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Coronablog

Einst Schwarzmaler, nun Optimist

Im privaten respektive musikalischen Umfeld habe ich während vielen Monaten als Pessimist gegolten. Ich solle nicht ständig schwarzmalen, wurde mit bedeutet. Doch die Situation hat sich laufend verschlechtert.

Nachrichtenchef Theo Martin
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Im privaten respektive musikalischen Umfeld habe ich während vielen Monaten als Pessimist gegolten. Ich solle nicht ständig schwarzmalen, wurde mit bedeutet. Doch die Situation hat sich laufend verschlechtert. Selbst meine Befürchtungen wurden regelmässig übertroffen. Die bundesrätlichen Massnahmen sind stets härter ausgefallen als ich vernutet habe. Die Realität war in den letzten zwälf Monaten schlimmer als jede Prognose.

Und nun stelle ich völlig überrascht fest, dass ich für den Sommer 2022 zu den Optimisten gehöre. Stand heute glaube ich tatsächlich, dass sich das Leben bis in gut einem Jahr einigermassen normalisieren wird. Corona wird längst nicht vergessen sein, gewisse Einschränkungen werden bleiben. Insgesamt aber wird vieles möglich sein, was heute noch undenkbar ist.

Doch viele sind vorsichtig und glauben, der Neustart werde ziemlich harzig verlaufen. Die Erfahrungen mit den Skiterrassen zeigen aber, dass die Schweizerinnen und Schweizer genug haben von Corona und sobald als möglich loslegen wollen. Sobald die Impfrate gross genug ist, werden Lockerungen möglich. Dann könnte es ziemlich schnell gehen. Der Nachholbedarf der Bevölkerung ist gross.

Ist das reiner Zweckoptimismus? Habe ich mich von der Propaganda der Behörden einlullen lassen? Ich glaube eher, dass der Unterschied zwischen der kurzen Frist, also was in den nächsten Wochen passiert, und der langen Frist (Sommer 2022) zu wenig beachtet wird.

Kurzfristig glaube ich ebenfalls nicht an eine rasche Besserung, ganz im Gegenteil. Aber mit Impfungen und Massentests sollte die Pandemie bis in den Spätsommer einigermassen unter Kontrolle sein. Das würde schrittweise Lockerungen ermöglichen, die weit über die kosmetischen ersten Schritte von diesem Frühling hinausgehen könnten.

Das Misstrauen gegenüber einer raschen Besserung nach der Öffnung ist aber mehr als verständlich. Zu oft wurden unsere Erwartungen im vergangenen Jahr jäh zunichte gemacht. Noch weiss niemand mit Sicherheit, was Corona langfristig verändern wird. Tatsache ist leider auch, dass man gegenwärtig für jedes denkbare und undenkbare Szenario einen Experten findet, der genau das Gegenteil behauptet. So einfach lasse ich mir die Hoffnung aber nicht nehmen. Ich träume davon, am alten Leben anknüpfen zu können.


tmartin@bielertagblatt.ch

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