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Titelgeschichte

Eine Katze kämpft sich zurück

Lange galt sie als Konkurrentin des Menschen, wurde im 18. und 19. Jahrhundert beinahe bis zu ihrer Ausrottung gejagt. Nun befindet sich die Wildkatze in der Schweiz wieder auf dem Vormarsch. Pro Natura hat sie zum Tier des Jahres 2020 gekürt.

Vor allem der buschige Schwanz ist ein Merkmal, das die europäische Wildkatze von normalen Stubentigern unterscheidet. ZVG/Fabrice Cahez/Pro Natura

von Sarah Grandjean

Sie ist scheu, wachsam und lässt sich nicht zähmen: die Wildkatze, von Pro Natura zum Tier des Jahres 2020 gewählt. Sie sieht Hauskatzen zum Verwechseln ähnlich und ist für Laien daher nur schwer von einer solchen zu unterscheiden. Im Gegensatz zu unseren zutraulichen Stubentigern ist der Tiger der Wälder aber ein echtes Wildtier: jederzeit angespannt und bereit, bei einer Gefahr entweder anzugreifen oder zu fliehen.

Im 18. und 19. Jahrhundert sahen die Menschen in den Wildkatzen Konkurrenten und machten sich auf die Jagd nach ihnen, wodurch ihr Bestand stark dezimiert wurde. Auf Darstellungen aus dieser Zeit wurden die Wildkatzen grösser und gefährlicher dargestellt, als sie wirklich sind. Beispielsweise zeigen Zeichnungen, wie eine Wildkatze ein Reh tötet, was absolut unrealistisch ist.

Mit Sender ausgestattet

In den 60er-Jahren wurde die Wildkatze in der Schweiz unter Schutz gestellt. Seit den 80er-Jahren wird sie hierzulande wieder häufiger nachgewiesen. Lea Maronde, Leiterin des Wildkatzenprojekts der Stiftung Kora, erforscht gemeinsam mit ihrem Team die Lebensweise der Wildkatzen in der Schweiz. Sie will herausfinden, was die Tiere brauchen, um sich wieder ansiedeln zu können, und wie man ihnen allenfalls dabei helfen kann.

Zu diesem Zweck wurden mehrere Wildkatzen in mit Baldrian geköderten Kisten gefangen und mit einem Sender markiert. Das habe gut funktioniert, sagt Maronde, die meisten Tiere fänden Kisten spannend und Baldrian locke sie an. Im vorletzten Winter konnten auf diese Weise im Seeland vier Katzen gekennzeichnet werden, im letzten acht.

Wer eine Wildkatze sehen will, braucht jedoch grosses Glück. Maronde sieht selbst jene Katzen, die sie mit Halsbändern markiert hat, fast nie – obwohl sie immer weiss, wo diese sich aufhalten. Nur einmal konnte sie eines der Tiere während mehrerer Minuten beobachten: Ein Männchen, das auf dem Feld am Jagen war.

Zufällig gefilmt

Die Wildkatze ernährt sich hauptsächlich von Nagetieren wie Wühl- und Schermäusen, hin und wieder frisst sie auch mal ein Reptil oder einen Wasservogel. Eindrücklich zeigt dies ein Beitrag des SRF mit Videoaufnahmen von Stefan Suter. Eigentlich wollte der Wildtierbiologe im Naturschutzgebiet Fanel am Neuenburgersee Wildschweine fotografieren. Doch dann liefen ihm Wildkatzen vor die Kamera, sieben verschiedene Tiere hat er gezählt.

Die spektakulärste Aufnahme ist ihm von einem Weibchen mit Jungen gelungen. Mit einer Stockente in der Schnauze kommt die Katze aus dem Schilf und verschwindet im Wald. Schnitt: Ein Fuchs rennt mit derselben Ente in die andere Richtung davon. Bald taucht wieder die Katze auf, aufgeregt folgt sie dem Fuchs ins Schilf. Eine Stunde später kommt sie mit einer anderen Ente zurück.

