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Google will die Game-Branche revolutionieren

Es ist ein mutiges Unterfangen: Der Internetgigant Google steigt mit einem Streamingdienst ins Game-Geschäft ein. Aber es gibt noch viele offene Fragen.

«Stadia» wird mit diesem simplen Controller veröffentlicht, Bild: Keystone
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Simon Dick

Die Gerüchteküche brodelte schon lange. Als die erfolgreiche Videospielproduzentin Jade Raymond das französische Unternehmen Ubisoft verliess und bei Google eine nicht näher definierte Arbeitsstelle annahm, war eigentlich schon klar, dass der Technikkonzern in das Game-Business einsteigen will. Letzte Woche hat Google nun den Vorhang gelüftet und an der Entwicklerkonferenz GDC (Game Developers Conference) in San Francisco seinen zukünftigen Streamingdienst «Stadia» vorgestellt.

«Stadia» ist keine herkömmliche Spielkonsole, so wie sie etwa von Sony oder Microsoft angeboten wird, sondern vielmehr ein Online-Dienst, wo man ganz simpel und laut Konzern ganz schnell ein Videospiel konsumieren kann. Man braucht dazu lediglich den hauseigenen Chrome-Browser und schon hat man Zugang zum Spiel. So einfach jedenfalls stellt es sich der Internetgigant vor. Den Google-Browser öffnen, ein Spiel auswählen und sofort loslegen.

Schnelle Verbindung vorausgesetzt
Die Spiele werden also auf keinem Gerät zuhause installiert, sondern warten auf einem Server in einem Datenzentrum, der den Inhalt dann an das Endgerät streamt. Somit kann man den Unterhaltungsinhalt auf dem Computer, dem Smart-TV oder auf dem Smartphone oder Tablet ohne Ladezeiten konsumieren. «Stadia» lässt sich am besten mit dem Serien- und Filmdienst Netflix vergleichen. Jederzeit kann man ganz schnell und simpel auf sein Videospiel der Wahl zugreifen. Was sich sehr einfach und konsumentenfreundlich anhört, hat aber noch seine praktischen Tücken.

Google will Spiele in ganz hoher Auflösung anbieten. Eine 4K-Auflösung (sehr scharf) soll zum Standard werden und später soll sogar 8K (sehr, sehr scharf) folgen. Diese Auflösung braucht natürlich auch eine schnelle Daten-, sprich Internetverbindung. Die flächendeckende Einführung von 5G wäre hier ein wahrer Heilsbringer für die Endkonsumenten. Der Dienst «Stadia» setzt also eine rasche und reibungslose Internetverbindung voraus, wenn vor allem schnelle und intensive Spiele in Echtzeit gestreamt werden sollen. Damit es nicht zu nervigen Unterbrüchen kommt, muss eine sehr gute Online-Infrastruktur bereits vorhanden sein. Ein weiteres Problem: 4K-, geschweige denn 8K-fähige Bildschirme sind noch lange nicht in jedem Haushalt auffindbar.

Etwas zum Anfassen
Videospiele und Medieninhalte allgemein werden immer mehr nur noch digital erworben. Der physische Datenträger ist also auf dem Abstellgleis angekommen. Um dennoch im wahrsten Sinne des Wortes etwas in den Händen zu halten, wurde ein eigener Game-Controller (siehe Bild) vorgestellt. Dieser schlichte, in Weiss gehaltene Controller ist noch keine Revolution, sondern hat die normalen Tastaturen und Steuerungsmöglichkeiten, wie sie auch von der Konkurrenz angeboten wird.

Zwei zusätzliche Knöpfe sorgen aber für Aufmerksamkeit: Mit dem einen kann man den Sprachassistenten «Google Assistant» aufrufen, der dann unter Umständen direkt Tipps zum laufenden Videospiel abgeben wird. Mit dem anderen Knopf sollen die Spielinhalte in Echtzeit direkt auf die hauseigene Plattform Youtube übertragen werden. Dabei soll es auch möglich sein bei einem laufenden Video, das man sich passiv ansieht, auf Knopfdruck direkt beim Spiel mitzumachen.

