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Aus dem Grossen Rat

Alle Macht der Regierung?

Dem Regierungsrat obliegt die Vertretung des Kantons nach innen wie nach aussen», heisst es in der bernischen und in ähnlicher Form auch in allen anderen Kantonsverfassungen.

Philippe Messerli, Grossrat EVP

Was harmlos tönt, erweist sich in der Praxis als folgenreich. Dieser Passus bildet die rechtliche Basis für einen machtvollen Exekutiv-Föderalismus, der sich in den letzten 20 Jahren entwickelt hat. Er findet seinen Ausdruck darin, dass die kantonalen Regierungen zur Lösung von Problemstellungen (etwa bei Sicherheit und Bildung) immer wie mehr zum Mittel interkantonaler Vereinbarungen und Konkordate greifen.


Gegen eine stärkere interkantonale Kooperation und Rechtsetzung ist grundsätzlich nichts einzuwenden, im Gegenteil. Sie ist nötig, weil infolge der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung die funktionalen Räume immer wie weniger mit den kantonalen Grenzen übereinstimmen. Demokratiepolitisch problematisch an dieser Form der Zusammenarbeit ist jedoch, dass sie sich vorwiegend auf Regierungsebene abspielt und sich der parlamentarischen Mitwirkung und Kontrolle weitgehend entzieht.


Der Grosse Rat hat dieses Problem erkannt und versucht, Gegensteuer zu geben. Das neue Parlamentsrecht verpflichtet die Regierung dazu, die zuständigen Sachbereichskommissionen regelmässig über laufende interkantonale Verfahren und Verhandlungen zu informieren und zu konsultieren. Der Grosse Rat soll von Beginn weg mitreden und nicht am Ende des Prozesses nur noch Ja oder Nein zum Ergebnis sagen können. Allerdings ist diese parlamentarische Mitsprache beschränkt. Der Regierungsrat entscheidet selber darüber, wie weit er allfälligen Vorschlägen der Kommissionen folgen möchte. Es wäre deshalb an der Zeit, dem Grossen Rat in interkantonalen Belangen eine echte Mit-bestimmung zu gewähren und ihn auch in seiner Kontrollfunktion gegenüber der Regierung zu stärken. Mit dem Vertrag über die Mitwirkung der Parlamente (ParlVer) der sechs Westschweizer Kantone Genf, Freiburg, Wallis, Neuenburg, Waadt und Jura bestünde hierzu ein bereits erprobtes Verfahren. Dieses sieht vor, dass bei Vorhaben zum Erlass oder zur Änderung einer interkantonalen Vereinbarung eine aus je sieben Abgeordneten pro Kanton bestehende Kommission gebildet wird, die den Prozess eng begleitet. Zudem sind die Vertragskantone bei der Schaffung interkantonaler Institutionen oder gemeinsamer Organisationen dazu verpflichtet, eine interparlamentarische Aufsichtskommission einzusetzen.


Der Kanton Bern sollte sich diesem vorbildhaften Modell unbedingt anschliessen, um das bestehende Ungleichgewicht zwischen Regierung und Parlament wieder ins Lot zu bringen.

 

Stichwörter: Grosser Rat

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