Sie sind hier

Abo

Lingerie

handfeste Nostalgie

Hanro, Calida, Zimmerli oder ISA Bodywear – die renommierten Schweizer Unterwäsche-Labels haben stets auf Handfestes und Luxuriöses gesetzt. Rückschau auf die Anfänge einer «intimen» Industrie.

  • 1/6 Bilder: zvg/Sammlungen Archäologie und Museum Baselland, Zimmerli, Calida.
  • 2/6 Bilder: zvg/Sammlungen Archäologie und Museum Baselland, Zimmerli, Calida.
  • 3/6 Bilder: zvg/Sammlungen Archäologie und Museum Baselland, Zimmerli, Calida.
  • 4/6 Bilder: zvg/Sammlungen Archäologie und Museum Baselland, Zimmerli, Calida.
  • 5/6 Bilder: zvg/Sammlungen Archäologie und Museum Baselland, Zimmerli, Calida.
  • 6/6 Bilder: zvg/Sammlungen Archäologie und Museum Baselland, Zimmerli, Calida.
zurück

von Clara Gauthey

Am Anfang der Schweizer Unterwäscheindustrie war die Maschine – und ein deutscher Auswanderer namens Joseph Sallmann. Der Strumpfwirker aus Sachsen kam 1848 als politischer Flüchtling in die Schweiz. «Er gilt als Begründer der fabrikmässigen Produktion von Trikotunterkleidern in der Schweiz und erhielt dafür damals auch eine Auszeichnung», erklärt Historikerin Monika Burri, die sich im Rahmen ihrer Doktorarbeit intensiv mit der Geschichte maschinell gestrickter Kleidung befasste.

Während die ISA Sallmann auf handfestere Männerwäsche und hiesige Kunden setzte, entstanden andernorts die Firmen Hanro (1884) und Zimmerli (1871). Sie verdienten ihr Geld ab den 1880er-Jahren mit feiner Wäsche für Kunden aus London oder Paris: Innovativer Luxus made in Switzerland. Modedesignerin Coco Chanel riet denn auch schon 1916, die modebewusste Frau solle doch Wäsche von Handschin & Ronus tragen (damaliger Name von Hanro).

Ebenfalls Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich in Stuttgart ein gewisser Gustav Jaeger für funktionalere Unterbekleidung eingesetzt. Antrieb für den Heilpraktiker Jaeger war, sportliche Betätigungen aus gesundheitlichen Gründen dem weiblichen Geschlecht zu ermöglichen – das sich bis dahin unter bis zu sechs Schichten zwängte. Doch sein eng anliegendes «Jaegerhemd» wurde als Geschmacksverirrung belächelt.

Modern: Frauen-Unterhosen

Erst gegen 1910 kam bei Hanro oder Zimmerli das «Cache corset» auf. Das spitzenbesetzte, elastische Leibchen sollte das Korsett entbehrlich machen und neue Bewegungsfreiheit ermöglichen. Die verschämte Bezeichnung «Korsettschoner» zeugt allerdings davon, dass dieser Übergang zunächst harzig verlief. Aus Marketing-Gründen propagierte man die Hemdchen daher als Kleidungsschicht zwischen Korsett und Kleid – die moderne Frau trug sie allerdings pur.

Bald schon kam bei Hanro die «Schlupfhose» hinzu, eine Unterhose mit Gummizug zum unkomplizierten Hineinschlüpfen. Frauen trugen im Allgemeinen erst ab dem frühen 19. Jahrhundert Unterhosen, aber lange mit einem Loch im Schritt, das im Winter mit einem Stofflatz an Knöpfen geschlossen werden konnte. Erst gegen 1850 hätten sich die als Beinlinge oder Beinkleider bezeichneten Unterhosen wenigstens während der kalten Jahreszeit allgemein durchgesetzt, schreibt die Luzerner Textilkuratorin Ursula Karbacher in einem Artikel.

Neutrale Kriegsunterhosen

Während des Ersten Weltkrieges produzierten Zimmerli, Hanro oder ISA Sallmann Herrenunterwäsche aus Wolle für die Armee. Mit dem Einbruch ausländischer Lieferungen ergaben sich unerwartete Expansionsmöglichkeiten. «Mit einigem diplomatischem Aufwand konnte Militärunterwäsche aus Schweizerischer Trikotproduktion an die verfeindeten Parteien geliefert werden», sagt Monika Burri. «Im Zweiten Weltkrieg bestand ein Beimischungszwang von Zellwolle in den Garnen. Diese waren schwierig zu verstricken und wärmten wenig», ergänzt Madeleine Girard, die in den letzten Jahren das umfangreiche Inventarisierungsprojekt des Hanro-Archives leitete, welches aktuell in einer Ausstellung ausgewertet wird (siehe Fussnote). Gegen Ende des Weltkrieges wurden Kleider und Unterwäsche aus reiner Zellwolle hergestellt.

