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Zeitloses Videospiel begeistert immer noch

«Tetris» feiert seinen 35. Geburtstag. Wer hat den Knobelspass eigentlich erfunden und warum ist er immer noch so beliebt? Ein Rückblick auf ein anhaltendes Phänomen der Videospielkultur.

Die erste «Tetris»-Version für die Videospielkonsole NES, Bild: Keystone
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Simon Dick

«Tetris» ist einfach nicht tot zu kriegen. In den vergangenen Tagen ist eine neue Spielversion des zeitlosen Klassikers erschienen. Der Clou beim jüngsten Nachfolger: «Tetris 99» wird gleichzeitig online gegen 98 unterschiedliche Menschen aus aller Welt gespielt. Das Prinzip ist dasselbe wie bei der Urform: Herunterfallende, geometrische Figuren muss man so lange rotieren und nach links oder rechts navigieren, bis sie in eine Lücke passen und sich eine horizontale, lückenlose Reihe bildet. Diese löst sich dann auf und das Knobeln beginnt von vorne. In der Online-Version wird diese sich auflösende Blockreihe aber per Zufallsprinzip an einen Gegner geschickt. Dessen Bildschirm füllt sich schliesslich immer mehr mit den Reihen auf, sofern man nicht selber kontert. Wer alle Mitspieler wegputzt, hat schliesslich gewonnen. Eine knackige Herausforderung, die viele Nostalgiegefühle weckt.

Russische Wurzeln
Das Spielprinzip existiert nun schon seit 35 Jahren. Begonnen hat alles im Frühling 1984 in der ehemaligen Sowjetunion. Der talentierte Programmierer Alexei Paschitnow, der heute seinen 63. Geburtstag feiert, arbeitete damals an der Akademie der Wissenschaften in Moskau und kreierte aus Langeweile seine erste Version für den russischen Computer Elektronika 60. Als Inspirationsquelle diente ihm das Knobelspiel «Pentomino».

Darin muss man mit der Hilfe von zwölf unterschiedlichen Formen gleichgrosse Quadrate herstellen. Das war Paschitnow aber zu kompliziert, zu mathematisch und er kreierte «Tetris», um das Spielprinzip zu vereinfachen. Die Formen, die jeweils aus vier miteinander verbundenen Quadraten bestehen, reduzierte er auf sieben. Diese Spielsteine liess er per Zufallsprinzip ins Spielfeld werfen, um sie zu einer Reihe anzuordnen. Jede Form besteht  aus vier miteinander verbundenen Quadraten, die eine lückenlose Reihe bilden müssen.

Alexei Leonidowitsch Paschitnow: Der «Tetris»-Erfinder feiert heute seinen 63. Geburtstag, Bild: Keystone

Nintendo sorgte für den Durchbruch
1985 programmierte Paschitnow die erste PC-Version und sorgte dafür, dass sich das Spiel verbreitete. «Tetris» fand nun auch jenseits der Sowjetunion seine Fans. Das Potential wurde erkannt, es folgten Versionen für den Apple II und Commodore 64. «Tetris» eroberte nicht nur die Heimcomputer-Szene in Nordamerika und Europa, sondern auch die Spielhallen. Als 1987 auch noch die IBM-PC-Version folgte, witterten viele Geschäftsleute in der noch jungen Videospielbranche das ganz grosse Geld. 1988 kaufte sich die Firma Bullet-Proof Software die «Tetris»-Lizenz und liess verschiedene Versionen umsetzen. Auch die bekannte Nintendo-Konsole NES wurde mit einer Umsetzung im selben Jahr beglückt (siehe Bild ganz oben). 

Der grosse, weltweite Durchbruch geschah aber erst im nächsten Jahr, als Nintendo 1989 den Game Boy auf den Markt brachte. Für diese tragbare Spielkonsole war man fieberhaft auf der Suche nach einem geeigneten Spiel, das man der Verpackung beilegen konnte. Die Wahl fiel schliesslich auf «Tetris». Der Rest ist Videospielgeschichte. Diese eine Version hat sich mehr als 30 Millionen Mal verkauft. Das Videospiel sprach dabei nicht nur Kinder und Jugendliche an. Auch Eltern erlagen regelmässig dem Charme und nahmen ihren Kindern den Game Boy weg, um selber damit zu spielen. Und die kultige Titelmelodie, die auf einem russischen Volkslied basiert, hat sich in so manches Langzeitgedächtnis eingebrannt.

