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Schauspieler sind nicht nur in den Filmen aktiv

Die Filmindustrie und die Videospielbranche rücken näher zusammen. Während es schon lange Filme über Videospiele und Videospiele über Filme gibt, sorgt ein neuer Trend für Stirnfalten. Echte Schauspieler tauchen vermehrt in Videospielen auf und haben dort eine tragende Rolle. Der grosse Unterschied zwischen echten Menschen und digitalen Abbildern ist kaum mehr erkennbar.

  • 1/8 Norman Reedus in "Death Stranding", alle Bilder: zvg
  • 2/8 Norman Reedus in "Death Stranding"
  • 3/8 Norman Reedus in "Death Stranding"
  • 4/8 Kevin Spacey in "Call of Duty: Advanced Warfare"
  • 5/8 Kevin Spacey in "Call of Duty: Advanced Warfare"
  • 6/8 Shawn Ashmore in "Quantum Break"
  • 7/8 Willem Dafoe in "Beyond: Two Souls"
  • 8/8 Ellen Page in "Beyond: Two Souls"
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Simon Dick

Auf der grossen Leinwand im dunklen Kinosaal flimmert vor dem Hauptfilm ein Trailer. Soldaten rennen über ein chaotisches Schlachtfeld. Um sie herum explodieren Häuser. Flugzeuge stürzen ab. Menschen sterben. Nahaufnahmen zeigen die entsetzten Gesichter  von Kameraden. Doch etwas stimmt nicht. «Diesen Film muss ich dann unbedingt sehen», sagt der Sitznachbar. Doch er irrt sich. Die Vorschau macht keine Werbung für einen kommenden Kriegsfilm, der in den Lichtspielhäusern die Zuschauer unterhalten soll. Der Trailer macht Werbung für ein neues Videospiel. Die gezeigten Szenen und die Personen auf der Leinwand sind keine echten Schauspieler, sondern animierte Figuren. Die Verwirrung ist perfekt.

Durch den technischen Fortschritt ist es heute möglich, perfekt animierte Gesichter in einem Videospiel zu zeigen. Zwar ist der Unterschied zwischen realem und digitalem Gesicht nach genauem Hinsehen immer noch erkenntlich, doch die Grenzen zwischen den beiden Medien vermischen sich immer mehr. Fotorealismus ist noch nicht erreicht, aber es wird nicht mehr lange dauern, bis man den Unterschied zwischen Realität und virtuellem Abbild kaum mehr erkennt.

In eine künstliche Welt versetzt
Im kommenden Videospiel «Death Stranding» des japanischen Star-Entwicklers Hideo Kojima hat Schauspieler Norman Redux, bekannt aus der erfolgreichen Zombie-Serie «The Walking Dead» eine Hauptrolle. Auch Mads Mikkelsen, der zuletzt in «Rogue One: A Star Wars Story» überzeugte, hat im kommenden Game-Blockbuster eine dramaturgisch wichtige Rolle erhalten. Schaut man sich den Trailer von «Death Stranding» an, hat man auf den ersten Blick das Gefühl, als ob man Szenen aus einem Film vor sich hat. Die Figuren bewegen sich lebensecht. Gestik und Mimik überzeugen. Doch es sind animierte Bilder. Das bedeutet, die beiden Schauspieler haben vor einer normalen Kamera agiert und wurden dann anschliessend digital bearbeitet und in eine künstliche Welt portiert. «Death Stranding», das darf man bereits jetzt behaupten, wird zwar tricktechnisch wegweisend sein und die beiden Erzählmedien noch enger miteinander verbinden, doch der Trend, dass Schauspieler auch in Videospielen ihre Auftritte haben und darin wichtige Rollen spielen, hat sich schon etwas länger abgezeichnet.

Der berühmte Schauspieler Kevin Spacey hat beispielsweise im Actiontitel «Call of Duty: Advanced Warfare» ebenfalls eine wichtige Rolle erhalten. Kevin Spacey mimt darin den Geschäftsführer eines privaten Militärunternehmens. Wie in der Erfolgsserie «House of Cards» spielt er einen kaltblütigen Mann, der gerne über Leichen geht. Auch er wurde 2014 im Nachhinein digitalisiert und für Zwischensequenzen ins Spiel integriert. Das Ergebnis ist  verblüffend: Wüsste man es nicht besser, würde man meinen, dass hier ein echter Mensch über den Bildschirm flimmert.