Praktische Synthetik

Obwohl Firmen wie Hanro gemeinhin auf Naturfasern wie Wolle und Seide setzten, machte man auch hier in den 70er-Jahren zeitweise den Trend zur Synthetikfaser mit. «Die Kundin wollte das so: schnell gewaschen, schnell trocken, bügelfrei», sagt ein langjähriger Mitarbeiter der Firma. Der Tragekomfort war aber eindeutig schlechter, es kratzte und man schwitzte darin. Im Übrigen waren die 70er-Jahre zugleich die Glanzzeit der Liestaler Firma, die damals 800 Mitarbeiter beschäftigte.

Filmstar-Feinripp

Der etablierte Luxushersteller Zimmerli, der immerhin 144 Jahre auf dem Buckel hat (since 1871), machte den Feinripp für Hollywood attraktiv – Sylvester Stallone trug ihn als Boxer Rocky Balboa. Die sogenannte RichelieuRippe – seit den 30erJahren der ZimmerliKlassiker, rühmt sich, das «wohl meistgefilmteste Unterhemd» zu sein. Vor allem aber kann sich Zimmerli neben ISA Sallmann als einer der wenigen Produzenten noch bis heute damit brüsten, echtes «made in Switzerland» zu verkaufen. Der Stoff wird im Berner Huttwil produziert, gefertigt wird im Tessin.

Smarte Unterhosen?

Mit prominenten Trägerinnen kann sich auch die Marke Hanro schmücken. Queen Elizabeth soll darauf setzen, Nicole Kidman tat es in Stanley Kubricks «Eyes Wide Shut».

Die Schweizer Traditionsfirmen wirtschaften bis heute erfolgreich, auch wenn neuerdings die «smarte Unterhose» droht, die Biodaten überwacht», wie kürzlich ein Autor der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» witzelte. Clara Gauthey

Info: Ausstellung «Bewahre! Hanro. Erste Einblicke in das Archiv des Liestaler Textilunternehmens», Museum.BL, Zeughausplatz 28, Liestal.

Schweizer Wäsche ab 1910:

1. Calida-Werbeplakat (1962): Synthetik (hier Nylon, das angepriesen wird, «weich wie Seide» zu sein) wird marktfähig.

2. «Cache corset», «Korsettschoner» aus dem Hause Hanro (damals noch Handschin), wie das Hemd verschämt genannt wurde. Coco Chanel pries Handschin 1916 als die Top-Unterwäsche-Marke an, welche die Frau von Welt untendrunter tragen solle.

3. Ausbruch aus den Rollenzwängen der Vorkriegszeit: Im Hanro-Modell von 1910 kündigt sich die «befreite» Frau der Zwanzigerjahre an.

4. Calida warb lange mit der «Garantie-Wäsche»: In der Reparaturabteilung wurden Gummizüge ersetzt und Löcher ausgebessert; hier ein Plakat von 1954.

5. Der Klassiker der Firma Zimmerli für den Mann: Feinripp des Modells «Richelieu», seit den 30er-Jahren produziert; hier in Ringel-Optik.

"Wäsche «made in Switzerland» rückläufig"

"• ISA Sallmann (ISA Bodywear) 1884 mit sechs Strickerinnen produziert bis heute in Amris- und sechs Strickmaschinen. wil. Strumpfwirker Joseph Sall- 2001 Verkauf an die österreichimann gründete 1849 die Trikot- sche Huber Holding, Ende firma Jos. Sallmann (seit 1960 Schweizer Produktion. ISA Sallmann). • Calida, Sursee: 1941 als Strick- • Zimmerli, Aarburg: gegründet warenfabrik Sursee gegründet; 1871, produziert wird bis heute die Schweizer Produktion wird in der Schweiz, angestellt sind 2005 eingestellt. 88 Personen, davon 55 in der • Literatur : Monika Burri, «BoProduktion im Tessin. dywear. Geschichte der Trikot- • Hanro, Liestal: Albert Hand- kleidung 1850-2000», Chronos schin begann seine Produktion Verlag, 2012, Fr. 64.90. "

 

Nachrichten zu Fokus »