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Wortsalat

Ein Hasengagu auf die korrekte Grammatik!

Lieber Leser, liebe Leserin: Diese Woche fällt die Kolumne leider aus, und das, obwohl sie schon fast geschrieben war – ein launiges Stück über sprachliche Blähungen, das hoffentlich lustig geworden wäre.

Bild: Matthias 
Knecht
, Sprachgourmand

Solche linguistischen Fürze liegen ja immer dann vor, wenn aus schliesslich das überflüssige schlussendlich wird oder aus aktiv das gestelzte proaktiv. 

Aus der Leserschaft habe ich dazu in letzter Zeit viele Beispiele für unmögliches Deutsch erhalten. Dafür bedanke ich mich ganz herzlich und verspreche, diese demnächst vertieft zu behandeln. Und übrigens freue ich mich über jede Zuschrift. Ehrenwort.

Während ich also diese Woche an der ultimativen Liste der grusigsten Sprachfürze arbeitete, erreichte uns alle die traurige Nachricht vom Tod von Endo Anaconda. Ich bin sicher, Andreas Flückiger – so hiess er bürgerlich – hätte niemals Wörter wie proaktiv verwendet. Nicht nur darum gebührt ihm ein 
Ehrenplatz im Olymp der Schweizer Wortkünstler. Der Mitbegründer von Stiller Has hat in die Mundart-Musik einen Sprachwitz eingebracht, wie man ihn zuvor vielleicht nur bei Mani Matter kannte. Endo Anaconda aber war wilder, gewaltiger, anarchischer. Und doch liess jeder seiner Verse einen feinen Humor und ein grosses Herz erahnen.

Dieses grosse Herz schlägt nicht mehr. Angesichts der erschütternden Nachricht wäre es kleinlich, jetzt an dieser Stelle über korrekte Wortwahl und Grammatik zu schreiben. Darum fällt die Kolumne heute aus. Stattdessen lade ich Sie, verehrte Leserschaft, dazu ein, eine CD von Stiller Has einzulegen und genau hinzuhören. 
Poetischer als Endo Anaconda geht niemand der schönen, grünen Aare entlang. Und treffender als Endo Anaconda im «Znüni» beobachtet niemand Handwerker beim Werken. 
Das ist grosse Sprachkunst!

«So long, Hasi!» haben wir im BT gestern zu seinem Tod getitelt. Sehr treffend! Wer in seinen Liedern Hasen durchs Weltall fliegen lässt und depressiv wie ein verlorener Gagu vom Emmental träumt, der ist entweder völlig übergeschnappt oder er weiss abgründig über unsere Befindlichkeit zu berichten. Bei Endo Anaconda trifft Letzteres zu. Eingängiger und klarer als jeder Gelehrte hat er die Schweiz zur Jahrtausendwende analysiert, im Song «Walliselle»: Im Kopf ist man im schönen Wallis, in der Wirklichkeit in Wallisellen, Synonym für Agglo und Einkaufszentren.

Mehr will ich hier nicht dazu schreiben. Dies hat in der gestrigen Ausgabe bereits der Berner Musikjournalist Ane Hebeisen getan, in einem berührenden Nachruf. Wenn Sie es noch nicht getan haben: Lesen Sie ihn bitte, verehrte Leserinnen und Leser!

Und lieber Endo Anaconda, wenn Du jetzt wunschgemäss im Schweizer Himmel bist und es Dir langweilig werden sollte, schau doch bitte von dort oben, dass wir nicht allzu grusig mit der Sprache umgehen. Und falls wir doch einmal verbale Blähungen absondern sollten, dann sei so nett und wirf einen Hasengagu runter! Wir verstehen dann schon. So long!

Info: Matthias Knecht unterstützt das BT bei der Sprachpflege.


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