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Aus dem Grossen Rat

Geschichte in die Zukunft bringen

Mein flammendstes Votum der letzten Session hielt ich zur Gosteli-Stiftung, die das Archiv der schweizerischen Frauenbewegung sicherstellt.

Barbara Stucki

Barbara Stucki

Flammende Voten waren nötig, weil der Grosse Rat bereits im Jahr 2018 beschloss, das Archiv mit einem kantonalen Beitrag zu unterstützen, dies aber bisher nicht tat. Kommt hinzu, dass
der Bund die Gosteli-Stiftung als «Forschungseinrichtung von nationaler Bedeutung» anerkannte – aber seine Unterstützung an die Forschungsarbeit von der kantonalen Beteiligung abhängig macht.

Nun kann man sich fragen, was in einem vergleichsweise kleinen Archiv am Rande der Stadt Bern geforscht werden soll. Werfen wir einen Blick auf die Gründung des Archivs: Es entstand auf private Initiative von Marthe Gosteli. Sie erkannte in den 70er-Jahren, dass die Geschichte der Frauenvereine, Frauenorganisationen und Fraueninitiativen verloren geht. Dies, weil die staatlichen Archive die Bestände nicht aufnehmen konnten und wollten. Die Engagements der Frauen fanden – bis zur Einführung des Frauenstimmrechts vor 50 Jahren – wenig überraschend, ausserhalb der Politik statt. Trotz fehlender politischer Rechte nahmen die Frauen viele gesellschaftliche Aufgaben wahr. Sie stellten auch politische Forderungen und leisteten einen wichtigen Beitrag zum öffentlichen Leben. Die Vorgängerorganisationen der heutigen Spitex oder der Business Professional Women, von Frauen gegründete Ausbildungsstätten, die Landfrauenverbände und verschiedenste Frauenbünde waren solche Wirkungsstätten.

Marthe Gosteli stellte Archivraum zur Verfügung, um diese Bestände aufzunehmen, für die Nachwelt zu erhalten und zugänglich zu machen. Diese Aufgabe erfüllt die Stiftung bis heute. Das Gosteli-Archiv beherbergt damit einen wichtigen Teil der Schweizer Geschichte: unser Weg zur Demokratie, wie wir sie heute kennen. Es ist die Geschichte darüber, wie Frauen mit ihrem vielfältigen Engagement zu Gunsten der Allgemeinheit, aber auch mit ihrem Kampf um ihre politischen Rechte, das Frauenstimmrecht erlangen konnten. Es ist aber eben nicht nur die politische Geschichte dort archiviert, sondern auch ein grosser Teil der gesellschaftlichen Frauengeschichte.

Um die Funktionsweise unserer Politik und
Gesellschaft zu verstehen, muss man die Geschichte der Frauen(rollen) miteinbeziehen. Die Geschichte unserer Vorgängerinnen soll im
Gosteli-Archiv nicht verstauben, sondern aufgearbeitet und heute wie in Zukunft erzählt werden. Was in der Geschichte passierte, ist die Basis
für Entscheidungen in der Zukunft. Nicht nur beim Thema Gleichstellung, aber auch dort.

Stichwörter: Grosser Rat

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