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Titelgeschichte

Ein ungehorsamer Offizier

In der Nacht vom 19. auf den 20. Juni 1940, also vor 80 Jahren, überschritten Tausende von französischen und polnischen Soldaten im Jura die Grenze. Briefe des polnischen Hauptmanns Feliks Sitny geben vieles preis – aber nicht seine Fluchtpläne.

Französische Panzer auf dem Zentralplatz:Nach dem friedlichen Grenzübertritt im Jura sorgte das 45. französische Armeekorps am 20. Juni 1940 in Biel für Aufsehen. Bild: zvg/Sammlung Liechti Aeschlimann

Beat Kuhn

Am 10. Mai 1940 startet die deutsche Wehrmacht den Westfeldzug. Zunächst nimmt sie die Benelux-Länder ein: Noch am selben Tag ist das unbewaffnete Luxemburg besetzt, am 14. Mai kapituliert Holland, und am 28. Mai folgt Belgien. Dann überrennen die deutschen Truppen Frankreich, und zwar in einem solchen Tempo, dass sogar «der Führer» Adolf Hitler verblüfft ist. Schon am 22. Juni muss sich die französische Armee geschlagen geben und unterzeichnet einen Waffenstillstand, der am 25. Juni in Kraft tritt.

Riskantes Asyl für Armee

Mitte Juni wird das 45. französische Armeekorps, das bloss noch geringe Munitionsvorräte hat, von deutschen Panzerverbänden eingekesselt und gegen die nordwestliche Grenze der Schweiz gedrängt. In dieser Situation bittet der Befehlshaber des Korps, General Marius Daille, den Bundesrat um die Aufnahme seiner Soldaten. Dieser entspricht der Bitte und bewahrt die Männer so vor deutscher Kriegsgefangenschaft – obwohl diese Aufnahme riskant ist, weil sie Hitler noch mehr provozieren könnte.

Damals herrscht zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reich nämlich «die gefährlichste Spannung während des ganzen Krieges», wie der Schweizer Gesandte in Berlin, Hans Frölicher, nach dem Krieg festhalten wird. Dies, weil die Schweizer Luftwaffe seit dem 10. Mai total elf deutsche Kampfflugzeuge wegen Grenzverletzung abgeschossen hat. Hitler ist darob so in Rage geraten, dass er die Angelegenheit am 9. Juni zur Chefsache erklärt hat – obwohl sie für seinen Krieg eine Nebensächlichkeit ist. Die Schweiz vermeidet damals in besonderem Mass alles, was zu einer weiteren Eskalation führen könnte.

In dieser Grosswetterlage also überschreiten in der Nacht vom 19. auf den 20. Juni – also vor 80 Jahren – etwa 43 000 Soldaten im Raum Saignelégier die Schweizer Grenze, die dort durch den Fluss Doubs gebildet wird. Darunter sind auch rund 13 000 polnische Soldaten. Nach der Niederlage gegen Deutschland im September 1939 kämpfen polnische Soldaten nämlich an verschiedenen Fronten auf alliierter Seite weiter. Die gut 7000 französischen Zivilisten miteingerechnet, die zwischen dem 16. und 21. Juni dort die Grenze überschreiten, kommen somit auf einen Schlag rund 50 000 Flüchtlinge in die Schweiz.

Von der Hölle in den Himmel

Ein französischer Soldat erinnert sich später so: «Es herrscht pechschwarze Nacht. Wir marschieren übermüdet und durchnässt und glauben noch immer, das Pfeifen der Granaten zu hören. Doch seit einigen Minuten sind wir in der Schweiz! Im Dunkeln folgen wir einem schmalen Pfad, der in vielen Windungen in die Tiefe des Waldes vordringt.»

Ein anderer französischer Soldat glaubt fast, aus der Hölle in den Himmel zu kommen:

«Beim Verlassen des Waldes sehen wir auf Soubey. Die Lichter erlauben es, das Dorf in der Nacht zu erkennen. Und auf dem Berg, überall, von allen Seiten, erstrahlen weitere Lichter. Lichter! Seit Monaten wussten wir nicht mehr, was ein nicht verdunkeltes Dorf ist. Unsäglich unsere Freude! Wir kommen aus dem Dunkel, aus einem Albtraum, und gehen der Ruhe, dem Leben entgegen.»

