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Hoch ansteckende Kalorien

Doppelt geimpft und guter Dinge – endlich laden wir wieder unbeschwerter Freunde und Bekannte ein. Lange haben wir uns nicht persönlich getroffen, viel gibt es zu erzählen.

Niklaus Baschung

Wie ist es uns ergangen? Welche während langer Zeit vermissten Aktivitäten werden nun unternommen? Doch kaum ist die Haustür geöffnet, lautet der erste besorgte Satz: «Uh, ist der aber dick geworden!»

«Uh», so heisst unser Hund. Anfangs Seniorenalter. Also früher hat er noch ganz anders geheissen. «Jö» zum Beispiel, als süsser Welpe und Junghund. Die meiste Zeit aber «Oh», weil er ein ästhetisch anziehender Vierbeiner mit bezauberndem Charme ist. Das zweite Besucherpaar meint zur Begrüssung: «Eh, aber auch, euer Hund hat an Saft und Kraft zugenommen.» Wobei die Betonung eindeutig stärker auf dem Wort Saft liegt.

«Eh», unser Hund, lässt sich davon nicht beirren und begrüsst am nächsten Morgen voller Naivität den bestellten Handwerker, welcher mit Kennerblick feststellt: «Habe ich recht oder nicht, 40 Kilo?» Unser Hund, dessen richtiger Name ich bald vergessen haben werde, macht erfreut und ohne Sinnzusammenhang «Sitz» und «Platz», worauf ich ihn zur Strafe zu seiner Liegeecke hinführe und ihm verbiete, sich je wieder blicken zu lassen, bevor er nicht mindestens zehn Kilo abgenommen hat.

Nein – das tue ich nicht, denn mittlerweile nehme ich es persönlich. Objektiv gesehen hat nur einer in diesem Haushalt während der Lockdown-Zeit zugenommen, nämlich ich selber. Während der Hund altersbedingt etwas aus der Form geraten ist. Wie viele von uns. Dürfen wir das denn nicht? Stattdessen werde ich dauernd darauf aufmerksam – indirekt über den Hund – das macht mich ... ja, da wünschte ich mir mal eine richtige konsequente Ausgangssperre, schweizweit. Damit diese hoch ansteckenden Kalorien endlich ausgemerzt werden.

Stattdessen wird im Tischgespräch thematisiert, ob unser Labrador im Wald eigentlich auch Trüffel finde. Gut, vielleicht, wenn er entsprechend ausgebildet würde, er findet und frisst ungefragt grundsätzlich alles Ess- und Nichtessbare im Wald. Aber als Trüffelhunde eignen sich andere Hunderassen besser. Andererseits möchte ich auch gar keine Trüffel finden, es ist doch eine schöne Vorstellung, dass in der Natur Kostbarkeiten existieren, ohne dass sie gleich geplündert werden.

Das ist, zugegeben, nur die halbe Wahrheit. Ich habe Trüffel gar nicht gern. Letztmals war ein Kartoffelstock eines Gastgebers mit Trüffel angereichert. Mir taten die armen Kartoffeln leid, die nur gesalzt und gebuttert so schmackhaft sind. Und dann erst die Zweitverwertung, wenn der Kartoffelstock mit noch mehr Butter in der Pfanne brutzelt, langsam anbräunt, dieser Geruch, dieser Geschmack, das ist ein echtes Gedicht. Das berührt und geht direkt in deinen Körper.

Manchmal bleibt die Butter sogar für längere Zeit noch dort.

 

Info: Niklaus Baschung ist Journalist, Kommunikationsfachmann und 
Hundehalter. Mehr zum Autor und 
seinem Schaffen finden Sie unter www.niklaus-baschung.ch.
kontext@bielertagblatt.ch

Niklaus Baschung

Stichwörter: Neulich, Gewicht, Kalorien

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