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Der blaue Riese hat noch lange nicht genug

Facebook wird regelmässig von Datenschützern kritisiert. Das kümmert den Konzern aber wenig. Mit neuen Geschäftsideen wird die Vorherrschaft weiter ausgebaut.

Unersättlich: Facebook hortet mit neuen Projekten noch mehr Daten. Symbolbild: pixabay

Simon Dick

Der blaue Riese ist hart im Nehmen. Immer noch stampft Facebook durch die digitale Welt und sammelt jeden Tag eine Unmenge an persönlichen Informationen. Datenschützer möchten den Koloss schon lange zu Fall bringen, Regierungen möchten ihn auf seinem Vormarsch stoppen. Doch auch wenn der Riese ab und zu wankt und vielleicht auch mal kurz stolpert, fallen mag er nicht. Er stampft weiter und weiter, saugt persönliche Daten von Millionen von Usern auf und festigt mit neuen Ideen seine schier endlose Macht.

Einblicke via Hintertür
Vor ein paar Tagen hat Facebook die Firma Giphy übernommen. Die Plattform für kurze Videoclips respektive animierte Einzelbilder (kurz: GIFs), die in der Onlinekommunikation gerne als emotionale Reaktion gebraucht werden, soll in den hauseigenen Diensten wie etwa Instagram integriert werden. Da Giphy bereits in vielen anderen Apps wie etwa Twitter oder Tiktok integriert ist, kann sich Facebook dadurch nicht nur einen grossen Überblick über die Konkurrenz-Arbeit verschaffen, sondern seine Reichweite und damit den Einfluss zusätzlich vergrössern. Mit dem Kauf von Giphy bekommt Facebook via Hintertür Einblick in das Verhalten von Nutzerinnen und Nutzern. Da der Konzern kein eigenes Betriebssystem wie etwa Google oder Apple besitzt, um das Verhalten der User zu analysieren, kann er sich nun mit dem Giphy-Kauf einen sehr guten Überblick verschaffen.

Wie viel der Einkauf gekostet hat, wollte Facebook nicht kommunizieren. Es dürften aber laut Brancheninsidern mehr als 400 Millionen Dollar gewesen sein. Diese Summe ist im Vergleich zu anderen Übernahmen fast schon ein Schnäppchen. Der Kauf von Instagram kostete 2012 eine Milliarde Dollar, Whatsapp wurde 2014 für 22 Milliarden Dollar gekauft. Somit hat der Konzern wieder mal einen bekannten Kommunikations-Dienstleister geschluckt, der schon jetzt über eine Vielzahl an Benutzerinnen und Benutzern verfügt. Und es dürfte nicht der Letzte gewesen sein.

Online-Handel im Visier
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg will auch den Online-Handel aufmischen. Mit einer neuen Funktion, die bald weltweit verfügbar sein soll, können Händlerinnen und Händler auf simple Art und Weise eigene Online-Shops erstellen, die dann innerhalb des Netzwerks funktionieren. Da Instagram und Whatsapp ebenso zum Facebook-Konzern gehören, werden die Shops auch mit diesen Diensten kompatibel sein respektive dort integriert werden und somit die Reichweite um ein Vielfaches erhöhen. Wie das genau aussehen soll, hat Facebook noch nicht verraten.

Mit dem Online-Handel-Projekt möchte Zuckerberg vor allem den kleinen Unternehmen unter die Arme greifen, die während der aktuellen Coronakrise besonders leiden und online ums Überleben kämpfen, heisst es von offizieller Seite. Den Gedanken, einen Online-Shop innerhalb von Facebook aufzubauen, hatte Zuckerberg angeblich schon lange. Doch erst durch die weltweite Coronakrise habe er sich dazu entschlossen, dieses Projekt zu priorisieren, sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

Zuckerberg meint es ernst und drückt ordentlich aufs Gaspedal. Denn bereits konnten innerhalb des Netzwerks die ersten Online-Shops erstellt werden. Während wir in der Schweiz noch etwas warten müssen, ist ein Online-Einkauf via Facebook in Deutschland schon teilweise möglich. Die Einrichtung der Shops ist für die Händlerinnen und Händler kostenlos. Gebühren werden nur für die Bezahlfunktionen verlangt. Ein grosser Zulauf während der anhaltenden Coronakrise dürfte nur eine Frage der Zeit sein.

Virtuelle Realität im Fokus
Live-Shopping in Verbindung mit Augmented Reality soll laut Facebook eine neue Online-Kauferfahrung bieten, die innerhalb des Netzwerkes stattfinden wird. Damit ist gemeint, dass virtuelle Inhalte auf einem Bildschirm mit realen Bildern, die beispielsweise von der Smartphone-Kamera eingefangen werden, vermischt werden. So kann die Käuferin oder der Käufer zum Beispiel prüfen, ob das Objekt der Begierde in die Vitrine passt, das Bild an der leeren Wand gut zur Geltung kommt oder die neue Sonnenbrille auf der Nase auch wirklich hübsch aussieht.

Facebook will auch weiterhin auf das Zugpferd Virtual Reality setzen. Die eigene VR-Brille Oculus Quest soll in den nächsten Jahren zu einem der wichtigsten Unterhaltungsgeräte werden. Die kabellose VR-Brille scheint momentan aber nicht vom Fleck zu kommen. Es mangelt an Software, die einen Kauf zu Unterhaltungszwecken rechtfertigen. Zwar versichern diverse Facebook-Manager immer wieder, dass es in absehbarer Zeit Spiele und ausgeklügelte Lernsoftware geben wird, die ein noch nie dagewesenes Erlebnis bieten sollen, doch solange kein Vorzeigeprodukt da ist, bleiben solche Aussagen gewöhnliche Marketingworte, die sofort in der Luft verpuffen.

User-Masse bleibt
Facebook wird rund um die Uhr kritisiert. Bei jeder Geschäftsübernahme werden Datenschützer und Verfechter der Privatsphäre laut. Der moralische Zeigefinger wird erhoben, und der Untergang und Mitgliederschwund des Netzwerkes prognostiziert. Doch mit mehr als zwei Milliarden aktiven Mitgliedern weltweit mag der blaue Riese nur mit den Schultern zucken. Der grosse mediale Aufschrei ist zwar in regelmässigen Abständen zu hören, doch die User-Masse hat sich von Facebook noch nicht abgewendet. Im Gegenteil: Das Netzwerk wächst ständig weiter, auch wenn der Nachschub an Mitgliedern nicht mehr so gross ist wie in den Jahren nach der Startphase.

So stampft der Riese also munter und seelenruhig weiter, leibt sich hungrig immer wieder ein Unternehmen nach dem anderen ein, hortet Daten, als ob es kein Morgen gibt, und lässt sich vorerst von niemandem aufhalten.

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