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«Ich hab Mensch», sagt der Planet

Folgenden Spruch gelesen: Das Kernproblem der Menschheit ist, dass die globale Dummheit die globale Erwärmung bereits überholt hat.

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von Niklaus Baschung

Seit junge Menschen sich in Sachen Klimaerwärmung engagieren und öffentlich bemerkbar machen, erfahren sie nebst gönnerhaftem Schulterklopfen viel Häme. Schadenfreudig werden ihnen in Kommentaren, Leitartikeln oder Leserbriefen angebliche Widersprüche zwischen den eigenen Ansprüchen und ihrem tatsächlichen Verhalten unter die Nase gehalten. Diese Feindschaft haben sie sich vor allem mit der steten Warnung eingehandelt, dass ein Grossteil der globalen Klimaerwärmung menschengemacht ist. Man könnte daher, weil durch Menschen verursacht, etwas gegen den CO-Ausstoss und Treibhauseffekt tun, wenn man wollte. Aber das würde Einschränkung bedeuten, Masshalten, Rücksichtnahme, persönliches Engagement. Und das ist so was von mühsam und anstrengend.

Es ist viel bequemer, diese Jungen als Möchtegern-Weltretterinnen und -retter lächerlich zu machen. Da werden etwa tatsächlich die Abfallberge, die bei Open-Air-Konzerten entstehen, als Beweise für die Verwerflichkeit der jungen Klimawarner aufgeführt. Wem hilfts? Was ist der Zusammenhang? Wie dumm dürfen Argumente sein, um das eigene Nichtstun zu kaschieren?

Im Grunde dürften diese jungen Leute sich nicht bewegen oder gar nicht mehr atmen, also praktisch tot sein, um aus Sicht ihrer Lästerer glaubwürdig zu bleiben. Denn über das Jahr produziert ein Mensch mit der Atmung zwischen 168 Kilogramm CO (wenn er die ganze Zeit auf dem Sofa sitzt) oder 2040 Kilogramm (bei Dauerbelastung). Die CO-neutralste Lebensweise ist das Sofasitzen. Allerdings nur, wenn dabei kein Buch gelesen, kein Fernsehen geschaut, keine SMS verschickt, nichts gegessen – und gar kein Sofa besessen wird. Doch niemand propagiert eine solche Lebensweise.

Mein Dank gilt Luisa und Michelle – sie reisen in den Sommerferien per Zug zu ost– und südeuropäischen Hauptstädten und haben den lang gehegten Plan, nach Australien zu fliegen, vorerst aufgegeben. Danken will ich Aline und ihrem Freund –sie reisen mit der Eisenbahn nach Biarritz und mieten dort ihre Surf-Boards. Dank an Maurice, der dieses Jahr kein eigenes 1.-August-Feuerwerk gekauft hat. Ein grosses Merci an alle jungen Veranstalter, die mit Mehrweg-Geschirr arbeiten. Dank an alle jungen Bieler und Bielerinnen, die Car-Sharing für ihre Automobilität nutzen. Schön, dass so viele junge Menschen das Wandern wieder entdeckt haben.

Ihr werdet die Welt nicht retten können, aber die Tatsache, dass es euch gibt, macht sie lebenswerter.

 

Folgenden Spruch gelesen: Treffen sich zwei Planeten im Weltall. Sagt der eine: «Oh, wie siehst denn du aus?» Sagt der andere: «Ach, ich hab Mensch.» Meint der erste: «Macht nix, das geht vorbei.»

Info: Niklaus Baschung ist Journalist, Kom-munikationsfachmann und Hundehalter.
kontext@bielertagblatt.ch

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