Sie sind hier

Abo

Kafipause

Der natürliche Kreislauf des Grossraumbüros

Ich habe nicht mehr alle Tassen im Schrank. Das ist jetzt wortwörtlich und nicht sinnbildlich gemeint.

Parzival Meister

Parzival Meister

Und eigentlich habe ich in meinem Büro auch keinen Schrank, sondern Regale. Aber um zum Punkt zu kommen: Meine Kaffeetassen, die ich in diesen Regalen hatte, sind weg. Und ich habe nun entschieden, mich von der Idee einer eigenen Büro-Kaffeetasse zu verabschieden. 

Sie kennen das sicher aus Ihrem Büro: Da gibt es ganz viele Menschen, die eine eigene Kaffeetasse haben. Oft sind diese ziemlich auffällig. Sie haben Bilder oder Sprüche drauf – in manchen Fällen sogar den Namen des Besitzers. Ich selber war nie Besitzer einer solchen Tasse. Ich hatte auch nie das Bedürfnis, meinen Kaffee von Montag bis Freitag nur aus meiner eigenen Tasse zu trinken.

Wir haben hier in unserem Büro eine kleine Küche. Direkt über der Kaffeemaschine ist ein Schrank, prall gefüllt mit Kaffeetassen. Da herrscht alles andere als ein einheitliches Erscheinungsbild, es handelt sich dabei vielmehr um ein Sammelsurium an unterschiedlichsten Kaffeetassen, die wohl irgendwann das persönliche Eigentum einer Bürokollegin oder eines Mitarbeiters waren. Oder sie waren Werbegeschenke. Oder haben sonst irgendwie den Weg in unser Büro gefunden. Jedenfalls habe ich mich, Jahr ein Jahr aus, aus diesem Schrank bedient.

Vor einem knappen Monat habe ich, ohne triftigen Grund eigentlich, entschieden, mich dem Club der Bürotassen-
Besitzer anzuschliessen. Ich habe von zu Hause zwei weisse Kaffeetassen mitgenommen. Ein Anfängerfehler, wie sich bald herausstellen sollte. Was für ein verpeilter Chaot ich manchmal sein kann, stellte sich noch schneller heraus. Es dauerte ganze drei Tage, da hatte ich beide Tassen bereits verloren. Ich habe sie irgendwo stehen lassen – und seither nicht mehr wiedergefunden. Vielleicht haben sie ja den Weg in den Tutti-Frutti-Kaffeetassen-Schrank gefunden. Aber finden Sie mal unter 15 weissen Kaffeetassen ihre zwei weissen Kaffeetassen; womit wir beim Anfängerfehler sind und erkannt haben, wieso die Kaffeetassen der Büro-Kaffeetassen-Besitzerinnen ein so auffälliges Erscheinungsbild haben.

Ich musste erkennen, dass ich nicht
gemacht dafür bin, eine eigene Büro-Kaffeetasse zu besitzen, und trat nach nur drei Tagen aus der Büro-Kaffeetassen-
Besitzer-Fraktion aus.

Wissen Sie was: Es war ein bereichernder Entschluss von mir. Das meine ich wiederum wortwörtlich. Kaum habe ich dem Besitztum eigener Küchenutensilien im Büro abgeschworen, entdeckte ich in meinem Büro ein XL-Wasserglas. Es stand da einfach auf meinem Tisch. 
Es kam von ganz alleine zu mir. Ich habe keine Ahnung, wer es hier vergessen hat. Früher oder später wird das Wasserglas im Wasserglas-Schrank über der Büro-
küche landen. Und der eigentliche Besitzer wird nie herausfinden, welches dieser durchsichtigen Wassergläser nun sein persönliches, durchsichtiges Wasserglas war. Und so wird dieses Wasserglas zu einem Allgemeingut-Büro-Wasserglas werden, wie es schon meine Kaffeetassen taten; und alle anderen Küchenutensilien, die sich in der Büroküche angesammelt haben.

 

Stichwörter: Kafipause, Kaffeetasse

Nachrichten zu Fokus »