Verwaschene Zeichnung

Huscht eine Katze an einem vorbei, ist es selbst für Experten wie Lea Maronde schwierig festzustellen, ob es sich um eine Wild- oder um eine Hauskatze handelt. Kann man sie jedoch in Ruhe beobachten oder hat ein klares Bild von ihr, weist die Wildkatze einige Merkmale auf, die sie klar von der Hauskatze unterscheiden: So hat sie beispielsweise einen schwarzen Aalstrich auf dem Rücken, der dort aufhört, wo der Schwanz anfängt. Dieser ist sehr buschig und ist von mehreren abgeschlossenen dunklen Ringen umfasst. Weitere Merkmale sind eine schwarze Schwanzspitze, sowie vier bis fünf Nackenstreifen und zwei Schulterstreifen. Allgemein sei die Zeichnung bei einer Wildkatze auf den Flanken eher verwaschen, sagt Maronde.

Schwieriger zu unterscheiden sind sogenannte Hybriden, also Kreuzungen aus Wild- und Hauskatzen. Man geht aber inzwischen davon aus, dass es, zumindest in Mitteleuropa, eher selten vorkommt, dass Haus- und Wildkatze sich paaren, sagt Maronde.

Weiter sind Wildkatzen viel scheuer als Hauskatzen. Lange hat man angenommen, sie hielten sich nur in Laubmischwäldern, also in dichten Wäldern mit viel Unterwuchs, auf. Tatsächlich leben sie inzwischen auch manchmal in Kulturlandschaften, in denen Menschen unterwegs sind – vorausgesetzt, es gibt dort genügend Hecken und Büsche, unter die sie sich zurückziehen können.

Weibliche Tiere beanspruchen ein Revier von zwei bis fünf Quadratkilometern, männliche Tiere eines von etwa zehn. Diese Reviere markieren sie mit Urinspritzern, Kot oder Kratzbäumen.

Die grösste Gefahr für Wildkatzen ist der Verkehr. Wenn Gebiete schlecht vernetzt sind, werden die Tiere häufig beim Überqueren der Strasse überfahren. Werden Wälder abgeholzt und vom Menschen stark genutzt, bleibt den Wildkatzen weniger Lebensraum. Natürliche Feinde haben erwachsene Tiere jedoch fast keine. Jungtiere allerdings einige, zum Beispiel Marder, Füchse, Uhus und andere Raubvögel.

Heute ist der Jura von den Wildkatzen grösstenteils wiederbesiedelt. Das konnte unter anderem mithilfe von Fotofallen festgestellt werden, die beispielsweise zwischen Grenchen und Solothurn stationiert waren. Wie viele Wildkatzen momentan in der Schweiz leben, ist nicht bekannt. Vor zehn Jahren gab es eine Erhebung, die mit 150 bis 900 Tieren rechnete. Man könne aber davon ausgeben, dass der Bestand zugenommen habe, sagt Maronde. Ursprünglich war die Europäische Wildkatze in fast ganz Europa verbreitet, ausser in Skandinavien. Heute leben stark fragmentierte Restpopulationen in Teilen Europas. Der genaue Status ist in vielen dieser Teilpopulationen unbekannt.

Weitere Forschung nötig

Viele Experten hatten nicht damit gerechnet, dass sich die Wildkatze in Mitteleuropa so schnell erholen würde. «Katzen sind konservativ in ihrem Abwanderungsverhalten», erklärt Maronde. Anderen Wildtieren wie zum Beispiel Luchsen fällt es viel schwerer, sich auszubreiten. Auch sie wagen sich in neue Gebiete vor, aber bei weitem nicht so schnell, wie die Wildkatze dies getan hat.

