Sie sind hier

Abo

Neulich

Achtbeiner bedrohen Vier- und Zweibeiner

Der Ferienkoffer ist noch nicht ausgepackt, da erreichen uns von daheim aus schon Notfallsignale. «Kann ein Hund von Zecken auch krank werden?» heisst es in der SMS. Für ein paar Tage werden wir ohne Hund unterwegs sein.

Bild: Niklaus Baschung

Niklaus Baschung

Damit daheim alles pannenfrei ablaufen kann, hatte ich für den Vierbeiner eine Bedienungsanleitung verfasst: Wie oft frisst er pro Tag und wie viel; welche Befehle kennt er, und bei welchen Befehlen gehorcht er überhaupt; wann gehört er an die Leine; welche Spiele gefallen ihm und vieles mehr. Im Grunde kann auch nicht viel schiefgehen, das Gefährlichste an diesem Labrador ist seine unersättliche Liebesbedürftigkeit. Er schmeisst sich auf der Suche nach Streicheleinheiten sprichwörtlich an jeden Menschen heran und zwischen die Beine. Hoffentlich müssen wir nie die Schlagzeile lesen: «Grosi erleidet beim Hundestreicheln Oberschenkelhalsbruch».

«Wir haben nach dem Spaziergang 20 Zecken aus dem Fell entfernen müssen», schreibt der Sohn, der den Hütedienst übernommen hat, in der SMS voller Empörung weiter. Das mit den Zecken hatte ich in der Bedienungsanleitung unterschlagen. Sonst hätte er sich vielleicht geweigert, den Hund zu sich zu nehmen. Wenigstens hat dieser Labrador ein fuchsrotfarbiges Fell, da sind die schwarzen Viecher gut sichtbar. Er ist quasi zeckentauglich. «Ja, Hunde können von Zecken auch erkranken so wie wir Menschen», schreibe ich zurück, «und ja, in diesem Jahr hat es besonders viele Zecken. Merci, dass ihr euch um ihn solche Sorgen macht.»

In den vergangenen Jahren habe ich im Frühling jeweils mitleidig gelächelt, wenn die Zeitungen und Fernsehsendungen in panikmachenden grossen Aufhängern vor den Zecken und ihren übertragbaren Krankheitserregern gewarnt haben. Alles halb so schlimm. Nun muss ich zugeben: Seit 35 Jahren halten wir Hunde, aber eine solche Zeckenplage gab es noch nie. Mittlerweile traktieren wir unser vierbeiniges Familienmitglied mit Tabletten, mit Sprays, mit einem Halsband. Mit sensationeller Wirkung: Zum ersten Mal hat sich eine Zecke in meiner eigenen Haut festgebissen.

Diese Entwicklung wird Leute freuen, die Hunde und ihre Halter vor allem als Ärgernis wahrnehmen. Denn tatsächlich ist die Hundehaltung in den vergangenen Jahrzehnten unattraktiver geworden. Der immer kleinere öffentliche Freizeit-Raum wird durch Jogger, Biker, Spaziergängerinnen und Reiterinnen zu jeder Tag- und Nachtzeit dermassen intensiv genutzt, dass kaum mehr Platz für Hunde bleibt. Wird uns nun ausgerechnet dieses kleine Viech, dieser protzige, widerwärtige Achtbeiner den Rest geben?

Was mich betrifft: Wahrscheinlich nicht. Allerdings, wenn ich nun künftig das Hunde-Zecken-Halsband selber trage, dann wünsche ich mir schon attraktivere sexy Farben. Es wäre sogar von Vorteil, wenn ich von seinem Geruch nicht in Ohnmacht falle. Aber genau dafür habe ich ja immer den Hund dabei.

Info: Niklaus Baschung ist Journalist, 
Kommunikationsfachmann und Hundehalter.

kontext@bielertagblatt.ch

 

 

Nachrichten zu Fokus »