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Mit Referendum gedroht

TV Telecombetreiber wollen die umstrittenen Regeln fürs zeitversetzte Fernsehen nötigenfalls mit einer Volksabstimmung bekämpfen.

Werden die Werbeblöcke übersprungen, entgehen den TV-Anstalten Einnahmen. Bild: Pixabay

Jon Mettler

Ob hohe Roamingtarife, unfreiwillige Abowechsel oder unsinnige allgemeine Geschäftsbedingungen – die Stiftung für Konsumentenschutz geht mit Swisscom, Sunrise, Salt und UPC stets hart ins Gericht, wenn sie die Rechte der Nutzer verletzt sieht. Nun tun sich auf einem anderen Gebiet gemeinsame Interessen auf: beim digitalen Fernsehen. Eine Zusammenarbeit zwischen Telecomanbietern und Konsumentenschutz scheint denkbar, um gesetzliche Vorgaben zu Replay-TV in einem gemeinsamen Kraftakt zu kippen.

Darum geht es: Zeitversetztes Fernsehen erlaubt es dem Zuschauer, einen Sendetermin bewusst zu verpassen und den Beitrag Stunden später noch nachzuschauen. Dank dieser Funktion können auch Werbeblöcke überspult werden. Das hat die Lobby der Fernsehanstalten auf den Plan gerufen. Sender wie SRG, ARD, ZDF und RTL befürchten sinkende Werbeeinnahmen.

Dieses Argument scheint die Rechtskommission des Nationalrats überzeugt zu haben. Das Gremium will im dafür vorgesehenen Urheberrechtsgesetz verankern, dass die Anbieter von digitalem Fernsehen die Zustimmung jedes einzelnen Senders für Replay-TV einholen müssen.

Die Telecombetreiber und der Konsumentenschutz warnen vor steigenden Preisen für digitale TV-Angebote, da die Fernsehstationen eine Entschädigung fürs Weiterspulen bei der Werbung verlangen würden. Und die Anbieter würden diese Preiserhöhungen auf die Konsumenten überwälzen.


Der Widerstand wächst
So weit will es die Telecombranche nicht kommen lassen. Wie diese Zeitung erfahren hat, erwägen bedeutende Verbände das Referendum gegen das Urheberrechtsgesetz, sollte das Parlament die Regeln für Replay-TV grundlegend verändern. Suissedigital, Swissstream und die Digitale Allmend überlegen eine gemeinsame Plattform, um als letztes Mittel das Stimmvolk und damit die Konsumenten über das Gesetz entscheiden zu lassen.

Suissedigital ist der Dachverband der Kommunikationsnetze. Ihm gehören in erster Linie Kabelnetzbetreiber an, etwa UPC und Quickline. «Wir können uns gut vorstellen, bei der Lancierung eines Referendums mitzuwirken», sagt Verbandssprecher Matthias Lüscher.

Swissstream vertritt die Interessen der Schweizer Streaminganbieter. Swisscom, Sunrise und Salt sind namhafte Mitglieder. «Ein Referendum ist ein realistisches Szenario», sagt Geschäftsführer Alexander Schmid. Bei der aktuellen Stimmungslage in der Bevölkerung sei er zuversichtlich, dass die nötigen Unterschriften innert nützlicher Frist zustande kämen. Ein Referendumskomitee hat 100 Tage Zeit, um 50 000 beglaubigte Signaturen zu sammeln.

Auf dem Schweizer Markt liefern sich die Mitglieder von Suisse­digital und Swissstream einen erbitterten Konkurrenzkampf, doch bei Replay-TV spielen Befindlichkeiten keine Rolle. Der Verein Digitale Allmend wiederum setzt sich dafür ein, den öffentlichen Zugang zu digitalen Gütern und deren Weiterentwicklung zu sichern.

Der Konsumentenschutz sichert Unterstützung zu. «Wir würden bei einer Unterschriftensammlung mithelfen», sagt Geschäftsleiterin Sara Stalder. «Die Federführung könnten wir aus Ressourcengründen aber nicht übernehmen.» Den Vorwurf, sich für die Sache der Branche einspannen zu lassen, weist Stalder zurück. «Wir setzen uns für die Anliegen der Konsumenten ein und wahren dazu strikt unsere Unabhängigkeit.» Das bedeute, mit allen Seiten zu sprechen.

Der Nationalrat befasst sich voraussichtlich in der anstehenden Wintersession mit dem Urheberrechtsgesetz und Replay-TV. Danach geht das Gesetz zur weiteren Bereinigung in den Ständerat. Erst wenn beide Kammern zugestimmt haben, treten mögliche Vorgaben fürs zeitversetzte Fernsehen in Kraft.


2019 sind Wahlen
Verbände und Konsumentenschutz sind zuversichtlich, dass die Parlamentarier die umstrittenen Passagen im Gesetz kippen oder lockern. Beide Akteure verstärken derzeit die Lobbyarbeit, um die Vertreter von Volk und Kantonen in Bern von einer konsumentenfreundlichen Linie bei Replay-TV zu überzeugen.

Druckmittel gibt es. 2019 finden wieder eidgenössische Wahlen statt. Sara Stalder kündigt an, dass der Konsumentenschutz deswegen das Abstimmungsverhalten der Parlamentarier beim Urheberrechtsgesetz genau verfolgen werde. «Wir halten unsere Mitglieder und die Öffentlichkeit auf dem Laufenden, wer in dieser Angelegenheit wie abgestimmt hat.» So könne sich der wahlberechtigte Konsument selber ein Bild machen, wem er seine Stimme gebe.

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