Momentan scheint sich die Wildkatze also gut zu erholen. Im Seeland kommt sie wieder häufiger vor und auch in den Voralpen und im Mittelland gibt es bereits vereinzelte Nachweise. Dies sei allerdings eine Momentaufnahme, warnt Maronde.

Man müsse aufpassen, dass es der Art nicht wieder schlechter gehe, so die Expertin. Dazu müssen Wissenschaftler noch mehr über die Wildkatze herausfinden. Denn man weiss noch zu wenig darüber, welchen Lebensraum sie braucht und wie dieser erhalten bleiben kann.

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Die Wildkatze

  • Lateinischer Name: Felis silvestris
  • Ordnung: Raubtiere
  • Familie: Katzen
  • Gattung: Echte Katzen
  • Verbreitung: Jura, Mittelland, nördlicher Alpenraum
  • Merkmale: Dichtes Fell, seitlich verwaschen, buschiger Schwanz mit stumpfem schwarzem Ende und oft mit schwarzen Ringen, rosa Nase, weisse Schnurrhaare, dunkler Aalstrich auf demRücken.
  • Lebensraum: Vorwiegend Wälder, aber auch Kulturland
  • Nahrung: Hauptsächlich Mäuse, aber auch kleine Vögel, Kaninchen, Amphibien, Insekten und Eidechsen
  • Fortpflanzung: Nach 68 Tagen Tragzeit kommen zwischen Ende März und Anfang Juni ein bis acht Junge zur Welt  sg

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Der Schweizer Fisch schlechthin

Sie prangt auf Wappen, wird in Liedern besungen und gilt als einer der beliebtesten Fische in der Schweiz: Die Forelle. Weil auch sie mit den Folgen des Klimawandels kämpft, hat sie der Schweizerische Fischerei-Verband zum Fisch des Jahres 2020 gekürt.

Unter Druck: Der Lebensraum der Forelle schränkt sich immer mehr ein. ZVG/DanielLuther/Schweizerischer Fischerei-Verband

 

von Jana Tálos

Stromlinienförmiger Körper, kräftige Flossen, bunt glänzende Schuppen und jede Menge Punkte – müssten wir einen Fisch beschreiben, hätten wir wahrscheinlich sie vor Augen: die Forelle.

Salmo trutta, wie sie auf lateinisch heisst, ist eine der am weitesten verbreiteten Fischarten in der Schweiz. Egal ob in kleinen Bächen, grossen Seen oder reissenden Flüssen – die Forelle findet sich fast überall zurecht, hat sich über die Jahrhunderte an die unterschiedlichsten Verhältnisse angepasst. Nicht zuletzt deshalb prangt sie auch auf so manchem Gemeindewappen (Stadt Nidau), wird in Liedern besungen («Die Forelle» von Franz Schubert) und kommt in diversen Kindergeschichten, Märchen oder Volkssagen vor. Auch von der Speisekarte eines guten Fischrestaurants ist die Forelle kaum mehr wegzudenken.

Dass der Schweizerische Fischerei-Verband (SFV) sie nun zum Fisch des Jahres 2020 gekürt hat, verdankt die Forelle jedoch weder ihrer Beliebtheit, noch der Tatsache, dass sie in Schweizer Gewässern besonders häufig vorkommt. Im Gegenteil: Die Forelle, so schreibt es der SFV in einer Mitteilung, ist hierzulande immer stärker gefährdet, ihr Bestand rückläufig. «Egal an welche Delegiertenversammlung eines Kantonalverbands ich gehe, überall höre ich, dass die Erträge bei den Forellen zurückgehen», sagt Roberto Zanetti, Zentralpräsident des SFV.

Konkret seien die Erträge in der Schweiz von 1,2 Millionen Stück in den 70er-Jahren auf heute knapp 300 000 zurückgegangen. Ein Bild, das sich auch im Kanton Bern widerspiegelt, wie Daniel Bernet vom kantonalen Fischereiinspektorat bestätigt: So erlebten die Forellenfänge hier seit den 90er-Jahren einen Rückgang von 56 Prozent. «Bei einem Fisch, der früher beinahe im Überfluss aus dem Wasser gezogen wurde, müssen einem solche Zahlen zu denken geben», sagt Bernet.

