Sie sind hier

Videogames

Schweizer Politiker interessieren sich für virtuelle Welten

Das Potenzial, um in der Schweiz Videospiele zu produzieren, ist da. Politiker fordern nun, dass der Bundesrat untersucht, wie man die hiesige Game-Industrie fördern kann. Die Branche freut sich.

Vorbild für die Schweizer Game-Industrie: «Minecraft» wurde in Schweden entwickelt und wurde zum gigantischen Verkaufserfolg, Bild: Keystone

von Simon Dick

Die Schweiz besitzt eine sehr kleine, aber feine Game-Industrie. Doch gegen die internationale Konkurrenz hat sie kaum eine Chance. Game-Entwickler in der Schweiz können kaum davon leben. Die Kosten sind zu hoch, die politische Unterstützung fehlt. Ein Vorstoss der Nationalrätin Jacqueline Fehr von der SP verlangt nun, dass sich der Bundesrat mit dem Thema Videospiele intensiv beschäftigt (siehe Interview weiter unten). Mit dem Postulat wird er aufgefordert in einem Bericht das künstlerische, wissenschaftliche und wirtschaftliche Potenzial der hiesigen Game-Industrie zu untersuchen. Kurz: Videospiele sollen Teil der politischen Agenda werden.

Parteiübergreifende Idee
«Dieser Vorstoss ist in zweierlei Hinsicht ein Durchbruch», so Matthias Sala, Verbandspräsident der Swiss Game Developers Association (siehe Zweittext weiter unten). Einerseits ist eine Diskussion über Games in der Politik eine grosse Chance für die Game-Industrie. Andererseits ist es begrüssenswert, dass ein breites Spektrum von Politikern verschiedener Parteien sich für ein Thema einsetzt. Denn neben Jacqueline Fehr (SP) sind auch Lukas Reimann (SVP), Kathy Riklin (CVP), Ruedi Noser (FDP), Balthasar Glättli (Grüne) und weitere Mitunterzeichnende an Bord.

Schwache Schweiz
Die Schweizer Game-Industrie hat Standort-Nachteile: Der Markt ist klein und die Lebenserhaltungskosten sind hoch. Game-Entwickler weichen in andere Städte aus. So ist beispielsweise Berlin ein riesiger Magnet für Entwickler, weil dort die Lebenskosten tief gehalten werden können. Die Schaffung von Spielen ist ein arbeitsintensiver Prozess, der nur in grossen Märkten mit gewisser Infrastruktur funktioniert.

«Im internationalen Vergleich befindet sich die Schweiz in einer politischen Steinzeit», sagt Sala. Finnland, Grossbritannien, Südkorea oder auch Kanada haben seit Jahren eine politische Strategie für die Kreativwirtschaft. Allen voran finden Videospiele dort mehr Beachtung und werden in den politischen Diskurs eingebunden. Um den Anschluss im Wettbewerb nicht zu verlieren, braucht es Anreize, um Investitionssummen an Land zu ziehen.

Potenzial vorhanden
Die Schweiz hat bereits bewiesen, dass auch ein kleines Team ein Game produzieren kann, das sich weltweit verkauft. So hat «Giants Software» aus Schlieren mit ihrem «Landwirtschafts-Simluator» einen Hit gelandet. Das Spiel wurde für zahlreiche Länder übersetzt und für diverse Plattformen umgesetzt. Felder beackern und Kühe halten, kann man nicht nur auf dem PC oder auf dem Smartphone, sondern auch auf der Playstation 4.

Der "Landwirtschaftssimulator" ist ein Schweizer Verkaufshit, Bild: zvg

Schweizer räumen ab
An der weltweit wichtigsten Konferenz für Spielentwickler, der Game Developers Conference (GDC) in San Francisco, räumten die von Pro Helvetia geförderten Schweizer Spiele so viele Awards und Nominationen ab wie noch nie. Die GDC gilt in der Branche weltweit als wegweisend, weil dort jeweils die neuen kreativen Ideen und technologischen Fortschritte der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Zwei von acht Spielen, welche den begehrten «Best in Play»-Award an der GDC holten, stammen aus der Schweiz. So wurden Florian Faller und Adrian Stutz für ihr Plattformspiel «Feist» ausgezeichnet. Ebenso erhält das Züricher Studio «Blindflug Studios» für ihr neues Strategiespiel «Cloud Chaser» diesen begehrten Preis. 

Von Grossen abgeworben
Auch das Abwerben von Schweizer Fachkräften ist keine Seltenheit. So hat der Zürcher Daniel Lutz im letzten Jahr für Schlagzeilen gesorgt. Er schaffte den Sprung nach Montreal, wo er für «Square Enix» arbeiten durfte. Dies ist einer der bekanntesten Gameentwickler weltweit. Dort entstand unter seiner Leitung «Hitman GO», eine Mobile-Version der grossen Game-Franchise «Hitman». Lutz studierte Game-Design an der Zürcher Hochschule der Künste. Auch andere Absolventen werden regelmässig abgeworben, weil es in der Schweiz keine Stellen gibt.

