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Unterhaltung

Ein virtueller Popstar erobert die Musikszene

So gut wie fast alles an Hatsune Miku ist künstlich. Das musikalische Hologramm aus Japan will jetzt mit Bühnenshows auch den Westen erobern und die Musikbranche aufmischen.

Hatsune Miku: Der Popstar kann auf der Bühne schon mal zu einer Riesenfigur mutieren, Bild: Keystone
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Simon Dick

Sie ist sehr jung, wird nie müde und kann blitzschnell ihre Kostüme wechseln. Hatsune Miku ist der perfekte Popstar. Sie ist stets motiviert und hat nie schlechte Laune. Sie hat Tausende von Fans, aber real ist sie nicht. Das quirlige Mädchen entstand vor Jahren in einem Computer, besteht also nicht aus Fleisch und Blut, sondern ist eine Anhäufung von Daten, die perfekt aufeinander abgestimmt sind.

Ursprünglich war sie nur ein Maskottchen der japanischen Firma Crypton Future Media. Diese brachte eine Stimmensoftware auf den Markt, womit man künstlichen Gesang erzeugen konnte. Um den Verkauf mit einem Aushängeschild zu verstärken, kreierte man die virtuelle Figur. Gezeichnet hat das junge Mädchen schliesslich ein Mangakünstler aus Japan. Der Name Hatsune Miku bedeutet sinngemäss übersetzt «erster Klang aus der Zukunft». Symbolträchtiger könnte der Name nicht sein.

Sehr schrill, sehr bunt
Seit 2007 existiert Hatsune Miku nun schon und ist immer noch 16 Jahre jung. Ihre Markenzeichen sind die sehr langen türkisblauen Haare und ihre zwei grossen Kulleraugen. Eine Schuluniform mit Krawatte und ein sehr kurzer Rock bedecken meistens ihren zierlichen Körper. Ein weiteres Markenzeichen sind ihre Kopfhörer, die sie fast immer dabei hat und bei den Fans zu einem Modetrend wurden, dem sie fleissig nacheifern. Ihre weiblichen und männlichen Fans kostümieren sich ebenfalls wie ihr Musikidol auffallend schrill und sehr bunt und haben meistens neonfarbige Leuchtstäbe an den Konzerten dabei, um im Takt der Musik mit dem Hologramm zu interagieren.

Mittlerweile füllt der virtuelle Popstar vor allem in Asien riesige Hallen mit Fans, die ihn regelrecht vergöttern. Hatsune Miku ist zum Kult geworden. Begleitet wird sie bei ihren Auftritten meistens von einem realen Orchester, das sie bei diversen Songs unterstützt. Mal huscht sie in gigantischem Ausmass über die Bühne, mal in normaler Grösse. Ihr Repertoire ist riesig und abwechslungsreich. Von einfachen Popsongs bis zu kräftigen Heay-Metal-Stücken hat sie für jeden und jede einen passenden Titel auf Lager. Ihre Stimme klingt dabei alles andere als unrealistisch, denn die Grundtöne liefert ein Mensch aus Fleisch und Blut. Das Grundraster für die Stimme kommt von der japanischen Synchronsprecherin und Sängerin Saki Fujita. Der künstliche Gesang, der auf ihrer Stimme basiert, produziert jedoch eine Software. Ein weiters ausgeklügeltes Computerprogramm kümmert sich dann um den Feinschliff.

Fans kreieren die Musik
Seit 2013 hat Hatsune Miku bereits mehr als 100 000 Popsongs veröffentlicht. Dabei kreieren nicht hauptsächlich die Produzenten der virtuellen Figur immer neue Songs, sondern die riesige Fanbasis erstellt regelmässig eigene Musikstücke und sogar aufwändige Videos mit ihrem Lieblingsstar und stellt diese ins Internet. Mit einer entsprechenden Software ist das sehr einfach gemacht. Per Internet werden täglich Songs hochgeladen, bei denen sich die Produzenten bedienen können. Das sorgt nicht nur für einen immensen Output, sondern bindet auch die Fans noch stärker an das Produkt. Wurde ein eigens produzierter Song veröffentlicht oder darf gar mit einer Darbietung auf der grossen Bühne gerechnet werden, wird man unter den Fans gleich selber wie ein Popstar gefeiert.

Zu Beginn ihrer Karriere hatte Hatsune Miku nur kleine Auftritte in Videos und in anderen Medien in Japan. Doch schnell wurde sie ein eigener Star, wo die Fans immer nach mehr Inhalten dürsteten und sie schliesslich auch selber produzierten. Sie bekam ihre ersten eigenen Musikvideos, hatte Auftritte in japanischen Zeichentrickserien und in Videospielen. Mittlerweile gibt es nichts, was sich nicht auch mit ihrem Antlitz vermarkten oder bedrucken lässt. Von einfachen T-Shirts bis zu aufwändigen, grossen Actionfiguren ist alles dabei.

Lady Gaga ist begeistert
Nach dem Riesenerfolg in Japan folgt nun schrittweise die Eroberung der USA und Europa. In diesen Märkten ist die Fanbasis zwar noch nicht so riesig wie in Asien, aber auch hier und dort pilgern die Fans immer mit Leuchtstäben in den Händen und in Verkleidung an die ersten Konzerte und erfreuen sich an den Darbietungen. In Paris, London und Köln durfte das Hologramm bereits Premieren feiern. Dass Hatsune Miku auch langsam aber sicher zu einer ernsthaften Konkurrenz im realen Musikgeschäft wird, zeigt die Tatsache, dass Pop-Diva Lady Gaga die quirlige Kunstfigur glatt in einer ihrer Bühnenshows auftreten liess.

Tote wiederbeleben
Die Hologramm-Technik ist in der Musikszene eigentlich nichts Neues, um für Aufmerksamkeit zu sorgen. Nach dem Ableben von Michael Jackson hatte der King of Pop bei einer Veranstaltung einen kurzen virtuellen Auftritt auf einer Bühne. Auch der amerikanische Rap-Musiker Tupac wurde für ein Musikvideo aus dem Reich der Toten zurückgeholt und mit einem virtuellen Abbild zum Leben erweckt. Die britische Band Gorillaz kann man auch als virtuelle Popstars bezeichnen. Auch wenn hinter den Figuren 2D, Murdoc Niccals, Noodle und Russel Hobbs seit 1998 echte Menschen stecken, sind die gezeichneten Comicfiguren stets im Vordergrund, wenn sie irgendwo auftreten oder in einem Video ein neues Musikstück präsentieren.

Bei Hatsune Miku ist jedoch so gut wie alles künstlich. Auch wenn die Songs eine echte Stimme als ursprüngliche Quelle besitzen, werden sie künstlich erstellt, verzerrt und optimiert. Die künstliche Figur ist zudem überall und jederzeit für alle verfügbar. Der grösste Pluspunkt dürfte jedoch die enorme Mitmachfunktion sein. Der virtuelle Popstar wird nicht nur von den Fans rege unterstützt, sondern lebt durch diese immer weiter und ist schliesslich jetzt schon unsterblich geworden.
 

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