Lokale Schwankungen

Obwohl die Fangstatistiken ein gutes Indiz für den Zustand einer Fischpopulation sind, sind die Zahlen mit Vorsicht zu geniessen. So ist ihre Aussagekraft immer auch abhängig davon, wie intensiv an einem Fluss oder See überhaupt befischt wird. «Wenn ein Gewässer zum Angeln nicht mehr attraktiv ist, wird dort automatisch weniger gefischt», erklärt Bernet.

In der Schüss etwa, in der das Fischereiinspektorat die Forellen regelmässig mittels Elektrobefischung zählt – die Forellen werden mittels Strom für kurze Zeit in einen narkotischen Zustand versetzt – ist der Bestandesrückgang kleiner als das die Fangstatistiken vermuten lassen. So sind die Forellenfänge in der Schüss seit den 90er-Jahren um ungefähr 50 Prozent zurückgegangen. Die tatsächlichen Bestände halten sich in dieser Zeit dagegen mehr oder weniger konstant, von einigen Schwankungen einmal abgesehen.

Die Diskrepanz zwischen Fangertrag und tatsächlichem Bestand bedeutet jedoch nicht, dass die Forellen in der Schüss nicht ebenfalls unter Druck stehen. «Weil sich die Schüss dank ihrer Grundwasserzuflüsse im Sommer nicht über 16 Grad erwärmt, findet der kaltwasserliebende Fisch hier im Moment noch gute Lebensbedingungen», sagt Bernet. Die letzten Hitzesommer hätten in einzelnen Altersgruppen jedoch deutlich Spuren hinterlassen, grosse Fische, die viel Laich ablegten, seien selten geworden. Letzten Sommer wurden zudem unterdurchschnittlich wenig Jungfische nachgewiesen. «Werden die nächsten Sommer ähnlich heiss und trocken wie die letzten, ist auch in der Schüss mit weiteren Verlusten zu rechnen», sagt Bernet.

Laichplätze gehen verloren

Was das bedeutet, zeigt sich in den ohnehin schon wärmeren Gewässern des Mittellands, beispielsweise in der Alten Aare, wo sich das Wasser im Sommer teils bis auf 26 Grad erwärmt. Solche Temperaturen sind klar zu warm für die Forellen. Sie werden anfälliger auf Krankheiten. Die Überlebenschancen sinken.

Entsprechend decken sich auch die Messresultate des Fischereiinspektorats in der Alten Aare deutlicher mit den Fangstatistiken der Fischer, als etwa in der Schüss: In den letzten Jahren konnten hier nur noch wenige Forellen nachgewiesen werden. Der Rückgang seit den 90ern liegt bei etwa 50 Prozent.

Nebst der Klimaerwärmung machen der Forelle aber noch andere Faktoren zu schaffen: Weil in den letzten Jahrzehnten viele Flüsse begradigt und die Ufer verbaut wurden, findet sie immer weniger geeigneten Lebensraum. Um zu laichen, benötigt sie beispielsweise lockeren und kiesigen Untergrund an Stellen, an denen das Wasser langsam fliesst. Solche Orte sind in den Mittellandgewässern mittlerweile Mangelware. «Durch die verbauten Bach- und Flussböschungen gibt es kaum mehr seitliche Erosionen, die Kies freigeben», sagt Bernet. Zudem werde dem Untergrund vielerorts auch Kies entnommen, wodurch sich die Sohle verfestigt.

