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Todesfall

Kampf um digitale Beisetzung

Wer kümmert sich um das digitale Erbe nach dem Tod einer Person? Was passiert mit den zahlreichen Daten, die im Netz herumgeistern? Die digitalen Bestatter sind auf dem Vormarsch.

Auch wenn Profile gelöscht werden können, bleiben die Daten irgendwo auf einem Server bestehen, Bild: Keystone

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Haben Sie schon über Ihr digitales Erbe nachgedacht?





Simon Dick

Niemand denkt gerne an den eigenen Tod. Wenn wir sterben, hinterlassen wir nicht nur Familienangehörige, Mobiliar und Unterlagen,  sondern auch Daten, die auf Endgeräten lagern und im Internet herumschwirren. Profile in Sozialen Netzwerken, viele Accounts auf Websiten, die wir längst vergessen haben, existieren nach dem Ableben weiter. Immer mehr Menschen besitzen eine digitale Persönlichkeit, die Spuren hinterlässt. Jedes Jahr sterben weltweit rund 375‘000 Facebook-User. Die meisten Profile bleiben im Netz bestehen, da sich niemand um sie kümmert.

Boom in Amerika
Hier kommen die sogenannten Digitalen Bestatter zum Einsatz. In Amerika boomt dieser neue Berufszweig. Webseiten wie Assetlock.net, Deathswitch.com oder Legacylocker.com kümmern sich vorwiegend um das digitale Erbe. Dort können von Usern Passwörter hinterlegt werden und detaillierte Anweisungen, für den Fall, dass man stirbt. Vertrauenspersonen müssen den Todesfall bestätigen, danach beginnt die digitale Beisetzung. Auf Deathswitch.com gibt der User selbst in bestimmten Intervallen ein Passwort ein. Wenn es einmal ausbleibt, wird das Todesprogramm gestartet und die Accounts werden gelöscht.

Nach der digitalen Bestattung, dem Löschen von Accounts, kommt das digitale Nachleben, das in Deutschland mit Trauer.de einen Grosserfolg feiert. Diese Website ist eine Art Facebook für Tote. Die schlichte Seite bietet Traueranzeigen online an und einen Ort, wo man um die Verstorbenen trauern kann. Die Website Stayalive.com bietet die kuriose Dienstleistung, sich online zu verewigen. Mit dem Anlegen von Fotos und anderen persönlichen Daten kann man sich digital unsterblich machen.

Bedürfnis in Biel bekannt
Die Problematik und das Bedürfnis der digitalen Hinterlassenschaft ist auch den Bestattungsunternehmen in der Region bekannt. Philipp Messer von Storz Bestattung in Biel kennt das Bedürfnis: «Wir sehen diese Aufgabe eher bei einem Willensvollstrecker, als bei einem Bestatter. Der Willensvollstrecker kann diese Dienstleistung anbieten». Der Willensvollstrecker hat unter anderem die Aufgaben, die ganze Erbschaft zu verwalten, bestehende Verträge des Verstorbenen zu kündigen und den Willen des Toten zu vollziehen.

Die volle Kontrolle
Google kämpft gegen den Trend der digitalen Bestatter. Der Internetgigant sieht sich immer mehr mit dem digitalen Tod der User konfrontiert. Daher bietet das Unternehmen die Funktion eines sogenannten Kontoaktivität-Managers an. Diesen findet man unter den Einstellungen des Google-Kontos. Dort kann man bestimmen, was nach dem Tod mit seinen Google-Mails und Google+-Account passiert. Es besteht die Möglichkeit die Daten nach einem festgelegten Zeitraum automatisch zu löschen. Oder der User wählt eine Vertrauensperson, die vom System die Login-Daten für die Dienste erhält. Der Kontoaktivität-Manager kann für die Google-Dienste Gmail, Google Drive, Picasa und Google+ verwendet werden. 

Daten bleiben auf Servern
Wer bei der Hinterlassenschaft den Facebook-Zugang nicht hinterlegt, wird immer noch im Netzwerk sein. Wenn jedoch die Hinterbliebenen eine Sterbeurkunde schicken, wird der Account gelöscht. Dennoch ist unsicher, was mit all den Daten passiert. Auch wenn das Profil gelöscht wurde, bleiben Fotos etc. auf einem Server. Dieser Hinweis liest sich in den Guidelines: «Aus technischen Gründen können Kopien von Material eventuell in unseren Servern gespeichert bleiben». Dieses Material soll vollständig von den persönlichen Identifizierungsmerkmalen getrennt sein und Personen haben keinen Zugriff. Ein mulmiges Gefühl bleibt. Die Garantie, dass alle Daten aus dem Netz verschwinden, bleibt aus.

Facebook bietet auch die Möglichkeit, das Konto eines verstorbenen Nutzers in den Gedenkzustand zu versetzen. Dort können von Freunden gemeinsame Erinnerungen geteilt werden. Beiträge des verstorbenen Users bleiben vorhanden und sind für das Publikum, mit dem sie geteilt wurden, sichtbar. Das passive Profil taucht bei «Personen, die du vielleicht kennst», aus pietätsgründen nicht mehr als Vorschlag auf. Um ein Konto in den Gedenkzustand zu versetzen, müssen sich nachgewiesene, unmittelbare Familienangehörige an die Administratoren wenden. 

Beim Sozialen Netzwerk Twitter ist ein Gedenkzustand nicht möglich. Dafür kann man den Account ganz simpel löschen lassen, indem man Zugangsdaten einer Vertrauensperson hinterlässt.

Problemfall iTunes
Komplizierter wird es mit den herunter geladenen Daten auf iTunes. Was passiert mit den Songs  oder Filmen nach dem Tod einer Person? Kann man die komplette digitale Musiksammlung vererben?  Wer die Geschäftsbedingungen von iTunes genau durchliest, erkennt, dass man beispielsweise ein Musikalbum nicht wirklich im herkömmlichen Sinn kauft, sondern nur ein eingeschränktes Nutzungsrecht erwirbt, das mit dem Tod des Kunden endet. Lizenzen sind nicht vererbbar. Wer sich aber nach dem Ableben einer Person direkt an iTunes wendet, den Totenschein beilegt und sich als Erbe ausweisen kann, hat in der Regel sehr gute Chancen, dass sämtliche iTunes-Inhalte, die erworben wurden, auf den Erbbegünstigten übertragen werden.

Daten im digitalen Nirvana
Dass nach dem eigenen Tod seine digitale Persönlichkeit online noch herumgeistert, ist vielen nicht bewusst. Gerade bei jüngeren Usern wird die Verflechtung von realem und digitalem Leben nicht hinterfragt. Der Digitale Bestatter existiert in der Schweiz (noch) nicht. Ein potentieller Markt wäre aber durchaus vorhanden. Denn wenn der User selber nichts unternimmt, bleiben sein Profil und andere Daten im digitalen Nirvana weiter auf ewig bestehen.

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