Sie sind hier

Abo

Yukon

Feststimmung unter 
der Mitternachtssonne

Vor einer Woche war der längste Tag des Jahres: «Summer Solstice» wird im Yukon gross mit Festivals und Parties gefeiert. Ausser an den Veranstaltungen der First Nations fliesst dann auch der Alkohol reichlich.

Stolz auf ihr kulturelles Erbe: Angela (vorne links) und Isabelle (rechts) von der Taku Kwaan-Tanzgruppe am Festival in Haines Junction. Bild: ZVG/Krista Prochazka
  • Dossier

Christine Mäder

Kaum zu glauben, dass die Tage jetzt schon wieder kürzer werden, erfreuen wir uns doch gegenwärtig im Yukon mit Helligkeit fast rund um die Uhr. Hier in Whitehorse sind wir auf Breitengrad 60,7, also etwas nördlich von Helsinki. Am 21. Juni erfolgte der Sonnenuntergang «schon» um 23.36 Uhr, während im ähnlich wie Reykjavik auf dem 64. Breitengrad gelegene Dawson City die Sonne um 0.51 Uhr unterging.

Sommer ist gleichbedeutend mit Festivalzeit im Yukon. Den Auftakt machte am zweiten Juni-Wochenende in der 950-Seelen-Gemeinde Haines Junction das kleine, aber feine Kluane Mountain Bluegrass Festival, das beinahe einem zu dieser Zeit in der Nähe wütenden grossen Waldbrand zum Opfer gefallen wäre. Glücklicherweise kriegten die Feuerbekämpfer rechtzeitig die Oberhand, und das Festival ging erfolgreich über die Bühne. Am darauffolgenden Wochenende fand im selben Ort das grosse Dákų Nän Ts’èddhyèt Tanz-Festival (was ungefähr mit «unser Haus weckt das Land auf» übersetzt werden kann) statt: Trommel- und Tanzgruppen verschiedener einheimischer First Nations sowie Gast-Performer von Saskatchewan und den USA zeigten auf, wie blendend Tradition mit Moderne verbunden werden kann. Besonderes Schwergewicht wird auf Nachwuchsförderung gelegt, und die jungen First Nations-Tänzerinnen und -Tänzer wussten mit ihrem Können sehr zu beeindrucken.

 

Das indianische Erbe feiern

Der 21. Juni ist nicht nur Sommersonnenwende, sondern seit 2017 auch ein offizieller Feiertag im Yukon: der «National Indigenous Peoples Day» soll in absehbarer Zeit kanadaweit zu einem gesetzlichen Feiertag verankert werden – aber das kann je nach siegreicher Partei in den diesjährigen Wahlen wieder schubladisiert werden. Leider spielte das Wetter nicht so ganz mit, und das vom Aboriginal Peoples Television Network landesweit live übertragene Openair-Konzert in Whitehorse mit der kanadischen Country-Sängerin Terri Clark als Headliner begann mit zweistündiger Verspätung, als der Himmel seine Schleusen endlich dichtmachte. Doch die unentmutigt aufgekreuzten Yukoner bewiesen im strömenden Regen, dass sie wasserdicht sind.

Schlag auf Schlag geht’s nun weiter mit Festlichkeiten im ganzen Yukon. In Whitehorse beginnt heute das Adäka Kulturfestival mit einer Fülle von Workshops, geleitet von First-Nations-Kunsthandwerkern: das Angebot reicht von Glasperlenstickerei, Kupferschmieden, Baby-Mokassins aus Leder und Biberfellmützen-Kreieren bis zur Einführung ins Weben von traditionellen indianischen Mustern. Dem «ins Licht kommend» bedeutenden Southern Tutchone-Begriff Adäka mehr als gerecht werdend, hat sich das siebentägige Festival innert kurzer Zeit zu einem der wegweisenden First Nations-Kulturereignisse Kanadas gemausert. Unter dem Motto «From the Land» will das vielfältige Programm durch Kultur, Gesang und Geschichtenerzählen auf die Wichtigkeit der indigenen Sprachen und des traditionellen First Nations-Landes, auf welchem wir hier leben, aufmerksam machen.

 

Kanada feiert 152. Geburtstag

Kanadas Nationalfeiertag am 1. Juli fällt dieses Jahr auf einen Montag, was uns ein extra langes Wochenende beschert. Regierungs- und Bankangestellte haben an öffentlichen Feiertagen frei; viele lokale Betriebe sind ebenfalls geschlossen oder haben reduzierte Öffnungszeiten. Sogar der Busbetrieb ist in unserer Stadt am Canada Day eingestellt.

