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Meteorologie

«Es bräuchte jetzt 
richtig viel Regen»

Seit Wochen bleibt der Regen aus. Hydrologe Jan Seibert von der Universität Zürich sagt, was das für den kommenden Sommer bedeutet.

Um den fehlenden Schnee auszugleichen, wäre dringend Regen nötig. Bild: Mattia Coda

Interview: Martina Burger

Seit über fünf Wochen hat es kaum mehr geregnet. Kommt dazu, dass die Verdunstung sehr hoch ist. Einerseits, weil die Sonne täglich vom Himmel scheint und dabei kaum von Wolken verdeckt wird. Sie entzieht dem Boden im Mittelland Feuchtigkeit. Andererseits herrschen ungewöhnlich milde Temperaturen: Der März dieses Jahres war im Schnitt 0,8 Grad Celsius wärmer als im langjährigen Mittel von 1981 bis 2010. Eine kräftige Bise trocknete den Boden im Norden zusätzlich aus. Die Waldbrandgefahr steigt, in vielen Kantonen gilt deshalb ein Feuerverbot.

Das schürt Befürchtungen über einen – erneut – trockenen Sommer. Die Trockenheit der letzten beiden Sommer hinterliess auch im Wald deutliche Spuren, vielerorts verfärbten sich die Laubbäume bereits im Juli. Jan Seibert, Professor für Hydrologie und Klima an der Universität Zürich, verrät in einem Interview, was der Winter mit der Trockenheit im Sommer zu tun hat, welche Risiken existieren und weshalb die Lage momentan noch nicht prekär ist.

Jan Seibert, wann spricht man von einer Trockenperiode?

Man unterscheidet zwischen verschiedenen Arten von Trockenperioden: Einerseits ist es natürlich trocken, wenn es längere Zeit nicht geregnet hat, was wir als meteorologische Trockenheit bezeichnen. Dann gibt es die hydrologische Trockenheit, wenn wenig Wasser in den Flüssen fliesst. Als landwirtschaftliche Trockenheit gilt es, wenn die Böden trocken sind.

Auf welche Art ist es denn im Moment trocken?

Die meteorologische Trockenheit herrscht sicher vor. Die Böden sind jetzt auch grösstenteils trocken, weil es lange nicht geregnet hat, schon wärmer geworden ist und ordentlich geweht hat. Das ändert sich allerdings, wenn man auf über 1300 Meter steigt, wo noch bis vor kurzem Schnee lag: Da sind die Böden recht matschig. Vom Grundwasser her sind wir momentan noch nicht in einer speziell trockenen Situation. Im Februar hatten wir höhere Grundwasserstände als normalerweise. Das hängt teilweise damit zusammen, dass wir einen Winter hatten, in dem sehr viel Niederschlag als Regen vom Himmel kam und der daher gleich in die Grundwasservorräte geflossen ist.

Was bedeutet es, wenn es im Frühjahr nicht regnet?

Es gibt immer wieder unterschiedliche Perioden, in denen es mal mehr, mal weniger regnet. Nun hat es mehrere Wochen nicht geregnet. Was jetzt aber dazukommt, ist, dass wir einen Winter hatten mit relativ wenig Schnee. An vielen Stellen ist er früh weggeschmolzen. Gerade um diese Zeit, wo das Pflanzenwachstum anfängt, fehlt da potenziell Wasser. Das ist momentan noch nicht tragisch. Wenn es jedoch weiterhin so trocken bleibt, fehlt das Wasser zum Wachstum und es wird im Sommer noch extremer trocken.

Wann müsste es spätestens regnen, damit ein extrem trockener Sommer verhindert wird?

Wenn es zwischen jetzt und Juli noch mehrmals kräftig regnet, würde das ausreichen. Besorgniserregend ist weniger, dass es jetzt trocken ist, sondern eher, dass der Winter so schneearm war. Momentan fliesst in den Alpen mehr Wasser ab als normalerweise, weil die Schneeschmelze schon früher als in anderen Jahren im Gange ist. Der Schneespeicher war dieses Jahr sehr gering. Das, kombiniert mit wenig Niederschlag im Frühling, führt dann zu Niedrigwasser im Sommer.

Was beeinflusst die Trockenheit in nächster Zeit am meisten?

Um den fehlenden Schnee auszugleichen, bräuchte es richtig grosse Niederschlagsereignisse, bei denen auch viel Wasser zum Grundwasser weitersickert.

Kann man zum jetzigen Zeitpunkt bereits eine Prognose machen, wie der Sommer wird?

Ich würde nicht viel Geld darauf verwetten, wie der Sommer wird, das ist zu unsicher. Bei der Voraussage kommt es auf die meteorologischen Modelle an. Und die sind zwar mittlerweile besser geworden, aber jenseits von zehn Tagen sind sie, gerade was den Niederschlag angeht, doch noch mit grosser Unsicherheit behaftet.

Die letzten beiden Sommer waren bereits relativ trocken. Darunter haben die Wälder gelitten. Sterben unsere Bäume komplett ab, wenn dieser Sommer auch trocken wird?

Wiederholter Stress ist für Bäume problematisch. Andererseits war der Winter etwas wärmer, es könnte sein, dass die längere Saison den Bäumen geholfen hat. Es gibt auch die Überlegung, dass ein Baum sich an solche Umstände gewöhnt. So hat vielleicht die Trockenheit vor zwei Jahren dazu geführt, dass ein Baum noch weitere Wurzeln gebildet hat, die ihm jetzt helfen. Die Frage ist, ob sich die Trockenperioden akkumulieren und dem Baum jedes Mal mehr schaden oder ob sie eher zur Anpassung führen. Das ist sehr artspezifisch.

Warum ist eine Dürre in der Schweiz gefährlich?

Wenn es so trocken bleibt, herrscht Waldbrandgefahr. Und ausserdem ist die Landwirtschaft in der Schweiz sehr regenabhängig. Der Wald und die Landwirtschaft sind die beiden Hauptbetroffenen. 2018 kam eine Einschränkung im Schiffstransport hinzu. Die Schweiz importiert über den Rhein bei Basel viele Güter. Damit ein Einfluss auf die Trinkwasserversorgung in der Schweiz spürbar würde, müsste es hingegen schon sehr trocken werden.

Wie ordnen sie die momentane Trockenheit im Rahmen des Klimawandels ein?

Es passt ins Bild: Schneearme Jahre und längere Trockenperioden werden im Zuge des Klimawandels vorhergesagt. Einzelne Jahre sind allerdings wenig aussagekräftig. Es gab früher auch schon trockene Jahre. Deshalb muss man vorsichtig sein, wenn man sagt, was wir jetzt sehen, ist Klimawandel. Es könnte nächstes Jahr wieder ganz feucht werden oder schon in zwei, drei Wochen viel regnen, und der Klimawandel findet genauso statt.


Stichwörter: Trockenheit, Regen, Dürre, Wasser

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