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Titelgeschichte

Es ist Zeit, über Armut zu reden

Was tun, wenn das Geld kaum zum Leben reicht, der Schuldenberg wächst und gleichzeitig die Gesundheit schwächelt? Mit einer Kampagne will die Stadt Biel auf das Thema Armut aufmerksam machen. Denn es kann alle treffen.

Wenn selbst beim Essen gespart werden muss: Armut kann alle treffen und das oft völlig unvermittelt. Symbolbild: Keystone
Brigitte Jeckelmann
 
«Armut verhindern – mois de la précarité», unter dieser Überschrift lief den ganzen Oktober die Kampagne zur Armutsprävention der Stadt Biel und des Dachverbands Soziale Institutionen. Morgen findet zwischen 19.15 und 21 Uhr der letzte öffentliche Anlass auf der Esplanade und im Kongresshaus statt. Im Forum Sozialhilfe kann man sich von Fachpersonen über das Sozialhilfesystem in Biel informieren lassen. 
 
Das Ziel der Kampagne: Die breite Bevölkerung sollte in den zahlreichen Veranstaltungen und an Informationsständen auf der Esplanade die vorhandenen Hilfsangebote kennenlernen. Davon gibt es auf dem Platz Biel und in der Umgebung eine ganze Menge: Neben der Abteilung Soziales der Stadt Biel existieren 47 weitere Institutionen, die dem Dachverband angeschlossen sind und die den verschiedensten Bedürfnissen von Menschen in schwierigen Lebensumständen Rechnung tragen. Da sind die reformierten und katholischen Kirchgemeinden, Multimondo, Pro Senectute oder die Heilsarmee, um nur einige zu nennen. 
 
Das Problem: Viele kennen diese Angebote nicht. Thomas Michel, Leiter der Abteilung Soziales in Biel, weiss zudem: «Nicht wenige betroffene Personen scheuen sich vor dem Gang zum Sozialamt.» Dennoch hätten diese Menschen womöglich ein Recht auf Sozialhilfe, aber sie verzichten darauf, weil sie entweder schlecht informiert sind, der Stolz ihnen verbietet «um Geld zu bitten» oder weil sie die bürokratischen Hürden fürchten. 
 
Armut und Sozialhilfe sind gesellschaftliche Tabuthemen. «Dabei sollte man dringend darüber reden», sagt Michel. Gerade jetzt tut dies not. Denn wie die neuesten Sozialhilfezahlen zeigen: Im folgenden und übernächsten Jahr ist eine deutliche Zunahme von Menschen zu erwarten, die sich beim Sozialamt melden. Gründe sind die Folgen der Pandemie sowie vorläufig aufgenommene Flüchtlinge, die in die ordentliche Sozialhilfe überführt werden (siehe BT von gestern). 
 
Die Kampagne in Biel soll das Schweigen um das Thema brechen, und zeigen: Es gibt Hilfe. Für Michel ist zwar klar: «Die direkt betroffenen Personen werden wir damit kaum erreichen.» Durch den Schritt an die Öffentlichkeit erhoffe man sich aber, dass die Angebote bekannter werden, dass allenfalls Freunde, Bekannte, oder Angehörige von Menschen in prekären Lebenssituationen jene darauf aufmerksam machen. 
 
Im Notfall sei es wichtig, eine erste Anlaufstelle zu finden. Die Institutionen sind untereinander vernetzt und arbeiten zusammen. So kann man sich zum Beispiel bei einer der Kirchgemeinden für eine Beratung anmelden. Die Fachleute dort beurteilen die Situation. Wenn sie nicht selber helfen können, dann wissen sie, welche anderen Institutionen den Bedürfnissen von Betroffenen besser entsprechen und verbinden sie mit diesen. So kommt eine Hilfskette in Gang.
Stichwörter: Armut, Sozialhilfe, Biel

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