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Kinderbücher

Eisbär, wohin fliehst du?

Der Lebensraum des Eisbären ist bedroht, was auch in der Kinderbuchreihe «Der kleine Eisbär» ein Thema ist, die ihr 30-Jahr-Jubiläum feiert. Dem Tier widmet sich auch das kunstvolle Bilderbuch «Der Eisbär».

Wo jagt der Eisbär nach Futter? Unter dem Eis, wie es Jenni Desmond in ihrem preisgekrönten Kinderbuch «Der EIsbär» illustriert. Bild: zvg

Stefanie Christ


Ein Eisbär treibt auf einer Eisscholle. In einem Meer aus Eisschollen. Der Boden unter seinen Füssen ist infolge der Klimaerwärmung aufgebrochen. Der Eisbär blickt direkt in die Kamera des Fotografen, der diesen symbolischen Moment festhält. Ein Kontakt zwischen Tier und Mensch, wie er künftig vermehrt stattfinden könnte. Denn dieser Eisbär stammt aus dem kanadischen Territorium Nunavut. Er und weitere seiner Art suchen neuen Lebensraum. Einige von ihnen wandern nordöstlich Richtung Grönland, andere in den Süden in dicht besiedelte Regionen.
Das Pressebild ging um die Welt und macht deutlich: Der Eisbär – das grösste lebende Landraubtier – steht stellvertretend für die Auswirkungen der Klimaerwärmung. Das weiss auch Hans de Beer, Illustrator und Autor der erfolgreichen Kinderbuchreihe «Der kleine Eisbär».
Wuschelig und kritisch
Vor genau 30 Jahren kam de Beers erstes Buch «Kleiner Eisbär, wohin fährst du?» im Schweizer Nord-Süd-Verlag heraus. Zum Jubiläum ist im September das elfte Buch erschienen.
Der wuschelige Protagonist Lars ist nicht gealtert, doch die Themen haben sich gewandelt. Zu Beginn drehte sich die in 26 Sprachen übersetzte Reihe, zu der es auch Filme, Spiele und ein Musical gibt, um universelle Verlustängste, um den Zusammenhalt der Familie oder um kindlichen Übermut.
Mittlerweile beinträchtigen die klimatischen Veränderungen aber auch die fiktive Welt von Lars. Sein Lebensraum wird kleiner, die Wasserqualität nimmt ab – und Fische verschwinden, wie im neusten Band «Kleiner Eisbär. Lars und die verschwundenen Fische»: Als Lars aus dem Winterschlaf aufwacht, sind seine üblichen Jagdgebiete leer gefischt. Mit dem Aufgreifen von Themen wie Klimawandel, Umweltverschmutzung oder Überfischung will der Autor seine kleinen Leserinnen und Leser sensibilisieren: «Die Eltern können so mit ihren Kindern über Klimaerwärmung und Umweltschutz sprechen», sagt er in Interviews.


Preisgekrönt und realistisch
Einen Beitrag zum Verständnis für den Lebensraum der Eisbären liefert auch die englische Kinderbuchillustratorin und -autorin Jenni Desmond. Im vergangenen Jahr erschien «The Polar Bear» in den USA, seit Ende August liegt das mit dem New York Times Best Illustrated Children’s Book Award ausgezeichnete Buch auf Deutsch vor.
«Der Eisbär» ist ein wundervolles, kunstvolles Werk, das vor Augen führt, wie die mächtigen Jäger im ewigen Eis leben. Bei einem Sturm verschwindet das Tier beinah hinter dem Schneevorhang – so Ton in Ton ist die Illustration gehalten. Beim Tauchen «zoomt» Desmond schon mal weit weg, sodass der Eisbär kaum grösser als eine Sardine erscheint. Die Bilder sind angereichert mit Informationen zum Tier und zu seiner Umwelt – und beschönigen nichts.
So zeigt Desmond auf einer Doppelseite den Eisbären nach dem Fressen schläfrig und mit Blut verschmierter Schnauze. In einem Editorial schreibt die Autorin von verheerenden Veränderungen, die ihrem Hauptdarsteller drohen. Die aktuelle Thematik ist subtil eingeflochten, aber nicht minder dringlich.
Ob niedlich wie de Beers «Kleiner Eisbär» oder realistisch wie Desmonds «Der Eisbär»: Wenn sich Kinderliteratur kritisch aktueller Themen annimmt, kann sie nur gewinnen.


Info: Hans de Beer, «Kleiner Eisbär. Das grosse Buch vom kleinen Eisbären» (Jubiläumsausgabe mit allen zehn bisherigen Geschichten),     192 Seiten, Fr. 36.90, und «Kleiner Eisbär.Lars und die verschwundenen Fische»,32 Seiten, Fr. 21.90, beide Nord-Süd-Verlag. Jenni Desmond, «Der Eisbär», Aladin, 48 Seiten, Fr. 24.90. Alle Bücher werden für Kinder ab vier Jahren empfohlen.

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