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Das Internet steckt in der Krise

Unser Dr. Digital erklärt, warum das Internet in der Krise steckt, aber auch stolz auf sich sein kann.

Symbolbild: pixabay.com
  • Dossier

Ich bin jetzt 50 Jahre alt und fühle mich oft müde, ausgelaugt und suche den Sinn meines Lebens. In meinem Alltag dominieren Gewalt, schlechte Laune und Hasskommentare. Was stimmt nicht mit mir?

Das Internet, aus www.

Liebes Internet, wären Sie ein menschliches Wesen, so würde ich spontan auf eine Midlife-Crisis tippen. Aber ich bin kein Arzt und würde es mir auch nicht erlauben, eine Online-Ferndiagnose abzugeben.

In einigen Punkten muss ich Ihnen zustimmen: Die Hasskultur, die unter Ihrer Haut lebt und durch Dummheit, Intoleranz oder auch einfach nur durch die Abwesenheit von Liebe und Geborgenheit schlechte Laune in Ihnen verbreitet, ist ein bedrückender Zustand. Da können Sie noch so viele Katzenvideos zur Ablenkung anbieten, diesen Virus werden Sie nicht mehr los.

Dabei lief in ihrer Kindheit ja alles gut. Durch Sie wurden wissenschaftliche Daten schnell ausgetauscht, der technologische Fortschritt verbreitete sich und die Anhäufung von Wissen, war ein Segen für die Menschen, die Sie kennenlernen durften. In Ihrer Jugend waren Sie dann regelrecht euphorisch und wollten der Demokratie zum endgültigen Durchbruch verhelfen und alle an Ihrer Anwesenheit teilhaben lassen.

Aber in den letzten Jahren haben Sie sich sehr gehen lassen. Soziale Netzwerke, die Sie hervorgebracht haben, wurden unsozial, die freie Meinungsäusserung, die Sie propagierten, wurde mit Hassreden und digitalem Mobbing überschwemmt, und noch lang nicht jeder Mensch hat heute einen freien Zugang zu Ihnen.

Aber, liebes Internet, Selbstkritik ist gut, aber es braucht auch etwas Selbstliebe. Sie haben ganz viele tolle Sachen hervorgebracht: Sie bringen Menschen aus weiter Ferne zusammen, erleichtern die Kommunikation, sind ein sehr guter Freund der Wissenschaft, machen unseren Alltag bequemer, schenken uns tolle Unterhaltungsinhalte und haben meistens die passende Antwort auf viele Fragen parat.

Sie dürfen Ihre erbrachten Leistungen also durchaus auch positiv sehen. Suhlen Sie sich ein bisschen in der Nostalgie. Erinnern Sie sich an Ihre Anfänge, an alle Ideen, die Sie hatten und die Sie auch verwirklichen konnten. Ja, Sie haben da durchaus ein paar Probleme und diverse Bürden, die Sie tragen müssen. Aber auch Sie sind nicht perfekt. Vielleicht sollten Sie zwischendurch auch einfach mal ein bisschen offline gehen. Das würde Ihnen sicherlich sehr gut tun.

Simon Dick beantwortet als Digital-Experte Leserfragen zu Computer, Netzwelt, Soziale Medien und Games.

Haben Sie eine Frage? Schreiben Sie an sdick@bielertagblatt.ch

 


 

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