Weiter verhindern diverse Querbauwerke wie Stauwehre oder Schwellen, dass die Forellen flussaufwärts wandern können. Besonders der wanderfreudigen Seeforelle, die sich trotz des anderen Namens genetisch nicht von der Bachforelle unterscheidet (siehe Zweittext oben), setzt das arg zu. Geboren in den Fliessgewässern, wandert sie nach ein bis zwei Jahren in den See ab. Sobald sie geschlechtsreif wird, steigt sie wieder in die Flüsse und Bäche ein, um dort zu laichen. Schwellen und Verbauungen versperren ihr dabei den Weg, weshalb sie ihre Laichgründe oft nicht mehr erreichen kann.

Feinde vervielfältigen sich

Und dann wären da auch noch die natürlichen Feinde. Insbesondere der Gänsesäger, eine Vogelart, die in der Schweiz geschützt ist und deren Population sich auf dem aufsteigenden Ast befindet, hat es auf die Forelle abgesehen. Er wandert zunehmend in die noch forellenreichen Gewässer ein, wie beispielsweise in die Schüss oder in die Birs, was für die Fische ein Problem ist.

In den wärmeren Gewässern wird die Forelle zudem immer öfter von einem Parasit befallen, der einst durch den Import von Fischen aus Nordamerika eingeschleppt wurde. Dieser löst bei den Forellen eine sogenannte Proliferative Nierenkrankheit (PKD) aus, bei der die Nieren anschwellen. Erkrankte Fische sterben an Blutarmut und Nierenversagen. Heute ist PKD in fast allen Gewässern in der Schweiz und auch im Seeland zu finden, bis auf die Schüss und die Berner Birs, die dank tiefer Temperaturen bisher verschont geblieben sind.

Dort kämpft die Forelle bisweilen mit anderen Problemen, mit Verunreinigungen oder eben mit dem Gänsesäger. «Es sind so viele Faktoren, durch die diese Fischart bedroht wird», sagt Bernet. Es sei deshalb anzunehmen, dass sich die Forelle in den kommenden Jahren aus noch mehr Gewässern zurückziehen wird.

Stellt sich die Frage, was man tun kann, um die Forellen in der Schweiz zu erhalten. Das kantonale Fischereiinspektorat sowie auch der SFV versuchen es in erster Linie mit Renaturierungen. Daniel Bernet erwähnt etwa die Schüssinsel in Biel, dank der sich die Lebensbedingungen in diesem Gebiet für die Forelle deutlich verbessert haben. Aber auch die neue Fischtreppe in Hagneck oder die Renaturierung der Alten Aare hätten dazu beigetragen, dass die Fische im Seeland wieder attraktiveren Lebensraum vorfinden.

Der Kanton unterstützt die Forelle zudem, indem er selbst Fische mit Laich von Fischen aus heimischen Gewässern heranzieht und diese gezielt wieder aussetzt. Auch Vorschriften bezüglich ihres Fangs sollen die Forelle schützen. So dürfen Patentfischer seit Anfang dieses Jahres nur noch 60 Forellen pro Jahr aus dem Wasser ziehen. Pro Tag sind bereits seit Längerem maximal sechs Forellen erlaubt.

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Die Sache mit der Genetik

Forelle ist nicht gleich Forelle – zumindest nicht, was Genetik, Verhalten und Aussehen betrifft. In der Schweiz unterscheiden wir insgesamt fünf verschiedene Forellenarten. Am meisten verbreitet ist die sogenannte atlantische Forelle (Salmo trutta). Sie kommt in Gewässern vor, die in den Rhein münden, weshalb sie auch im Seeland und im Berner Jura heimisch ist.

Im Einzugsgebiet der Rhone im Jura findet man die sogenannte Zebraforelle, auch Doubsforelle (Salmo rhodanensis) genannt. Die Forellen in Bündner Gewässern, die über den Inn in Richtung Donau und Schwarzes Meer fliessen, heissen Donauforellen (Salmo labrax).

Gleich zwei verschiedene Arten finden sich im Tessin und Südbünden: Trota fario (Salmo cenerinus) und die Marmorataforelle (Salmo marmorata). Ihr Lebensraum befindet sich im Einzugsgebiet von Po und Adige.