Die Liste von Schauspielern, die mit dem Medium Videospiel Geld verdienen, lässt sich erweitern: Im interaktiven Thriller «Beyond: Two Souls» wurden Ellen Page und Willem Dafoe integriert, während in «Quantum Break» gleich eine ganze Starriege anwesend war: Shawn Ashmore, Aiden Gillen, Lance Reddick und Dominic Monaghan agierten vor der Kamera und wurden nachträglich mit spezieller Tricktechnik eingefügt (siehe Zweittext unten).

Das Spiel «Quantum Break» ging sogar noch einen Schritt weiter: Anstatt ausufernde, wie üblich animierte Zwischensequenzen auf den Spieler loszulassen, wurde gleich eine eigene kleine TV-Serie zusätzlich gedreht. Die Filmaufnahmen wurden dann jeweils zwischen den einzelnen Kapiteln im Spiel gezeigt. Nachdem die Spieler also aktiv in der künstlichen Welt agierten, folgten reale Filmaufnahmen mit den Schauspielern. Die perfekte Verschmelzung zwischen dem Medium Videospiel und Film begeisterte Spieler als auch Kritiker weltweit, auch wenn narrativ keine grosse Glanzleistung präsentiert wurde.

Für Schauspieler ist die Mitwirkung in einem Videospiel, auch wenn sie nur das Gesicht und einzelne körperliche Bewegungen zur Verfügung stellen, sehr lukrativ. Die Dreharbeiten sind meistens kurz, nicht so sehr aufwändig und ausufernd wie bei einer Filmproduktion und wenn das Vertragliche stimmt, ist die finanzielle Entschädigung bei hohem Verkaufserlös des Videospiels gigantisch. Zudem hat die Videospielindustrie die Filmindustrie schon lange abgelöst, wenn es um die jährlichen Einnahmen geht. Die Game-Branche hat die Film-Industrie schon vor Jahren abgehängt und macht pro Jahr viel mehr Millionen als Hollywood und seine Traumwelten. Das haben auch die Schauspieler längst bemerkt und liebäugeln immer mehr mit dem interaktiven Medium, das ohne weitere Probleme ein Milliardenpublikum erreichen kann.

Bekannte Stimmen im Ohr
Schauspieler sind nicht nur vor der Kamera aktiv, sondern leihen den virtuellen Figuren in den Videospielen oft auch nur ihre markante Stimme. Ein Paradebeispiel für eine Vielzahl von bekannten US-Schauspielern, die sich für ein Videospiel verpflichtet haben, ist das Batman-Videospiel «Arkham Knight». Der Charakterdarsteller Jonathan Banks, den man aus der Erfolgsserie «Breaking Bad» kennt, leiht dem berühnmten Commissioner James Gordon seine Stimme. Ashley Greene, bekannt aus der «Twilight»-Saga spricht Barbara Gordon, seine Tochter. Der charmante John Noble, bekannt aus der Science Fiction-Serie «Fringe» spricht den Psychopathen Scarecrow und begeisterte damit zahlreiche Fans rund um den Globus.

Auch in Deutschland sprechen immer häufiger bekannte Schauspieler in Videospielen diverse Rollen: Moritz Bleibtreu spricht zum Beispiel den Helden Rico Rodriguez im Actiontitel «Just Cause 3». Und im Abenteuer «Dishonored 2» leiht der berühmte Manfred Lehmann, der auch die deutsche Stimme von Bruce Willis ist, dem Helden Corvo Attano seine Stimme.

Die Eigenständigkeit bleibt
Die Traumfabrik Hollywood ist längst nicht mehr der Hauptlieferant von Unterhaltungsinhalten. Die fetten Jahre sind allgemein für die Filmindustrie definitiv vorbei. Somit muss der Schauspieler oder die Schauspielerin sich etwas umorientieren und liebäugelt gerne mit der Game-Branche, die immer noch stetig wächst und neue Märkte erschliesst. So ist es heute keine Seltenheit mehr, wenn sich grosse Hollywoodstars für eine bekannte Game-Reihe verpflichten und den Zuschauer oder eher den Spieler verwirren. Was ist echt, was ist künstlich? Die Grenzen verwischen immer mehr, auch wenn beide Medien auf ihre Eigenständigkeit pochen.