Dreiste Klone und Kopien
Von «Tetris» gibt es mittlerweile mehr als 220 Versionen und Nachfolger. Für mehr als 65 Videospielsysteme wurde das Knobelspiel bereits umgesetzt und landete damit sogar im Guinness-Buch der Rekorde. Natürlich versuchten auch andere Videospielhersteller auf diesen lukrativen Zug aufzuspringen. Es entstanden über die Jahre viele Klone und dreiste Kopien. So versuchte bereits 1989 der Videospielproduzent Sega mit «Columns» einen starken Konkurrenten ins Rennen zu schicken. Doch auch wenn das Spielprinzip simpel und unterhaltsam war, konnte damit nie ein ähnlicher Erfolg erreicht werden.

Als Nintendo selber im Jahr 1990 «Dr. Mario» auf den Markt brachte, war Alexei Paschitnow gar nicht erfreut. Denn das Puzzlespiel vom «Super Mario Bros.»-Konzern war ganz klar der Versuch auf der «Tetris»-Basis ein eigenes Spiel zu kreieren. Der Versuch gelang. Alle die «Tetris» spielten, spielten jetzt auch «Dr. Mario» auf dem Game Boy oder auf dem NES. Doch die hauseigene Lizenz konnte nie mit dem weltweiten «Tetris»-Erfolg mithalten.

Paschitnow werkelte nach seiner ersten Kreation sogar selber an weiteren Puzzlespielen. Aber «Hatris» oder «Welltris» und wie sie alle hiessen, konnten nie auch nur annähernd an den «Tetris»-Erfolg anknüpfen.

Wer besitzt die Rechte?
Damit der Markt nicht mit einer unübersichtlichen Überzahl an Klonen überschwemmt wurde, gründete man 1996 schliesslich The Tetris Company. Die Markeninhaber kontrollieren bis heute ganz genau, welche Spiele mit dem «Tetris»-Prinzip auf den Markt kommen dürfen und welche nicht. Die Firma unterstützt aber auch Spieleentwickler, die eine neue Version verwirklichen wollen. Erst seit damals bekommt Alexei Paschitnow endlich auch teilweise Geld für sein geschaffenes Spielprinzip, da sich vorher die Regierung in der ehemaligen Sowjetunion die Rechte für Jahre sicherte und später nie ganz klar war, wer denn nun die eigentlichen Rechte am Spiel besitzt. Die Lizenz-Geschichte rund um den Knobelklassiker füllt heute ganze Fachbücher und bleibt immer noch nicht ganz geklärt.

Man mag es kaum glauben: Das Videospiel-Phänomen ist immer noch so stark und ein wichtiger Teil der Populärkultur, dass der amerikanische Filmproduzent Lawrence Kasanoff sogar einen «Tetris»-Film erschaffen will, der 2022 in die Kinos kommen soll. Und er hat Grosses vor: Es soll ein Science-Fiction-Film werden, der so komplex wird, dass er daraus gleich eine Trilogie machen will.

Seit 35 Jahren ist «Tetris» nun schon ein wichtiger Bestandteil der Videospielkultur. Das einfache, zeitlose Spielprinzip begeistert mehrere Generationen. Egal ob man auf dem Smartphone oder zu Hause am Bildschirm lückenlose Reihen bildet, das digitale Puzzle fördert den Spieltrieb, trainiert die Gehirnzellen und weckt den Kampfgeist, so dass es auch regelmässig Turniere gibt, wo sich Spielerinnen und Spieler messen. So auch beim neuen «Tetris 99», das zum ersten Mal unterschiedliche Menschen aus aller Welt online miteinander verbindet und zeigt, dass ein Spiel mit 35 Jahren auf dem Buckel immer noch ein Massenphänomen sein kann.






 

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