Es ist nicht der erste friedliche Einmarsch einer französischen Armee in die Schweiz: Während des deutsch-französischen Krieges 1870/71 haben zwischen dem 1. und 3. Februar 1871 insgesamt 87 000 französische Soldaten unter dem Kommando von General Bourbaki im Waadtländer und Neuenburger Jura die Grenze überschritten.

Auf der Schweizer Seite des Doubs müssen alle Soldaten ihre Waffen abgeben. Ein Berg von hingeworfenen Gewehren erhebt sich schliesslich. Die Bevölkerung heisst die Soldaten willkommen, wie das «Bieler Tagblatt» damals berichtet:

«In den Grenzdörfern und Grenzstädtchen tat man für die Unglücklichen, was möglich war. Wo die Truppen vorbeizogen, wurden sie mit Getränken bewirtet, mit Kleinigkeiten beschenkt. Am Donnerstag (dem 20. Juni – Anm. d. Verf.), als längst der Strom verebbt war, sahen wir in Tavannes immer noch eine Zeile Mädchen auf den Bänken geduldig der Ankömmlinge harren, in der einen Hand die Tasse oder das Glas, in der anderen den Krug.»

Einzug in Biel

Der Bieler Daniel Andres erinnert sich in seinem autobiografischen Roman «Mösli» noch 2004 sehr genau daran, was er damals gesehen hat, obwohl er noch ein Kleinkind war:

«Ich erinnere mich – ich muss drei Jahre alt gewesen sein –, als endlose Kolonnen von französischen, polnischen und marokkanischen Soldaten eine Nacht und einen Tag lang durch unsere Stadt und unweit unserer Siedlung vorbeifuhren ... Die Peugeot-Autos der französischen Armee gefielen mir wegen ihrer runden Formen, die Marokkaner hatten Turbane auf und einer der fremden Muslime besass ein zahmes Äffchen, das sich in einem Taschenspiegel betrachtete.»

Bei den exotischen Reitern, die den kleinen Buben da besonders faszinieren, handelt es sich um sogenannte Spahis, also um Kavalleristen aus der damaligen Kolonie Französisch-Nordafrika, die die heutigen Staaten Algerien, Tunesien und Marokko umfasste.

Die Soldaten erwidern die Willkommenskultur, die sie erleben, mit Parolen des Dankes. Laut dem BT-Reporter tragen «fast alle Wagen auf dem Neumarktplatz in französischer Sprache Aufschriften wie ‹es lebe die Schweiz›, ‹die Franzosen danken der Schweiz› oder ‹herzlichen Dank für den guten Empfang›».

Grösstes Lager in Büren

Zunächst werden die Truppen in verschiedenen Bieler Schulhäusern untergebracht. Ende Juni werden sie provisorisch auf die Räume Seeland, Napf und Berner Oberland verteilt und kommen dort beispielsweise in Scheunen oder Schulhäusern unter. Die Franzosen werden schon einige Monate später in ihre Heimat zurückkehren können – die Bourbaki-Armee hatte sogar schon nach sechs Wochen heimkehren dürfen.

Die Polen dagegen können nicht nach Hause. Für sie muss eine längerfristige Lösung gesucht werden. Es wird beschlossen, sie in einigen wenigen Lagern unterzubringen. Das grösste, ein Holzbarackendorf westlich von Büren, wird ab Herbst 1940 schrittweise in Betrieb genommen. Es ist auf maximal 6000 Mann angelegt, die es allerdings nie erreichen wird. Umgangssprachlich wird es bis heute als «Polenlager» bezeichnet.

Bald kommt es in dem Lager zu Spannungen – und zwar nicht nur wegen dessen Grösse und der Unterbringung auf engem Raum: Mit seiner Stacheldrahtumzäunung, einem Wachturm und einem nächtlichen Suchscheinwerfer wirkt das Lager wie ein Gefängnis. Ausserdem behandeln die Schweizer Offiziere die durchaus an militärische Disziplin gewohnten Polen zum Teil übermässig hart. Es kommt immer wieder zu Zwischenfällen. Einmal eröffnen die Wachen sogar das Feuer und verwunden zwei Internierte. Schliesslich ändert die Schweiz noch 1941 ihre Strategie und schwenkt um zu einer dezentralen Variante: Die Internierten werden auf Gemeinden im ganzen Land verteilt.