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Spiel zum Film, Film zum Spiel
Ein Videospiel zu einem Film oder ein Film zu einem Videospiel ist keine Seltenheit mehr. Warum entwickelt man aber ein Spiel zu einem bekannten Blockbuster und umgekehrt? Die beiden Unterhaltungsmedien nähern sich immer mehr an. Die technische Entwicklung in der Videospiel-Industrie hat dafür gesorgt, dass die bewegten Bilder in den Spielen, die oft eine herausragende Qualität und intensive Dichte vorweisen, kaum noch vom Film zu unterscheiden sind. Natürlich sieht der Profi den Unterschied immer noch, doch der Durchschnittsverbraucher kann die Bilder kaum noch einem Medium zuteilen. Es ist somit immer einfacher geworden, die spektakulären Momente in einem Medium auf das andere zu übertragen. Zusätzlich erhofft man sich Werbung und noch höhere Einnahmen durch den Ausbau der Franchise.

In den 90er-Jahren war es an der Tagesordnung, dass Videospiele nur einzelne bekannte Filmszenen aufgriffen und sie als wiederholende Passagen ins Spiel integrierten, um das Filmerlebnis im Kino zu wiederholen. Auch bekannte Musikstücke aus der Filmvorlage wurden übernommen, um die Dramaturgie zu unterstreichen und für bekannte Unterhaltungsmomente zu sorgen.

Mit der technischen Entwicklung konnte die Handlung des Films dann detaillierter übernommen werden. Mit dem Videospiel zum gleichnamigen Film konnte man den Film in abgespeckter Form zuhause nachspielen. Es gibt somit heute Videospiele zu Filmen und Filme zu Videospielen. Dass man diese Inhalte nicht einfach so übernehmen und in das andere Medium übertragen kann, zeigt das jüngste Beispiel «Assassin’s Creed». Die komplexe Geschichte, die im Videospiel viele Stunden braucht, um sich zu entfalten, wurde in den zwei Filmstunden herzlos hinein gequetscht. Da nützen dann schöne Bilder nichts, wenn die erzählte Geschichte auf der Strecke bleibt und Charaktere flach bleiben.

Beide Erzählmedien besitzen immer noch fixe Strukturen, die dafür sorgen, dass die Inhalte beider Medien nicht einfach Eins zu Eins ausgetauscht werden können. Auch wenn sich das die Macher sehr gerne wünschen würden, um erfolgreiche Marken auszuschlachten. sd

Mit dem Ganzkörperanzug vor der Kamera
Künstliche Figuren werden regelmässig für die grosse Leinwand zum Leben erweckt. Das Zauberwort heisst «Motion Capture». Mit diesem technischen Verfahren kann man jede Art von Bewegung einer Person detailliert erfassen und in ein Format umwandeln, das vom Computer dann berechnet wird. Egal ob eine einfach Bewegung mit den Beinen oder detaillierte Mimik eines Menschen, alles kann in eine digitale Version, in eine künstlich erzeugte Figur umgewandelt werden.

Der Schauspieler agiert dabei in einem extra dafür eingerichteten Studio ganz normal vor der Kamera und trägt einen Ganzkörperanzug, der mit vielen kleinen Sensoren ausgestattet wurde, um jede kleinste Bewegung zu registrieren. Alle Daten wandern dann in einem Computer und werden dort verarbeitet und schliesslich in das Videospiel oder in den Film transportiert.

Andy Serkis ist einer der bekanntesten und erfahrensten Schauspieler, die mit dieser Technik arbeiten. Als gruselige Kreatur Gollum in der «Herr der Ringe»-Trilogie sorgte er breits für Aufsehen und hat diverse Preise gewonnen. Im Film «King Kong» schlüpfte er in die Rolle des Riesenaffens Kong. Auch in der neuen «Planet der Affen»-Verfilmung stand der Schauspieler mit vielen kleinen Punkten auf dem Körper vor der Kamera. Im Film «Star Wars: The Force Awakens» schlüpfte er jüngst in die Rolle des finsteren Bösewichts Snoke. Auch hier wurde Motion Capture angewendet. sd



 

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