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Industrie

Wenn eine Technikmesse von der Autobranche eingenommen wird

Anfang Januar trifft sich die Technikbranche immer in Las Vegas, um an der Consumer Electronics Show ihre neusten Produkte vorzustellen. Revolutionäre Ideen lassen aber in diesem Jahr auf sich warten. Das freut die Autobranche.

Sonys Elektroauto: Ein Blick in das spartanische und futuristische Innenleben des Prototypen «Vision-S». Bild: zvg

Simon Dick

Die CES (Consumer Electronics Show) im nordamerikanischen Las Vegas ist für Technikbegeisterte stets ein Fest. Kleine als auch grosse Hersteller zeigen ihre neusten Geräte oder Prototypen, mit denen sie hoffen, dass sie aus der Produkteflut herausstechen können. Gemäss Veranstalter stellen über 4500 Aussteller ihre Ware und Ideen auf rund 269000 Quadratmetern aus.

Doch jedes Jahr wird es schwieriger, sich ins Rampenlicht zu stellen und um Aufmerksamkeit zu buhlen. Viele Firmen kopieren einander, die Hardware-Unterschiede sind für den Laien nicht mehr gross unterscheidbar und seit ein paar Jahren nimmt die Autobranche mit ihren Elektromodellen immer mehr Raum ein. In diesem Jahr sind mit Audi, BMW, Mercedes, Fiat-Chrysler, Ford, Honda, Hyundai, GM, Nissan und Toyota die grossen Namen der Branche an der CES vertreten. Dem Veranstalter gefällt das, der Traditionshersteller von simplen Fernsehern sieht aber sein neustes Produkt in der Masse untergehen.

Sony überrascht mit Elektroauto
Die Autobranche hat also die CES für sich entdeckt, um die neusten Elektromodelle und neue Auto-Software zu präsentieren. Der japanische Elektronik-Konzern Sony hat auf der Technik-Messe mit einem eigenen Elektroauto für Überraschung gesorgt. Der Prototyp namens Vision-S soll demonstrieren, welche Möglichkeiten im Hause Sony stecken, sagte Konzernchef Kenichiro Yoshida während der Präsentation. Dazu zählen spezielle Software und Sicherheitstechnik ebenso wie natürlich ein komplettes Entertainmentsystem im Inneren. «Dieser Prototyp verkörpert unseren Beitrag zur Zukunft der Mobilität», sagte Yoshida stolz weiter. Seinen Angaben zufolge hat Sony den Wagen zusammen mit einer ganzen Reihe von Partnern entwickelt – allen voran Magna Steyr aus Österreich, aber auch mit den drei grossen deutschen Zulieferern Bosch, Continental und ZF. Was Sony auf lange Sicht mit diesem Fahrzeug plant, verriet Yoshida jedoch noch nicht.

Der chinesische Hersteller Byton zog ebenfalls die Blicke auf sich. Der M-Byte geht noch in diesem Jahr in die Produktion und wird über einen riesigen 48-Zoll-Monitor im Innern verfügen. Byton hat laut eigenen Angaben inzwischen 60000 Reservierungen für sein erstes Modell bekommen. Das sagte zumindest Mitgründer und Konzernchef Daniel Kirchert auf der Messe in Las Vegas. Byton will den Wagen im Sommer in China bauen und zunächst nur dort auf den Markt bringen. Für 2021 ist dann der Start in den USA und Europa geplant.

Drehbarer Fernseher von Samsung
Mit dem Gerät «The Sero» will Samsung einen drehbaren Fernseher in die Wohnstuben bringen. Das Gerät kann also zwischen horizontaler und vertikaler Bildschirmausrichtung wechseln. So wie man es von einem Smartphone her kennt. Die Display-Schwenktechnik korrespondiert dabei mit den mobilen Geräten der Nutzer, um Inhalte sowohl in traditionellen horizontalen als auch in vertikalen Formaten darzustellen. So können Konsumentinnen und Konsumenten Social-Media-, Youtube- und andere persönliche Videos im Hoch- oder Querformat auf dem grossen Bildschirm im Wohnzimmer geniessen.

Drehbarer Bildschirm: «The Sero» von Samsung kommt bald auf den Markt und wird horizontale als auch vertikale Bildinhalte anzeigen können. Bild: zvg

Der Konzern hatte noch mehr im Gepäck: Samsung werkelt schon lange an einer neuen Displaytechnik, die nun zum Standard werden könnte. Die Micro-LED-Displaytechnik soll bald den Massenmarkt erobern. Die Vorteile sind laut Hersteller die sehr dunklen Schwarzwerte, die trotz Helligkeit jederzeit überzeugen sollen. Eine separate Hintergrundbeleuchtung sei mit dieser neuen Technik unnötig. Kurz: Hier werden die Technik-Vorteile von OLED und LED vereint. Diese neue Bildschirmtechnologie wird in erster Linie aber vorerst nur die Technikfans ansprechen, da dem Durchschnittsanwender kaum Unterschiede auffallen werden.

Kühlschrank mit Garten
Wie immer hat auch die Firma LG neue TV-Modelle vorgestellt. Nicht weniger als acht neue TVs mit unterschiedlichen Grössen sollen neue Käuferinnen und Käufer anlocken. Auffallend dabei ist, dass die Fernseher fast kaum mehr einen sichtbaren Rand besitzen. Natürlich verfügen sie alle über eine 8K-Auflösung, um ganz scharfe Bilder in die Wohnstuben zu bringen. Sehr kundenfreundlich: Die LG-TV-Software ist offen und unterstützt zahlreiche Programme von anderen Herstellern, sodass Software von Amazon oder Google darauf konsumierbar sind. Für den Durchschnittsanwender bleiben diese Geräte aber noch uninteressant, da 8K-Inhalte noch längst nicht zum Standard gehören und es schlicht noch zu wenige gibt. Zudem werden die sehr hohen Preise noch viele abschrecken.

Sehr kurios: LG hat überraschenderweise auch einen neuen Kühlschrank präsentiert, in dem man sogar sein eigenes Gemüse anbauen kann. Eine integrierte Temperatur- und Wasserkontrolle soll das Wachstum jederzeit überwachen. Natürlich kann der Benutzer das Ganze via App verfolgen und kontrollieren. Eigenes Saatgut, Dünger und alles, was es für die Anpflanzung braucht, sollen im Lieferumfang enthalten sein. Dieser smarte Kühlschrank beweist einmal mehr, dass die grossen Konzerne abseits ihrer traditionellen Produkte immer wieder versuchen, neue Märkte zu erschliessen.

Intelligente Anwendungen fehlen
Bei den meisten Herstellern fällt auf, dass sie keine neuen, revolutionären Produkte anbieten, sondern eher das bestehende Sortiment verbessern oder erweitern möchten. Ein Fernseher bleibt ein Fernseher, egal welche intelligenten Zusatzfunktionen er hat oder ob sich der Bildschirm jetzt drehen lässt. Die Geräte zur Unterhaltung sind zwar da, noch fehlt es aber an wahrlich intelligenten Anwendungen und neuen Produkten, die der Mensch im Alltag auch wirklich braucht. Darum fällt es der Autobranche so leicht, die Technikmesse zu erobern und sich selber in den Fokus zu stellen, weil ein Elektroauto früher oder später auf dem Massenmarkt ankommen und eine Bedürfnislücke füllen wird.

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