Auch punkto Arbeitseinsätzen kommt es zu einer Änderung. Nach einem anfangs vollständigen Arbeitsverbot sind den Polen zunächst kurze freiwillige Einsätze zugestanden worden. Jetzt werden alle verpflichtet, Einsätze zu leisten. Bis Kriegsende werden von polnischen Internierten in der Schweiz rund 100 Brücken erbaut oder repariert, 500 Kilometer Strassen neu- oder umgebaut sowie über 1300 Hektaren Wald gerodet und 1000 Hektaren Brachland urbar gemacht. Ausserdem werden im Bergbau rund 90 000 Tonnen Material abgebaut.

Briefe durch Zufall erhalten

Von einem der Polen, die vor 80 Jahren in die Schweiz gekommen sind, sind rund drei Dutzend Briefe aus dem Zeitraum Dezember 1940 bis Mai 1942 erhalten. Dass sie noch existieren, ist einem glücklichen Zufall zu verdanken: 2014 wurde das Haus Dufourstrasse 64a in Biel verkauft. Erworben wurde es von der Burgergemeinde Biel, die sich bereit erklärte, es auch gleich zu räumen. Vorgängig durfte sich aber Werner Liechti umsehen, damals Angestellter der Burgergemeinde, der – wie man dort wusste – hobbymässig historische Postkarten aus der Region sammelt.

Liechti hatte doppelt Glück: Einerseits fand er Fotos von der französisch-polnischen Armee während deren Stationierung in Biel, andererseits besagte Briefe von einem Hauptmann Feliks Sitny. Adressatin ist eine 24 Jahre alte, ledige Frau namens Hedy Straub, von der Sitny als seiner «Patin» spricht. Vermutlich hat das Rote Kreuz oder sonst eine Hilfsorganisation solche Briefkontakte vermittelt. Auf diese Weise sollte wohl das Kontaktverbot mit der Zivilbevölkerung gemildert werden, das für Internierte galt.

«Nur ein gutes Herz»

Die Briefe sind französisch geschrieben, obwohl Hedy Straub Deutschschweizerin war. Beim Verfassen brauchte Sitny Hilfe, denn er konnte weder Deutsch noch Französisch. Der bilingue Bieler Werner Liechti hat zu den Briefen, die regionalgeschichtlich bedeutsam sind, auf Deutsch eine Zusammenfassung des jeweiligen Inhaltes gemacht.

Im ersten Brief vom 29. Dezember 1940 dankt Sitny Hedy Straub dafür, dass sie ihn ausgewählt hat. Auf ihre Frage im vorangegangenen Brief, was er brauche, antwortet er: «Nichts, nur ein gutes Herz.» Der 39-Jährige ist Berufsoffizier, verheiratet und Vater einer Tochter namens Barbara, die damals noch ein Kleinkind ist. Im Briefkopf steht Büren als Absendeort.

Am 4. Januar 1941 bedankt er sich für die erhaltenen Handschuhe und Socken, bittet Hedy Straub aber, ihn nicht zu sehr zu verwöhnen. Denn: «Das Leben eines Soldaten muss hart sein, damit er wieder in den Kampf zurückfindet.» Er wolle und könne nicht vergessen, dass der Krieg nicht zu Ende und er verpflichtet sei, weiterzukämpfen.

«Ich habe schon alle Länder Europas gesehen, aber nur in der Schweiz so brave Leute gefunden», schwärmt er am 10. Januar. Er muss Hedy Straub allerdings auch klarmachen, dass er sie nicht besuchen darf. Seit sechs Monaten sei er nun in der Schweiz: erst in Rohrbach im bernischen Oberaargau, seit zwei Monaten in Büren. Im dortigen Lager seien aktuell 1500 Internierte, von denen in jeder Baracke 30 bis 50 untergebracht seien. Der Oberst und fünf Hauptleute – darunter er – seien in einem Hotel im Städtchen einquartiert. Mit 15 Jahren habe er im Ersten Weltkrieg gekämpft, erzählt er, von 1918 bis 1920 «gegen die Bolschewiken» und jetzt im Zweiten Weltkrieg. Er zeigt sich überzeugt, dass «die göttliche Gerechtigkeit» den Alliierten letztlich den Sieg bringen werde.