"Minecraft" aus Schweden ist ein Vorbild für die Schweiz, Bild: zvg

Starkes Ausland
Mit den ganz grossen Verkaufsschlagern im Ausland kann die Schweiz aber nicht mithalten. Ein Schwede hat beispielsweise das Geschicklichkeits- und Strategiespiel «Minecraft» fast im Alleingang entwickelt. Dieses Spiel wurde im letzten Jahr vom Technikgigant Microsoft für knapp zwei Milliarden Euro gekauft. Auch Finnland kann Megahits vorweisen: Das kleine Studio «Rovio Entertainment» hat mit «Angry Birds» einen Hit gelandet. Auch das Massenspiel «Clash of Clans» von den Entwicklern «Supercell» stammt aus Finnland und ist eines der meist herunter geladenen Smartphone-Games. Beide Firmen habe bereits mit politischer Unterstützung mehrere Millionen Euro erwirtschaftet. Davon ist die Schweiz noch weit entfernt.

***********************************************
Unterstützung für Spielentwickler
Der Verband Swiss Game Developers Association (SGDA) setzt sich für die Förderung der Schweizer Game-Industrie ein. Der Verband organisiert und veranstaltet regelmässig Events für Spielentwickler. Zudem ist die SGDA Trägerin und Organisatorin des jährlich stattfinden «Swiss Game Awards», bei der jedes Mal das herausragendste Schweizer Spiel mit einem Preis von 2000 Franken gekürt wird.

Die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia fördert seit 2010 künstlerisch anspruchsvolles Schweizer Gamedesign. Pro Helvetia leistet direkt Unterstützungsbeiträge an die Spielentwickler. Zusätzlich leistet sie intensive Öffentlichkeitsarbeit und nimmt an nationalen und internationalen Events teil.

Pro Helvetia unterstützt finanziell regelmässig ausgewählte Schweizer Gameprojekte. Die Beträge belaufen sich von 10 000 bis zu 50 000 Franken pro Spiel, je nach Umfang und Stadium des Titels. Seit 2012 hat Pro Helvetia über ein Schwerpunktprogramm pro Jahr rund 300 000 Franken für die Spielentwicklung bereit gestellt.

Pro Helvetia freut sich, dass die Schweizer Gameproduktion das Interesse von Parlamentarierinnen und Parlamentarier geweckt hat. «Es liegt hier viel Potenzial brach, das der Wirtschaft, der Innovation aber auch der Schaffung von Arbeitsplätzen zu Gute kommen könnte», sagt Sylvain Gardel, Leiter Impulsprogramme von der Pro Helvetia. sd

**********************************************
«Die Schweiz hat grosses Potenzial»


Nationalrätin Jacqueline Fehr (SP) erklärt, warum der Bundesrat einen Bericht zur Schweizer Game-Industrie erstellen soll.

Jacqueline Fehr, was hat Sie zu diesem Vorstoss bewogen?
Jacqueline Fehr: Die Idee ist in einem Gespräch mit einem Vertreter des Verbandes «Swiss Game Developers Association» entstanden. Im Rahmen der Vorbereitungen auf eine Debatte zur Filmförderung habe ich mit ihm Kontakt aufgenommen. Er hat mir in diesem Gespräch die Situation der hiesigen Game-Industrie dargestellt, das grosse Potenzial aufgezeigt und auf die politischen Rahmenbedingungen in den nordischen Staaten hingewiesen. Ich habe daraufhin vorgeschlagen, dass ich das Postulat mache, damit wir dieses Thema auf den politischen Radar setzen können.

Wie dringend ist der Vorstoss für die Schweizer Wirtschaft?
Wenn wir die Entwicklungen in anderen Staaten und insbesondere in den skandinavischen Staaten anschauen, dann ist der Vorstoss dringlich. Die schweizerische Game-Branche bringt alle Voraussetzungen mit, um künstlerisch und wirtschaftlich Erfolg zu haben. Jetzt müssen wir nur noch schauen, dass wir politisch mit klugen Rahmenbedingungen dieses Potenzial nutzen.

Wäre es nicht einfacher dafür zu sorgen, dass die Pro Helvetia mehr Geld spricht?
Die Unterstützung durch Pro Helvetia ist wichtig, aber auf den künstlerischen Bereich beschränkt. Wir brauchen auch Instrumente, die uns helfen, die Produkte auf den Markt zu bringen und international bekannt zu machen.

Wird der Bundesrat den Bedarf untersuchen oder ablehnen?
Ich bin zuversichtlich, dass der Bundesrat das Postulat gutheisst und sich an die Arbeit macht.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Videospielen gemacht?
Ausser virtuelles Jassen spiele ich nichts auf den elektronischen Plattformen. Aber ich lebe mit meinen Söhnen in einem Umfeld, wo Video- und Computerspiele eine selbstverständliche Form der Freizeitbeschäftigung sind.

Interview: sd

Nachrichten zu Digital »