Viele Yukoner nutzen die Gelegenheit, diese Tage auf einem der zahlreichen Campingplätze an Flüssen und Seen zu verbringen, nach Herzenslust zu angeln und sich mit Freunden zum feucht-fröhlichen Beisammensein am Lagerfeuer zu treffen. Wer lieber zuhause bleibt, kann an den in allen Gemeinden des Territoriums stattfindenden Festlichkeiten teilnehmen. In Whitehorse gibt es auch einen Umzug, der sich allerdings bei Weitem nicht mit dem vor Jahren noch existierenden Umzug der Bieler Braderie vergleichen lässt.

Atlin, im Norden von Britisch Kolumbien gelegen und von Whitehorse aus in knapp zwei Stunden Fahrzeit erreichbar, ist das nächste Ziel der Musikbegeisterten. Jedes Jahr ist das Arts & Music Festival schon Monate im Voraus ausverkauft. Kein Wunder: die bloss 400 Einwohner zählende Gemeinde schwillt am zweiten Juli-Wochenende auf gut 2500 Leute an. Ein riesiges Zeltlager gleich neben dem Festivalgelände bietet praktisch die einzige Unterkunftsmöglichkeit, sind doch die wenigen Hotelzimmer im Ort von den aus ganz Kanada angereisten Musikern belegt.

Eine Woche später geht’s dann in Dawson City rund mit dem nun schon im 41. Jahr stehenden Musikfestival. Die Yukoner kommen in den Genuss einer Vielzahl von Stilen mit Acts aus allen Regionen des Landes – von Halifax (Nova Scotia), über Iqaluit (Nunavut) bis Vancouver Island (Britisch Kolumbien). Bei längerer Trockenheit kann es im grossen Festzelt ganz schön staubig werden, wenn die Tanzwütigen so richtig loslassen. Wer’s eher ruhig mag, kommt im akustisch hervorragenden, historischen Palace Grand Theater auf seine Kosten.

 

Viel Alkohol, aber nicht in der Öffentlichkeit

Ob beim Campieren, bei Grillspass im Garten oder an Festivals, Alkohol fliesst ausser an First Nations-Veranstaltungen immer in Mengen. Doch wo Bier, Wein und Spirituosen gekauft und konsumiert werden dürfen, ist im Yukon gesetzlich eingeschränkt. Im Gegensatz zur Schweiz wird Alkohol hier nur in den von der territorialen Regierung betriebenen Liquor Stores (und von diesen gibt es nur in 6 der 15 Gemeinden des Yukons je einen) sowie in sogenannten Off-Sales verkauft. Diese Privatbetriebe beziehen ihre Ware bei der Yukon Liquor Corporation und verlangen den Abnehmern dann einen Aufpreis von bis zu 30 Prozent. Was durstigen Seelen, die ausserhalb der Öffnungszeiten des Liquor Stores plötzlich auf dem Trockenen sitzen, absolut egal zu sein scheint. Dabei ist Alkohol in Kanada eh schon viel teurer als in der Schweiz.

Da es verboten ist, in der Öffentlichkeit Alkohol zu trinken, gibt es bei Festivitäten speziell eingezäunte Biergärten, die nur ab 19 Jahren aufgesucht werden dürfen. Wer die Ausweiskontrolle erfolgreich überstanden hat, kann dann seinen Durst aber ausgiebig löschen. Je mehr gebechert wird, desto lauter das Gejohle und Gelächter, was dann den Musikgenuss im Zelt nebenan schon etwas beeinträchtigen kann. Ausser mich scheint das aber kaum jemanden zu stören.

 

***************************

Christine Mäder, in Biel geboren und aufgewachsen, war von 1977 bis 1993 Journalistin und Redaktorin beim «Bieler Tagblatt». Nach weiteren drei Jahren als Musikredaktorin in Zürich und Baden wanderte sie in die «hintereste obere Ecke» von Kanada aus: ins spärlich besiedelte Yukon Territorium, wo sie ihre Sprachkenntnisse zuerst im Tourismus anwendete, seit 2014 nun aber in Whitehorse als Administrative Assistentin in der Finanzabteilung von Parks Canada tätig ist.

Nachrichten zu Fokus »