«Nur an Wein interessiert»

Am 22. Januar berichtet der Offizier, wie er sich nach der Niederlage Polens nach Paris durchgeschlagen habe, wo er am 30. Dezember 1939 angekommen sei. Den Franzosen wirft er fehlenden Kampfwillen vor: «Der französische Soldat hatte keine Lust, sein Land zu verteidigen, sondern war nur an Wein und Vergnügungen interessiert.» Trotzdem will er mit der geschenkten französischen Grammatik nun deren Sprache erlernen.

Am 3. Februar schildert er seinen Alltag. Er arbeite mit seinen Soldaten, um ihnen «eine gute Erziehung zu geben». Dies sei allerdings schwierig, denn die meisten seien nicht jung und fänden das Lernen überflüssig. Fast allesamt seien sie Auswanderer, die mit ihren Familien in Frankreich leben würden. Etliche Polen hätten im Ausland Arbeit suchen müssen, weil ihr Land immer wieder von Feinden zerstört und ausgeraubt worden sei.

Am 10. Februar schreibt er, dass er wegen einer Bronchitis ins Spital-Provisorium Oberbüren eingewiesen worden sei, das dem Lager Büren angegliedert ist und rund 240 Patienten aufnehmen kann. Am 14. März meldet er, dass er von dort ins Spital Biel verlegt worden sei, wo er nun seit drei Wochen liege.

Am 18. Mai rüffelt der Hauptmann seine Brieffreundin: Sie sei zwar eine grossartige Patin, aber nicht sehr gehorsam. Er habe sie doch ausdrücklich gebeten, ihn nicht mehr zu verwöhnen, und nun habe sie ihm erneut Süssigkeiten geschickt. Er schäme sich, diese zu essen, während seine Familie in Not sei – wobei Hedy Straub offenbar auch an seine Frau und seine Tochter Pakete sendet.

«Freund des Nazi-Regimes»

Am 24. Mai teilt er mit, dass er in das neue Lager Jakobsbad verlegt worden sei. Dieses befinde sich in einem abgelegenen Weiler im Appenzellischen. Die Umgebung sei leer und verlassen, klagt er – dies scheine die ärmste Gegend des Landes zu sein. Sie seien dort 32 Offiziere und hätten Aussicht bis zur österreichischen Grenze.

Am 3. Juni klagt er weiter: Sie würden öde wie im benachbarten Kloster leben. Der Hotelbesitzer sei unsympathisch und spare auf Kosten ihrer Mägen. Erst seien sie froh gewesen, Büren verlassen zu können, aber dort sei es besser gewesen. Die Luft in Jakobsbad sei zwar gut, aber er fühle sich schlecht und habe keine Lust mehr zum Arbeiten.

Am 5. Juni ist er «traurig, so weit von Biel weg zu sein». Er fühle sich wie ein Vogel in einem Käfig, so abseits von der Welt und seiner Kompanie. Der Hotelbesitzer sei unsympathisch wie kaum ein anderer Schweizer. Er stelle manchmal den Strom ab, damit sie die polnischen Nachrichten aus London nicht hören könnten. «Der ist ein grosser Freund des Nazi-Regimes.»

Am 22. Juli meldet er, nun sei er im Lager Heinrichsbad. Darüber sei er froh, denn jetzt könnten sie nach Herisau gehen, wo die Leute auch netter seien als in Jakobsbad.

Am 21. September berichtet er, dass er seiner Tochter Schokolade gesendet habe. Sie habe aber geantwortet, dass sie lieber Brot hätte. Das sage viel über die Zustände in Polen aus. «Wenn alles gut geht, werde ich euer schönes Land bald verlassen.»

Am 7. Oktober wird Sitny sarkastisch: Seine Kameraden würden Servietten stricken. Die Waffen seien durch Nadeln ersetzt worden, sie würden den Frauen Konkurrenz machen. «Ob damit der Feind besiegt werden kann, ist eine andere Frage.»

Auf «Ausflug» verhaftet

Am 27. Oktober schreibt er auf einer Militärpostkarte statt auf Briefpapier: In der Woche zuvor habe er mit einem Kameraden «einen Ausflug» nach Lausanne machen wollen – ohne Bewilligung. Leider seien sie aber von der Polizei in Bern gestellt worden. Nun sei er im Internierten-Straflager Kalchrain, in einem Weiler unweit von Frauenfeld.