Die hiesigen See- und Bachforellen gehören genetisch übrigens beide der atlantischen Forelle an, auch wenn sie sich in ihrem Aussehen, im Wanderhalten und Wachstum deutlich unterscheiden. So trägt die Bachforelle rote Punkte, während die Seeforelle schwarze Punkte hat und deutlich grösser und korpulenter ist. Die Seeforelle zeigt zudem ein ausgeprägtes Wanderverhalten und wechselt zwischen Lebensraum See (Aufwachsen) und Fliessgewässer (Ablaichen und Jugendphase).

Obwohl sich die Genetiker auf grundsätzlich fünf Forellenarten geeinigt haben, gibt es in der Schweiz auch noch unzählige lokale Variationen. Je nach dem, in welchem Gewässer sie leben, können Farbe, Punkte und Schuppen zusätzlich variieren, weil sich die Forelle im Laufe der Evolution den Verhältnissen ihrer Umgebung angepasst hat. Eine Forelle aus der Alten Aare sieht daher nicht gleich aus, wie eine, die in der Schüss lebt.

Entstanden sind die einzelnen Forellenarten vor mehr als 500 000 Jahren. Die Forellen waren also schon in Schweizer Flüssen unterwegs, als es hier noch Dinosaurier gab. Sie darf somit auch als Ur-Fisch bezeichnet werden. jat

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Die Forelle

  • Lateinischer Name: Salmo trutta
  • Ordnung: Lachsartige
  • Familie: Lachsfische
  • Gattung: Salmo
  • Verbreitung: Atlantik, Nord- und Ostsee sowie in vielen angrenzenden Flüssen und Seen Europas
  • Merkmale: Spindelförmiger Körperbau. Grosses Maul, gespickt mit kleinen, spitzen Zähnen. Grundton der Schuppen variiert je nach Gewässer von rotbraun über buttergelb bis silberhell. Typisch sind Punkte oder Tupfen. Auch auffällig ist die sogenannte Fettflosse zwischen Rücken- und Schwanzflosse
  • Grösse: Seeforellen werden zwischen 45 und 80 Zentimeter lang, in seltenen Fällen sogar 140 Zentimeter. Bachforellen erreichen meist Körperlängen von 25 bis 50, seltener bis zu 60 Zentimeter
  • Lebensraum: Bevorzugt kalte Gewässer, kommt in Bächen, Flüssen, Seen und im Meer vor
  • Nahrung: Kleinkrebse, Insekten, Würmer und Schnecken sowie Jungfische und Fischeier
  • Fortpflanzung: Laichzeit zwischen Oktober und Januar. Weibchen legen bis zu 5000 Eier jat

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Der Fakir unter den Vögeln

Die Dornenhecke ist die Vorratskammer des Vogel des Jahres 2020. Der Neuntöter spiesst seine Beute auf Dornen und spitze Äste. Als Sommergast ist der Singvogel vom Mai bis Anfang September in der Schweiz anzutreffen.

Der Neuntöter fällt durch seine dunkle Augenbinde auf. ZVG/patrick donini/Birdlife

 

Er ist der Fakir unter den heimischen Vögeln. Insekten, aber auch kleine Säugetiere und Reptilien, die der Neuntöter mit seinem kurzen, kräftigen Schnabel erbeutet hat, spiesst er auf, um für Hungerzeiten vorzusorgen.

Früher nahm man (irrtümlich) an, der Vogel töte immer zuerst neun Beutetiere, ehe er eines davon fresse. Damit erklärt sich der erste Teil des Namens.

Der zweite Teil seines Namens leitet sich von seiner Eigenart ab, Heuschrecken, Eidechsen, aber auch Mäuse und junge Vögel auf Dornen und spitze Äste zu spiessen.

