse (...).»

Da die Umwandlung des Vorstosses laut Rindlisbacher aber nicht durch das Stadtratsbüro vorgenommen wurde, ist die Entscheidungskompetenz in diesem Fall offenbar übergangen worden.

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