Am 6. November ergänzt er, dass er wohl drei, vier Monate dort bleiben müsse. Er habe eine Ecke unseres gastfreundlichen Landes entdeckt, die nicht so schön wie andere sei. Und merkt an: «Wissen Sie, dass die fremden Vögel gerne reisen?»

Am 27. November schreibt er, sein gegenwärtiges Leben sei nicht interessant, sondern still und traurig. Sarkastisch fügt er hinzu, dass ihre Sicherheit durch die Gitter und die Schlösser aber gewährleistet sei. Sogar zur Kirche würden sie von bewaffneten Soldaten begleitet. Er fragt Hedy Straub, ob sie schon einmal einen Fusstritt erhalten habe – er leider schon, in der Hauptstadt eines Landes während eines «Ausflugs» nach Lausanne. «Das werde ich nie vergessen.»

Am Neujahrstag 1942 kommt Sitny auf freien Fuss, wie er am 4. Januar frohlockt. Er befinde sich nun im Thurgauer Dorf Braunau in der Nähe des sanktgallischen Städtchens Wil. Am 21. Februar kommt er wieder nach Jakobsbad, nachdem der Standort Braunau aufgehoben worden ist.

Plötzlich Funkstille

Am 14. Mai berichtet Sitny, dass er sich mit einer in der Schweiz niedergelassenen polnischen Familie getroffen habe. Diese hat ihm angeboten, seine Tochter in die Schweiz zu holen. Doch seine Frau stelle sich dagegen. Mit diesem Brief endet der Briefwechsel mit Hedy Straub.

Fast ein Jahr später, am 1. April 1943, kommt allerdings wieder ein Lebenszeichen von Sitny: ein kurzes Telegramm aus London. Alle paar Monate folgt ein weiteres Telegramm, bis zum 30. Juli 1945, sprich über das Kriegsende vom 8. Mai hinaus. Er hat den Krieg also überlebt. Jedes Mal meldet er kurz, dass es ihm gut gehe und dass er seine Frau und seine Tochter grüssen lasse. Aus Dokumenten, die er im Haus an der Dufourstrasse 64a gefunden hat, weiss Liechti, dass Hedy Straub bis Kriegsende Pakete an Sitnys Frau geschickt hat, über eine Basler Handelsgesellschaft von Portugal aus.

Irgendwann nach dem 14. Mai 1942 muss es Feliks Sitny gelungen sein, aus der Schweiz zu fliehen – was im Zweiten Weltkrieg Hunderte von polnischen Internierten versucht haben. Bei den Alliierten weiter gegen Nazi-Deutschland zu kämpfen, war offenbar von Anfang an Sitnys Ziel – und in den Briefen fehlt es ja nicht an Andeutungen. Liechti vermutet, dass schon der angebliche Ausflug nach Lausanne ein Fluchtversuch war.

Sitnys Telegramme kamen aus London. Dort hatte die polnische Exilregierung ihren Sitz, die unter anderem die polnischen Streitkräfte im Westen koordinierte. Laut einer polnischen Wikipedia-Seite, die Liechti aufgestöbert hat, war Feliks Sitny, zum Major befördert, stellvertretender Kommandant der 4. Infanteriedivision der polnischen Streitkräfte im Westen.

Einmalige Begegnung

Hedy Straub hat 1944 Arthur Aeschlimann geheiratet und wurde Mutter von drei Kindern. Der einzige Sohn, Alfred Aeschlimann, der Jahrgang 1952 hat, lebt heute in Aegerten. Von dem Offizier habe er zwar gewusst, doch habe seine Mutter wenig von ihm erzählt, sagt er. Die Frau auf dem Foto (siehe oben links) sei seine Mutter. Sie stehe mit Feliks Sitny am Eingang des Hauses Dufourstrasse 64a. Also haben sich die beiden doch mindestens einmal getroffen. Sie selbst habe ihr ganzes Leben an der Dufourstrasse 64a gewohnt, weil dies schon ihr Elternhaus gewesen sei.

Marek Głuszko, Konsul an der polnischen Botschaft in Bern, hat in Erfahrung bringen können, dass der 1900 geborene Feliks Sitny 1968 gestorben ist. Sein damaliges Töchterchen Barbara ist inzwischen 82.

Stichwörter: 2. Weltkrieg, Jura, Frankreich, Biel

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