Mit dem Aufspiessen legt der Vogel einerseits Vorräte an. Andererseits helfen ihm die Dornen grosse Beutetiere, etwa Eidechsen und Mäuse, in schnabelgerechte Happen zu zerlegen.

Augenbinde wie ein Pirat

Erkennbar ist der kleine Vogel an der schwarzen Piratenbinde über beide Augen, dem grauen Kopf und dem rostroten Rücken.

Der Neuntöter misst 16 bis 18 Zentimeter. Damit ist er zwei Zentimeter länger als ein Spatz. Sein Gewicht beträgt etwa 28 Gramm. Zur Brutsaison stellt das Männchen dem Weibchen mehrere Nistplätze vor. Wo schliesslich die Brut stattfindet, entscheidet dann das Weibchen. Die Fortpflanzung wird speditiv abgewickelt: Nestbau, Brüten, Nestfütterung der Jungen und die anschliessende Betreuung des Nachwuchses ausserhalb des Nestes nehmen nicht einmal zwei Monate in Anspruch. Bereits im Hochsommer machen sich die ersten Altvögel wieder auf den Weg in den Süden.

Mit dem Verschwinden der Hecken und Magerwiesen findet der Neuntöter immer weniger Nist- und Futterplätze. Birdlife schätzt, dass sich der Bestand in den letzten 30 Jahren halbiert hat. Das schreibt der Verband in seiner Mitteilung zum Vogel des Jahres 2020.

10 000 bis 15 000 Paare brüten gemäss dem Brutvogelatlas 2013-2016 der Schweizerischen Vogelwarte noch hierzulande, besonders im Wallis und im Bündnerland. Eine beachtlicheZahl, sollte man meinen.

Doch Christa Glauser, stellvertretende Geschäftsführerin von Birdlife Schweiz, sagt: «Das mag nach viel klingen, aber die Erfahrung zeigt, dass bei den Kleinvögeln eine Population innerhalb weniger Jahre zusammenbrechen kann.» Beim Neuntöter zeige sich das Problem aktuell in den Alpentälern. Die Intensivierung der Landwirtschaft lasse hier die Bestände schrumpfen, so Glauser. Im Mittelland sind diese Vögel schon seit Jahren nur noch selten zu sehen.  

Erholung im Grossen Moos

Früher war dieser Singvogel überall häufig zu beobachten. Aus der Karte der Vogelwarte zur Verbreitung des Neuntöters ist ersichtlich, dass er inzwischen rund um den Bielersee nur noch vereinzelt vorkommt. Hingegen zeigt sich im Grossen Moos eine erfreuliche Entwicklung: Bei der Zählung 1995 habe man nur noch rund zehn Paare gefunden, sagt Livio Rey, Sprecher der Vogelwarte. Inzwischen lebten saisonal 70 Neuntöter-Paare im Grossen Moos. «Da wurde in den letzten paar Jahren viel für die Brutvögel gemacht, zum Beispiel, indem Gebüschgruppen neu angelegt wurden.»

Der Neuntöter gehört zu den Würgern, da er unverdauliche Bestandteile der Nahrung herauswürgt. Glauser vom Verband Birdlife sagt dazu: «Der Neuntöter ist der letzte Vertreter der Würgerart in der Schweiz. Und auch sein Gesang, der übrigens sehr melodiös klingt, ist durch den Rückgang der Bestände leider immer seltener zu hören.»

Damit sich das wieder ändert, braucht der Neuntöter Hecken und Dornbüsche zum Brüten und als Vorratskammer. Dazu eine halboffene, abwechslungsreiche Landschaft mit ausreichend Insekten. Birdlife fordert zur Verbesserung der Vielfalt von Tieren und Pflanzen die Umsetzung des Bundesratsbeschlusses von 2012: den Aufbau der Ökologischen Infrastruktur bis 2040. Damit sollen der Lebensraum und das Nahrungsangebot der heimischen Vögel nachhaltig gesichert werden. Daniela Deck

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