Fragen über Fragen
Der Online-Dienst soll noch dieses Jahr an den Start gehen und massenweise Menschen rund um den Globus durch Einfachheit an das Medium Videospiel heranführen. Ob er bei uns in der Schweiz auch kommt, ist noch unsicher. Zwar wurde Europa als Launch-Gebiet angegeben, aber eine flächendeckende Einführung scheint unwahrscheinlich. Auch über die Kosten schweigt sich Google noch aus. Wie viel ein Abonnement kostet und welche Leistungen genau darin enthalten sind, darüber will man erst im Sommer informieren.

Bei allen technischen Grundpfeilern darf natürlich das Wesentlichste nicht fehlen. Welche und wie viele Spiele denn nun auf «Stadia» zum Start zur Verfügung stehen, ist auch noch nicht bekannt. Bekannt ist nur, dass der Gamegigant Ubisoft für Inhalte sorgen wird. Bereits im letzten Jahr war es möglich das Spiel «Assassin’s Creed: Odyssey» per Chrome-Browser direkt online zu spielen. Diese eine geglückte Übung soll nun verfestigt und zum Vorzeigemodell für schnelles und bequemes Spielen werden. Welche weiteren Spiele der französische Entwickler genau anbieten möchte, ist aber auch nach der Präsentation immer noch unklar. Auch der kommende Ego-Shooter-Hit «Doom: Eternal» von Bethesda wird via «Stadia» spielbar sein. Dass Google es mit dem Einstieg in die Game-Branche wirklich ernst meint, zeigt zudem der Fakt, dass das Unternehmen gleich ein eigenes Entwicklerstudio mit dem Namen «Stadia Games and Entertainment» eingerichtet hat. Dort werkelt man aktuell an hauseigenen Inhalten, um die Masse zu erfreuen.

Das Lineup der bis jetzt angekündigten und gezeigten Videospiele ist also noch sehr, sehr klein. Auch wenn man mit neuster und revolutionärer Technik auf Kundenfang geht, steht und fällt in der Game-Branche jede neue Spielkonsole, sprich jeder neue Dienst, mit der Anzahl und Qualität der Startspiele. Und davon ist bis jetzt weit und breit noch gar nicht viel zu sehen.

Keine Revolution
So revolutionär die Streamingtechnik im Game-Sektor scheint, sie ist es nicht. Konkurrenten wie etwa Sony oder Microsoft bieten schon seit längerer Zeit solche Dienste und Plattformen an, wo man gegen eine Abogebühr Zugriff auf eine grosse Spielbibliothek bekommt. Dass in den Streamingdiensten und Cloud-Technologien die Zukunft der Game-Branche steckt, ist allen Beteiligten bekannt. Doch bis jetzt hat sich noch kein grosser Anbieter getraut, komplett auf diese Technik, diesen Distributionsweg zu setzen. Da ist die Film- und Serien-Industrie bereits einen sehr grossen Schritt weiter.

Eine physische Spielkonsole und Datenträger zum Anfassen werden auch mit der kommenden neuen Hardware-Generation, die mit grosser Wahrscheinlichkeit in diesem Sommer von Sony und Microsoft vorgestellt wird, weiterhin noch zum Gesamtbild dazu gehören. Aber der reine digitale Weg, um Spiele online zu verbreiten und zu kaufen, wird weiter zunehmen. Die Idee eines Spieldienstes, der auf einer Streaming-Technologie basiert und kein Endgerät für Spielediscs – sprich Datenträger – benötigt, ist also nicht neu. Dass ein Hersteller und Neuling wie Google aber ausschliesslich auf Streaming setzt, ist sehr mutig und fortschrittlich.

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